Focus Arbeitsplatz 4.0

Wie ein Team auch im Homeoffice erfolgreich zusammenarbeitet.

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Die plötzliche Umstellung auf Homeoffice hat Unternehmen und Mitarbeitende gleichsam vor neue Herausforderungen ­gestellt. Karin Sidler, Geschäftsführerin des Coachingzentrums Olten, sagt im Interview, wie ein Team auch im Homeoffice erfolgreich zusammenarbeitet.

Karin Sidler, Geschäftsführerin des Coachingzentrums Olten. (Source: zVg)
Karin Sidler, Geschäftsführerin des Coachingzentrums Olten. (Source: zVg)

Wie erlebten Sie am Coachingzentrum Olten die plötzliche ­Umstellung auf Homeoffice im vergangenen März?

Karin Sidler: Einerseits galt es, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, um den Mitarbeitenden der Geschäftsstelle das Arbeiten von zuhause aus zu ermöglichen. Andererseits ging es aber auch darum, alle auf diesem Umstellungsprozess mitzunehmen, sodass sich alle wohlfühlten. Für uns als Bildungsinstitution kam noch dazu, dass wir aufgrund des Verbots von Präsenzunterricht vom einen auf den anderen Tag auf digitale Lehrsequenzen umgestellt haben. Diesen Prozess erlebten wir als sehr herausfordernd, aber auch als spannend, lebendig und lehrreich.

Sie bilden Menschen zu Coaches, betrieblichen Mentoren und ­Resilienztrainern aus. Wie verändert sich die Arbeit eines ­Coaches, wenn er mit einem Homeoffice-Team arbeitet?

Auch unsere Coaches stellten natürlich im März auf digitale Angebote um, was eine hohe Flexibilität erforderte. In unseren Lehrsequenzen arbeiten wir oft mit dem Körper, mit dem Raum oder wir führen Gruppenarbeiten durch. All dies lässt sich auch digital umsetzen, jedoch in einem angepassten Rahmen. Ein digitaler Workshop muss anders geplant sein, damit er genug Kraft hat und die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden wachhält. Die Veränderungen führen zu einer Generation von Coaches, betrieblicher Mentoren und Resilienztrainern, die Online Coaching zu einem Standardangebot machen – etwas, was vorher eher untergeordnet war. Starre Strukturen und Erwartungen in Bezug auf Onlinebegegnungen wurden durch den Lockdown und die Homeoffice-Pflicht langfristig aufgeweicht.

Was ist eine der grössten Herausforderungen für Teams im ­Homeoffice?

Für Teams ist es besonders herausfordernd, als Gruppe weiterhin zielgerichtet unterwegs zu sein – also eine Ausrichtung auf das Gemeinsame zu behalten. Die Gefahr ist gross, dass sich jedes Mitglied nun darum kümmert, quasi seinen eigenen Garten zu pflegen, also die Zeit nutzt, seine eigenen Aufgaben zu erledigen. Das wird zwar sehr geschätzt und führt auch zum Eindruck, zuhause viel effizienter zu sein. Aber es birgt auch die Gefahr, dass man Schnittstellen weniger pflegt und man längerfristig eher als einzelne Säule unterwegs ist, denn als organisches Ganzes.

Wie kann ein einzelnes Teammitglied dies verhindern?

Hier geht es um das Thema des Selbstmanagements. Jeder Einzelne sollte sich eine Struktur geben hinsichtlich der investierten Zeit und der zu erledigenden Aufgaben. Es sollte auch klarer geplant werden, mit wem man sich austauschen sollte und wann.

Was gehört sonst noch zum Selbstmanagement?

Dazu gehört nicht nur das Planen von Aufgaben, sondern auch das gezielte Einlegen digitaler Pausen. Es reicht nicht, seine Arbeit zu unterbrechen, um bei einem Kaffee seine privaten E-Mails zu checken. Vielmehr sollten regelmässig die digitalen Tools beiseite gelassen werden, um seine eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen. Schauen Sie nach draussen, schütteln Sie die Beine, dehnen Sie Ihre Schultern. Empfehlenswert sind auch kurze Atemübungen, um den Fokus neu zu erlangen – kurz: Nehmen Sie sich mehrmals täglich drei, vier Minuten Zeit, um dem Geist die Möglichkeit zu geben, die Betriebstemperatur etwas zu senken.

Zurück zur Arbeit. Womit haben Teamleiter im Homeoffice zu kämpfen?

Für eine Führungskraft ist es viel anspruchsvoller, mitzubekommen, wo die einzelnen Teammitglieder stehen und was sie herausfordert. Im normalen Büroalltag ist es einfacher zu sehen, wenn jemandem der Kopf raucht. Im Homeoffice hat man weniger Kontakt mit seinem Team und erkennt nicht sofort, wo eventuelle Schwierigkeiten stecken.

Welchen Rat geben Sie Teamleitern auf den Weg?

Die Kommunikation muss noch mehr in den Fokus gerückt werden. Regelmässiger Kontakt zum ganzen Team ist wichtig, und es sollten auch themenbezogene Arbeitsgruppen geschaffen werden, die sich in Videokonferenzen austauschen. Doch auch bei einzelnen Teammitgliedern sollte mehr nachgefragt werden: Wie geht es dir? Wie bist du unterwegs? Was läuft und was läuft weniger gut? Kurz: Was in der Präsenz informell abläuft, muss im Homeoffice klarer strukturiert werden und mehr Zeit und Fokus erhalten. Die Führungskraft sollte auch den informellen Austausch der Teammitglieder fördern, etwa während digitaler Kaffeepausen.

Was zeichnet für Sie einen guten Homeoffice-Arbeitsplatz aus?

Da denke ich zunächst an ergonomische Massnahmen. Es braucht einen Bürostuhl, der diesen Namen auch verdient, den man gut einstellen kann. Weiter braucht es einen grossen Bildschirm, vor dem man aufrecht sitzen kann, anstatt eines kleinen Laptop-Displays. Der Raum sollte nicht zu klein sein und über ein Fenster verfügen. Und wichtig ist, dass man in diesem Raum ungestört ist. Die Türe sollte geschlossen werden können und es braucht ein familiäres Commitment, dass man im Büro nicht gestört wird.

Welche Sicherheitsvorkehrungen gehören zum Arbeitsplatz im Homeoffice?

Die Zugänge zu Firmenservern sollten durch ein IT-Team eingerichtet und abgesichert werden. Dieses sollte auch Firmengeräte konfigurieren. Dort, wo die Angestellten ihre eigenen Geräte einsetzen, muss die IT etwa mit Firewalls für Sicherheit sorgen.

Wie wurden Schweizer Arbeitnehmer im Homeoffice in Sachen IT betreut?

Soweit ich das beurteilen kann, reicht die Bandbreite von hervorragendem, schnellem Support bis zu Berichten über Dinge, die gar nicht funktionieren. Mir fällt auf, dass mangelnde IT-Unterstützung oft weniger mit technischen Aspekten als mit politischen Prozessen zu tun hat. Insbesondere in grossen Organisationen – Unternehmen oder auch Verwaltungen – ist es problematisch, wenn viele verschiedene Gremien über den Einsatz von Tools entscheiden. Vielfach wird zunächst festgelegt, welche Programme nicht genutzt werden dürfen, während man weiter auf eine wirklich sichere Lösung wartet. Hier wären wohl flexible Lösungsansätze vonseiten der IT hilfreich, indem man etwa für Sitzungen je nach Sensibilität unterschiedliche Lösungen zulässt.

Wie beurteilen Sie die Prognosen, wonach der Trend zu Homeoffice auch nach der Pandemie anhalten wird?

Homeoffice wird bleiben – aber nur zum Teil. Künftig werden wir wohl bezüglich der Arbeit flexibler sein, also manche Arbeiten vor Ort erledigen und andere von zuhause aus. Wie dies konkret aussieht, ist branchen- und aufgabenabhängig. Für Führungskräfte bedeutet dies, dass sie ihr Arbeitsmodell jeweils individuell anpassen sollten. Ich würde uns allen aber wünschen, weiterhin bis zu einem gewissen Grad zusammen vor Ort arbeiten zu können, um eine gemeinsame Kultur zu prägen.

Wie sorgen hybrid arbeitende Teams dafür, dass ihre Kollegen im Homeoffice den Anschluss nicht verlieren?

Auch hier sollten Führungskräfte darauf achten, einen strukturierten Austausch mit Angestellten im Homeoffice zu pflegen. Zudem sollten sie gezielt den regelmässigen Kontakt zwischen den Mitarbeitenden vor Ort und jenen im Homeoffice anstossen. Es reicht nicht, die Leute im Homeoffice nur zur hybriden Teamsitzungen einzuladen. Leiter sollten gezielt nachfragen, was sie brauchen und wo sie allenfalls anstehen.

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