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Digitaler Nachlass: So erhalten die Angehörigen Zugriff auf die Daten

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Menschen hinterlassen ihre Spuren überall im Internet. Soziale Medien wie Facebook, Google-Einträge oder eigene ­Websites enthalten zahllose Daten zu jedem Individuum. Was mit den eigenen Daten nach dem Tod passiert, ist oft unklar. Doch man kann sich vorbereiten.

(Source: solen-feyissa/unsplash.com)
(Source: solen-feyissa/unsplash.com)

Es gilt, vieles zu beachten, damit nach dem Tod auch diejenigen den Nachlass erhalten, für die er gedacht ist. Zum persönlichen Nachlass gehören in der heutigen Zeit auch digitale Daten. Mit diesen sollte man sich gemäss dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) neben dem materiellen Erbe im modernen Zeitalter ebenfalls vermehrt auseinandersetzen. Es kann nämlich sein, dass nach dem Lebensende eines Angehörigen noch immer Bilder, Mailadressen oder Websites dieser Person im Internet präsent sind. Deshalb ist es wichtig, zu wissen, wer überhaupt erbt, was Angehörige unternehmen und wie Personen sich vor ihrem Tod vorbereiten können.

Auch die Juristin und Lehrbeauftrage im Privatrecht an den Universitäten Basel und St. Gallen, Cordula Lötscher, sagt: "Wir haben immer mehr Daten, die wir generieren und digital ablegen. Deshalb ist es unerlässlich, dass man sich heutzutage auch mit dem digitalen Nachlass auseinandersetzt." Lötscher hat ein Buch zum Thema digitaler Nachlass verfasst. Darin beschreibt sie, was alles als digitaler Nachlass definiert werden kann, die Vererbbarkeit dieses Nachlasses sowie die Rollen des Persönlichkeitsrechts und des Datenschutzrechts im digitalen Nachlass.

Cordula Lötscher, Juristin und Lehrbeauftragte im Privatrecht an den Universitäten Basel und St. Gallen, erklärt, weshalb es eine digitale Nachlassplanung braucht. (Source: Netzmedien)

Wer erbt meine Daten?

Gemäss Schweizer Erbrecht gehen digitale Daten wie Fotografien oder Dokumente sowie Geräte wie Handy oder Laptop an den Erben über. Schwierigkeiten bereiten dabei oft die fehlenden Zugangsdaten, etwa zum Instagram-Account oder zum E-Mail-Konto. Aus rechtlicher Sicht besteht aber keine klare Regelung hinsichtlich der Persönlichkeitsrechte im Internet. Der Name der Person, die sich letztlich mit diesen Daten befassen soll, muss laut "beobachter.ch" ins Testament geschrieben werden. Einen digitalen Willensvollstrecker sollten Personen dann einsetzen, wenn die Erben nur teilweisen Zugang zu den Daten erhalten.

Wenn sich die Daten jedoch im Internet befinden und nicht auf einem lokalen Datenträger gespeichert sind, sieht die Lage oft anders – und schwieriger – aus. Viele Anbieter wie Instagram oder Google Gmail haben ihren Sitz im Ausland und es ist unklar, wie das Erbrecht dort gehandhabt wird. Viele Anbieter haben auch ihre eigenen Regelungen bezüglich Persönlichkeits- und Datenschutz.

Genau deshalb ist es wichtig, dass der Erblasser bereits vor seinem Tod Entscheidungen für seinen digitalen Nachlass trifft.

Cordula Lötscher sagt, was sich alles als digitaler Nachlass definieren lässt. (Source: Netzmedien)

Was kann man tun?

Es ist wesentlich, eine Liste mit allen existierenden Benutzerkonten und den dazugehörigen Zugangsdaten (Benutzername und Passwort) zu erstellen. Diese soll dann an einem Ort aufbewahrt werden, den mindestens eine Vertrauensperson kennt. Die Passwörter können etwa auf einem USB-Stick gespeichert werden. Auch in einem ­digitalen Passwort-Manager lassen sich die Zugangsdaten abspeichern (Beispiele hierfür sind 1Password, Lastpass Premium oder Bitwarden). Hierfür braucht es nur einen Zugang, um auf sämtliche Passwörter zugreifen zu ­können. 

Zu diesen Passwort-Managern gehört auch Legacy Notes. Notar und Anwalt Christoph Peterer ist Mitgründer des gleichnamigen Unternehmens. Auf der Plattform sei es möglich, Passwörter und sonstige Zugangsdaten zu verschiedenen Vertragspartnern oder elektronischen Geräten abzuspeichern. Ausserdem könne auch ein Testament und eine Patientenverfügung erstellt werden, sagt Peterer. Der Zugang für Angehörige kann unterschiedlich erfolgen. Nutzerinnen und Nutzer können wählen, wann welche Person auf die Plattform oder auf unterschiedliche Dokumente Zugriff haben soll: entweder sofort, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder im Todesfall, wie Peterer sagt.

Christoph Peterer, Notar, Anwalt und Mitgründer von Legacy Notes, erklärt, warum es eine Plattform wie Legacy Notes braucht. (Source: Netzmedien)

Wenn es um Passwörter geht, ist der Mailzugang laut dem EDÖB eine Schlüsselfunktion. Bei vielen Onlinediensten brauche es nämlich für die Zurücksetzung des Passworts die Mailadresse. Zudem laufen die meisten Verträge und Transaktionen ebenfalls über den Mailverkehr, wo sie sich letztlich auch deaktivieren lassen, um weitere Zahlungen zu unterbinden.

"Angehörige haben ein Anrecht auf die Daten auf einem Gerät", sagt Jurist Martin Steiger, Spezialist für Recht im digitalen Raum gegenüber "SRF". "Ist dieses jedoch geschützt, dann läuft das Erbrecht ins Leere." Ausser die Angehörigen wissen um die Zugangsdaten.

Vorbereitungen zu Lebzeiten können also den Erben und Erbinnen einiges an Arbeit ersparen. Beispielsweise sollten Personen regelmässig ihre Internetaktivitäten überprüfen und ungenutzte Benutzerkonten gleich löschen, wie "SRF" schreibt. Ausserdem sollte man eine Vertrauensperson angeben, die den eigenen Willen digital vollstreckt. Das muss nicht unbedingt ein Angehöriger oder eine Angehörige sein, sondern es kann sich dabei auch um einen Testamentsvollstrecker handeln. Erblasser sollten sich aber gründlich über diesen Vollstrecker informieren, denn schliesslich vertrauen sie ihm ihre Daten an.

Peterer sagt, welchen Herausforderungen Kundinnen und Kunden bezüglich digitalem Nachlass bereits begegnet sind. (Source: Netzmedien)

Das Vorgehen bei den verschiedenen Plattformen

  • E-Mail: Ein Gmail-Konto verfügt über einen Inaktivitätsmanager. Hier können Nutzende selbst eine Zeitspanne für die Inaktivität festlegen, nach der automatisch Schutzmassnahmen ergriffen werden. Gmail-Nutzende können zudem selbst bestimmen, welche Daten sie für Angehörige oder eine Drittperson freigegeben wollen oder ob ein inaktives Google-Konto automatisch gelöscht werden soll. Wenn sich Erblasser darum nicht zu Lebzeiten gekümmert haben, dann müssen die Erben ein Anfrageformular ausfüllen. Nachdem Google die Anfrage genehmigt hat, löscht das Unternehmen das Konto, oder es gibt den Angehörigen Zugriff auf Inhalte des verstorbenen Nutzers respektive der Nutzerin.
    Bei Microsoft ist das etwas kniffliger. Dort lassen sich diese Angelegenheiten nur mit einem Familienkonto regeln. Beispielsweise können Eltern die Aktivitäten der Kinder und die Sicherheit der Geräte kontrollieren. Hier muss für die Herausgabe von Daten eine gerichtliche Verfügung ausgefüllt werden.
    Ähnlich ist es bei Swisscom. Ohne ein Verfügungs­dokument werden die Passwörter nicht herausgegeben. Der Telko rät den Kundinnen und Kunden, selbst eine Vertrauensperson zu bestimmen, die im Todesfall über die Zugangsdaten verfügt.

  • Instagram: Angehörige haben auf Instagram zwei Möglichkeiten. Zum einen kann eine Löschung des Accounts per Formular beantragt werden. Dafür ist aber eine Geburts- oder Sterbeurkunde nötig oder ein sonstiger Nachweis, dass der Antragsteller als gesetzmässiger Vertreter dazu befähigt ist, etwa mit einem Erbschein. Zum anderen gibt es auch die Möglichkeit, das Konto in den Gedenkzustand zu setzen. So können künftig keine Änderungen mehr vorgenommen werden. Geteilte Beiträge bleiben veröffentlicht, "Gefällt mir"-Angaben, Markierungen und Kommentare bleiben ebenfalls sichtbar. Im Bereich "Entdecken" wird das Konto in diesem Zustand jedoch nicht mehr angezeigt. Auch hierfür müssen die Beteiligten einen Antrag stellen.

  • Facebook: Ähnlich ist es bei Facebook. Die Angehörigen stellen einen Antrag, um das Profil entweder entfernen zu lassen oder in den Gedenkzustand zu versetzen. Der Verwalter kann dann nur noch Profil- und ­Titelbild aktualisieren, auf Anfragen reagieren oder einen fixierten Beitrag erstellen.

  • Twitter: Familienmitglieder oder im Nachlass bevollmächtigte Personen können einen Antrag auf Löschung des Accounts stellen. Die Beziehung zum Nutzenden muss dabei offengelegt werden. Schliesslich muss der Antragsteller oder die Antragstellerin in einem E-Mail die Sterbeurkunde des Verstorbenen beilegen mitsamt Kopie des Personalausweises. Abgesehen von der Löschung des Accounts gibt es keine Möglichkeit, das Konto zu verwalten.

  • Kreditkarte: Die Bank sperrt das Konto im Todesfall sofort. Damit es etwa Angehörige bei der Bank rasch wieder freischalten können, sollte man schon zu Lebzeiten gewisse Massnahmen treffen. Die Raiffeisen-Bank etwa gibt zwölf Tipps, um dabei die richtigen Entscheidungen zu treffen. Zum einen helfe das bewährte Testament, um die Regelungen nach dem Tod für Angehörige zu vereinfachen. Zum anderen könne auch ein Erbvertrag oder eine Todesfallversicherung behilflich sein.
    Auch beim Onlinebanking wird das Konto gesperrt, bis sich ein Antragsteller mit einem Erbschein ausweisen kann. Erben und Angehörige müssen sich auf das Auskunftsrecht berufen, um Kreditkartenabrechnungen einsehen zu können. Jede Person muss aber laut dem EDÖB selbst aktiv werden und dieses Recht wahrnehmen.
    Beim US-amerikanischen Zahlungsanbieter Paypal wird es noch etwas schwieriger: Teilweise ist es kompliziert, herauszufinden, ob der Verstorbene ein Pay­pal-Konto besitzt. Der Zahlungsanbieter verschickt jedoch monatlich Mails, wenn noch ein Guthaben auf dem Konto vorhanden ist. Wenn dann tatsächlich ein Konto existiert, kann das restliche Guthaben gegen die Vorlage eines Erbscheins überwiesen werden.

Lötscher zeigt auf, wie man den Erben und Erbinnen Zugang zu seinen Passwörtern geben kann. (Source: Netzmedien)

Bei Kryptowährungen gibt es rechtlich noch zu tun

Auch Kryptowährungen wie Bitcoin sind Teil des digitalen Nachlasses. Für den Zugriff auf ein solches Vermögen ist weder eine Bank noch ein Staat erforderlich, wie "Dw.com" schreibt – einen Vertragspartner gibt es also nicht. Eine solche Unabhängigkeit bringt teilweise Probleme mit sich. "Man hat keine Anlaufstelle und kann nicht einfach zu einer Bank gehen, wenn man Hilfe braucht. Das ist extrem schwierig für die Erben", sagt die Bankangestellte Svenja Bakmeier. Sie investiert selbst in Bitcoin und hat Kurse zur Nachlassplanung dieser Kryptowährung besucht. Auch hier sind Zugangsdaten wichtig. Wenn die Erben keinen Zugang zum sogenannten Private Key haben, dann sind die Vermögenswerte verloren. Deshalb sollte man ihn sicher verwahren und den digitalen Nachlass dafür ausführlich planen.

Bankangestellte Svenja Bakmeier erklärt, wie man Passwörter zu Kryptowallets aufbewahren kann, damit das Vermögen nach dem Tod nicht verlorengeht. (Source: Netzmedien)

Rechtlich gesehen gibt es für Bitcoin und Co. noch viel zu tun. Dieser Meinung ist die Juristin Cordula Lötscher. "Es ist wichtig, dass wir in Sachen digitale Vermögenswerte Rechtssicherheit haben", sagt sie. "Diese Art von Vermögenswerten soll auch automatisch auf die Erbinnen und Erben übergehen. Alles andere wäre meiner Meinung nach in einem Rechtsstaat eigentlich nicht haltbar." Hier habe die Schweiz noch Nachholbedarf.

Bakmeier gibt Tipps zur digitalen Nachlassplanung des Krypto-Vermögens. (Source: Netzmedien)

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Tipps für die eigene Nachlassplanung

Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte EDÖB hat Tipps rund um das digitale Erbe publiziert. Dazu ­gehören auch Hinweise für die Nachlassplanung:

  • Frühzeitig Gedanken über die digitale Nachlassplanung machen.

  • Stets den Überblick über Internetaktivitäten behalten und Be­nutzerkonten löschen, die nicht mehr gebraucht werden.

  • Eine Liste mit allen Benutzerkonten samt Zugangsdaten erstellen und sie an einem sicheren Ort aufbewahren.

  • Rechtzeitig eine Person des Vertrauens darüber informieren oder einen digitalen Vererbungsdienst beauftragen.

  • Eine formgültige (handschriftliche oder öffentlich beurkundete) letztwillige Verfügung oder einen entsprechenden Passus in ­einem öffentlich beurkundeten Testament verfassen.

  • Sich bei den genutzten Internetdiensten darüber informieren, welche Möglichkeiten diese zur digitalen Nachlassplanung bieten.

Tipps für Angehörige

  • Einen Überblick über die Onlineaktivitäten der verstorbenen Person verschaffen. (Gibt es eine Vertrauensperson als digitale Willensvollstreckerin und eine Liste mit allen Benutzerkonten?)

  • Wenn nicht vorhanden, sich Zugang zum E-Mail-Konto verschaffen. Die meisten E-Mail-Anbieter gewähren nach Vorlegen des ­Todes- und Erbscheins Zugriff aufs Konto.

  • Nach kostenpflichtigen Abonnements und Verträgen mit (Online-)Dienstleistern suchen, um diese auf den nächstmöglichen Termin zu kündigen.

  • Benutzerkonten bei Online-Versandhäusern und übrigen Diensten löschen.

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