Patrick Gobonya im Interview

Die Schweiz als E-Sports-Destination

Uhr
von Pascal Sieber, Veranstalter des CNO-Panels und Verwaltungsratspräsident von Sieber & Partners

Mit seiner Firma Ovation eSports will Patrick Gobonya junge Profi-Gamer gross herausbringen. Am diesjährigen CNO-Panel hält Gobonya eine Keynote. Im Interview spricht er über seine Pläne, seine Vorstellung von New Work und darüber, was er von der Politik erwartet.

Sie haben sich während des Studiums mit Sportmarketing befasst, haben aber auch eine Ausbildung als Sound Engineer. 2020 haben Sie zusammen mit Leonard Cohrs die Firma Ovation eSports gegründet. Was hat das mit Sound Engineering und Sportmarketing zu tun?

Patrick Gobonya: Mit meinem Studium bin ich meiner damaligen Leidenschaft, der Musik nachgegangen. Ich habe zu dieser Zeit häufig als DJ gearbeitet und wollte meine Fähigkeiten durch das Sound-Engineering-Studium verbessern. Das Sportmarketing-Studium habe ich in Angriff genommen, da mir bewusst wurde, dass ich irgend etwas in der Welt des Sports machen möchte. Ich komme selbst aus dem Profisport, habe sehr lange Tennis gespielt und auch heute noch gibt es wenig, was mich glücklicher macht als ein simpler Ball. Während meines Sportmarketing-Studiums habe ich mich immer tiefer in die Welt des E-Sports eingelesen und habe ein riesiges Potenzial am Markt gesehen. Viele traditionelle Sportarten haben ihr Marktpotenzial bereits erreicht, E-Sports hingegen steckt noch ganz am Anfang und das Potenzial ist enorm. So habe ich dann auch meine Bachelorarbeit dem Thema "Trends und Potenziale am eSports Markt" gewidmet.

Sie sprechen von Marktpotenzial. Wie sieht denn Ihr Geschäftsmodell aus?

Unser Geschäftsmodell lässt sich vergleichen mit demjenigen eines Fussballclubs. Wir haben Athleten unter Vertrag, die in verschiedenen Videospieltiteln an den grössten Turnieren Europas teilnehmen. Unser hauptsächlicher Revenue Stream besteht darin, die Reichweiten dieser Athleten und Teams zu vermarkten und in Form von Sponsoring zu verkaufen. Wir erreichen monatlich rund 50 Millionen Menschen aus einer sehr gefragten und einzigartigen Zielgruppe: junge, digital affine und überdurchschnittlich ausgebildete Personen aus dem DACH-Raum. Durch authentischen Content und coole Kampagnen schliessen wir die Brücke zwischen den Digital Natives und traditionellen Brands. Unsere zweite Einnahmequelle ist Merchandise. Hierbei handelt es sich um alle möglichen Artikel wie Trikots, T-Shirts, Hoodies oder Kaffeetassen mit unserem Logo drauf. Auch dieser Revenue Stream besteht eins zu eins auch im traditionellen Sport. Heutzutage kann man sich seine komplette Wohnung mit Bayern-München-Fanartikeln einrichten. Als dritter Revenue Stream zählen wir die Spielertransfers. Hier steckt der E-Sports noch in den Kinderschuhen und wir können uns glücklich schätzen, viel Wissen von unseren Investoren abgreifen zu können. Doch auch im E-Sports wurden bereits League-of-Legends-Spieler für Transfersummen von 5 Millionen US-Dollar gehandelt.

Am CNO Panel sprechen wir über den Megatrend New Work. Damit verbunden ist die Frage, welche neuen Jobs mit der Digitalisierung entstehen. Ovation eSports unterstützt "digitale" Sportlerinnen und Sportler. Was sind das für Jobs und welche Fähigkeiten muss jemand mitbringen, der diesen Job machen will?

In erster Linie soll ein E-Sportler zu den Besten in seiner Disziplin und Region gehören. Die kompetitive Leistung steht ganz klar im Vordergrund. Erst so werden wir überhaupt auf jemanden aufmerksam. Als zweites Merkmal muss er aus dem DACH-Raum kommen. Dies gilt aber nur für uns: Wir sind das einzige Team, das nur auf DACH-Raum-Athleten setzt – einerseits aus Teambuilding-Gründen, andererseits als USP für Sponsoren und Marketingverantwortliche. Will man im DACH-Raum werben und dies über E-Sports tun, so bietet unser Team den mit Abstand geringsten Streuverlust. Sind diese beiden Grundvoraussetzungen gegeben, kommt der für mich wichtigste Part ins Spiel: das Menschliche. Was für eine Person ist dieser E-Sports-Athlet? Wie schaut sein Alltag aus? Lebt er ausgewogen? Wie sehen seine Lebenseinstellung und seine Weltanschauung aus? Kann er reden und lässt er sich vermarkten? Ich bin dafür zuständig, diese Gespräche mit den Athleten zu führen, um herauskristallisieren zu können, ob er tatsächlich zu uns passt oder nicht. Der menschliche Aspekt ist mir am wichtigsten und hat auch dazu geführt, dass wir bis heute noch keine internen Diskussionen hatten oder uns gegenüber externen Vorwürfen zum Verhalten unserer Spieler rechtfertigen mussten.

New Work fragt auch danach, inwiefern sich die Art und Weise des Arbeitens verändert. Gerade in jüngster Zeit hat sich zum Beispiel Homeoffice weit verbreitet. Wie arbeiten Sie bei Ovation eSports?

Die Jobwelt hat sich vor allem durch Corona sehr verändert. Homeoffice wurde gezwungenermassen zum neuen Massenphänomen. Uns kam das sehr entgegen, da unser Business durchaus digital ausgelegt ist. Wir arbeiten alle von zuhause aus und besprechen die anstehenden Themen in Discord Calls. Discord wird wahrscheinlich nicht allen bekannt sein. Es handelt sich hierbei um eine Chatplattform, vergleichbar mit Whatsapp, jedoch ist Discord sehr auf Gaming ausgerichtet. Mit unterschiedlichen Chaträumen, Gruppen und Channels kann man sich flexibel mit mehreren Personen austauschen, man kann Präsentationen teilen und gemeinsam daran arbeiten und hat zusätzlich die Möglichkeit, eine eigene Art von Fanplattform zu kreieren, auf der man sich dann mit der Community austauschen kann. Diese Art zu Arbeiten ermöglicht es uns, Kosten zu sparen und dabei sehr flexibel und effizient zu agieren. Nach mehr als eineinhalb Jahren Erfahrung im Bereich New Work sehe ich aber auch die negativen Aspekte. Es gibt keine geregelten Arbeitszeiten mehr, man muss dauerhaft erreichbar sein, vor allem als Co-Founder. Unsere Athleten genauso wie unsere Mitarbeiter kommen nach Lust und Laune mit Fragen und Anregungen auf mich zu und die Uhrzeit spielt keine Rolle. Es ist schwierig, sich eine gesunde Work-Life-Balance einzurichten. Vielleicht tauchen diese Probleme bei klassischen 9-to-5-Jobs auch trotz Homeoffice nicht auf, aber mir persönlich fällt es schwer abzuschalten.

Es läuft also ganz anders als bei einer Grossbank.

Absolut. Bei uns sind die Entscheidungswege viel, viel kürzer. Dies fällt uns vor allem in Gesprächen mit potenziellen Partnern und Sponsoren auf. Je grösser das Unternehmen, desto länger dauert eine Entscheidung. Ich denke, das war schon vor Corona so. Aber für mich bedeutet New Work auch neue Workflows. Einfachere interne Kommunikationswege, schnellere Entscheidungen und effizientere Gestaltung von Meetings sind meiner Meinung nach essenziell, wenn es darum geht, mit der rasanten Entwicklung mithalten zu können. Unter effizient verstehe ich beispielsweise, dass die richtigen Leute in den Meetings sitzen. Häufig kommt es vor, dass bereits bei kleinen Projekten mit grösseren Firmen 4 bis 5 Leute im Call sitzen, wobei nur die anwesenden Personen entscheidungsberechtigt und zuständig für die Partnerschaft sind. Alleine die Vorstellungsrunde frisst dann schnell mal 15 bis 20 Minuten Zeit, welche ich persönlich gerne anders investieren würde.

Sie legen bei Ovation eSports sehr viel Wert auf die soziale Nachhaltigkeit. Ein E-Sportler oder eine E-Sportlerin ist nicht einfach eine Geldmaschine. Sie wollen Karrieren und Lebenspläne ganzheitlich anschauen. Warum machen Sie das?

Das Thema Nachhaltigkeit wird bei uns grossgeschrieben. Wir verstehen unter Nachhaltigkeit die nachhaltige Entwicklung unserer Athleten. In erster Linie machen wir das, weil wir uns verpflichtet fühlen, den jungen Athleten das perfekte Umfeld zu bieten, um sich nicht nur sportlich, sondern auch persönlich respektive sozial optimal weiterentwickeln zu können. Eine E-Sports-Karriere hält keine 50 Jahre an – ebenso wenig wie eine traditionelle Sportkarriere. Bei Mitte 20 ist man in den meisten Disziplinen bereits zu alt, um noch ganz oben mithalten zu können. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, unsere Athleten optimal auf die Zeit nach der Karriere vorzubereiten – abgesehen davon, dass wir sie während der Karriere in allen Bereichen unterstützen, um ihr maximales Potenzial ausschöpfen zu können.

Wie entwickelt sich das Image von Videospielen in der Öffentlichkeit und in der Politik? Inwiefern sind Ihrer Ansicht nach noch Unwahrheiten im Umlauf, die ausgeräumt werden sollten?

Das ist ein heikles Thema, vor allem in der Schweiz. Hier steckt E-Sports noch in den Kinderschuhen und die Wahrnehmung von Videospielen, vor allem Shooter-Games, ist noch sehr negativ belastet. Man muss in einem ersten Schritt eine klare Trennung zwischen E-Sports und Gaming vornehmen. Bei E-Sports handelt es sich um den professionellen und kompetitiven Bereich des Gamings. Hierbei werden ganz andere Fähigkeiten gefordert, als dies beim klassischen Gaming der Fall ist. Vergleichen könnte man es beispielsweise mit dem lokalen Fussball-Grümpi im Dorf (Gaming) und der UEFA Champions League (E-Sports). Ich finde es gut und richtig, dass gewisse Spiele eine Alterbegrenzung haben, da die Inhalte nicht für jede Altersgruppe geeignet sind. Woran hingegen in der Schweiz am meisten gearbeitet werden muss, ist das Bild des Gamers respektive E-Sportlers. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, in diesem Bereich viel Aufklärungsarbeit zu betreiben, was auch dringend notwendig ist. Ein E-Sportler wird immer noch als ein junger Mann angesehen, der den ganzen Tag Videospiele spielt, dabei Chips und Fast Food frisst und den Draht zur Realität komplett verliert. Das ist heute ganz und gar nicht mehr so. E-Sportler sind die Stars von morgen. Sie besitzen überdurchschnittliche kognitive Fähigkeiten und können in Millisekunden essenzielle Entscheidungen treffen. Zudem besitzen sie mittlerweile riesige Fan-Bases und es schauen ihnen tausende von Leuten täglich beim Spielen zu. Diese Entwicklung wird weiter vorangetrieben, denn die jungen Generationen wachsen alle mit digitalen Medien, Konsolen und PCs auf. Es ist faszinierend, wie versiert bereits 14-Jährige mit ihren Computern sind. Die Gaming-Generation wird auch immer interessanter für Firmen. Recruiting im IT-Bereich ist eine sehr schwierige Aufgabe für die meisten Unternehmen. Und wo findet man mehr IT-affine Menschen als im Bereich E-Sports?

Was wäre dabei die Aufgabe der Politik?

Die Politik sollte auf keinen Fall Gesetze entwerfen, welche die Entwicklung von E-Sports und Gaming hemmen. Das würde die Schweiz auf Dauer zu einem uninteressanten Standort machen. Zurzeit gibt es kaum bessere Internetverbindungen in Europa, als wir sie in der Schweiz haben. Wir wären als E-Sports-Destination absolut konkurrenzlos, würden wir uns nicht selbst hemmen. Meiner Meinung nach ist es ein Generationenkonflikt. Die Politiker sind meist aus einer älteren Generation und besitzen somit keine Berührungspunkte zum Gaming, was ich komplett nachvollziehen kann. Doch sie sollten ihre Augen nicht komplett verschliessen, sich mit Leuten aus der Branche austauschen und die positiven Aspekte des Gamings hervorheben und unterstützen.

Was geben Sie den Managerinnen und Managern mit auf den Weg, damit sie bei der Technologie-Nutzung möglichst im Driver's Seat bleiben können?

Ich bin nicht annähernd so Technik- und Technologie-affin wie unsere Community, Mitarbeiter oder Athleten. Meiner Meinung nach muss und wird man nie alles wissen können, aber es ist wichtig, sich mit Menschen zu umgeben, die in diesen Bereichen zu den Front Runnern gehören. Es ist wichtig, dass man open-minded bleibt und sich mit solchen Themen beschäftigt. Als Manager darf dies ruhig oberflächlich sein, aber ein gewisses Verständnis ist notwendig, um sich nicht ins Abseits zu schiessen.

Patrick Gobonya referiert am CNO-Panel 2021. Der Anlass geht am 25. Oktober im Casino Bern über die Bühne – unter dem Leitthema: New Work – Kreativökonomie und der Sinn der Arbeit.

An der letztjährigen Ausgabe des CNO-Panels erfuhr man, wie eine Walliser Schulklasse heute ein Dorf nahe Tschernobyl unterstützt, wie sich morgen der Stellenwert von Privatsphäre verändern könnte und wo man sich Gedanken zur Schweiz in 300 Jahren macht.

Webcode
DPF8_234164