Den indirekten Fussabdruck messen

So hilft die IT Unternehmen Emissionen zu reduzieren

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von Rodolphe Koller und Übersetzung: Leslie Haeny

Mittlerweile haben sich viele Unternehmen eigene Klimaziele gesetzt. Um den CO2-Fussabruck zu reduzieren, müssen Firmen diesen aber erst messen. Keine leichte Aufgabe, gerade wenn auch indirekte Emissionen in die Messung einfliessen sollen. Hier ist die IT gefragt.

(Source: Li-An Lim / Unsplash)
(Source: Li-An Lim / Unsplash)

Nachhaltigkeit steht mittlerweile auf der Agenda der meisten Organisationen. Viele grosse Unternehmen orientieren sich dabei am Übereinkommen von Paris oder haben sich gar Netto-Null-Ziele gesetzt. Um besagte Ziele zu erreichen, die wirksamsten Hebel in Bewegung zu setzen, die Wirksamkeit der Massnahmen nachzuweisen und zu kommunizieren, müssen Unternehmen ihre Auswirkungen auf die Umwelt verstehen - und das ist nicht einfach.

Auf dem World Economic Forum gab Alan Jope, CEO von Unilever, zu, dass sein Unternehmen trotz eines eigenen Teams für Nachhaltigkeits-Reporting "um die grundlegenden Möglichkeiten zur Messung dieser Bereiche ringt". Laut einer Umfrage von Deloitte unter 2000 CxOs in 21 Ländern ist die Schwierigkeit, die Auswirkungen auf die Umwelt zu messen, das häufigste Hindernis, auf das Organisationen bei ihren Nachhaltigkeitsbemühungen stossen - noch vor hohen Kosten oder einer kurz- bis mittelfristigen Planung.

Teilweise Messungen und steigende Anforderungen

Unilever ist also nicht das einzige Unternehmen, das Schwierigkeiten hat, seinen CO2-Fussabdruck zu messen. Zwar sind 85 Prozent der Unternehmen bestrebt, ihre Emissionen zu reduzieren, doch nur 9 Prozent sind in der Lage, diese vollständig zu messen und nur 11 Prozent haben ihre Emissionen in den vergangenen fünf Jahren entsprechend ihren Zielen reduziert, wie eine weitere Umfrage von BCG unter 1290 Unternehmen ergab. Die Studie zeigt zudem, dass die beiden Faktoren miteinander korrelieren: Organisationen, die ihre Auswirkungen am besten messen, kommen ihren Umweltzielen am nächsten.

Die Herausforderung besteht auch in der Regulierung. In der Schweiz wird das Eidgenössische Finanzdepartement diesen Sommer einen Entwurf vorlegen, der grosse Unternehmen (mit einer Bilanzsumme von über 20 Millionen oder einem Umsatz von über 40 Millionen Franken) dazu verpflichten soll, einen Klimabericht zu veröffentlichen. Dieser soll die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf das Klima behandeln. Die verbindliche Umsetzung soll 2024 für das Geschäftsjahr 2023 erfolgen. In den USA stellte ausserdem die SEC (Securities and Exchange Commission) im März ihre Pläne vor, die Anforderungen an die Klimaberichterstattung börsennotierter Unternehmen auf Scope-3-Emissionen für die grössten Unternehmen auszuweiten, wenn diese Emissionen erheblich sind.

Die Komplexität der Scope-3-Emissionen

Scope 3 ist der dritte Emissionsbereich, der im Greenhouse Gas Protocol (GHG) unterschieden wird und als Quasi-Standard gilt. Scope 3 ergänzt Scope 1 (Verbrennung fossiler Energieträger) und Scope 2 (Energieeinkauf) und umfasst indirekte Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette eines Unternehmens, auch wenn diese nicht unter seiner Kontrolle stehen. Ob es sich nun um vorgelagerte Emissionen auf der Lieferanten- und Produktionsseite handelt (Unternehmensabfälle, Einkauf und Transport von Fertigungsmaterialien, IT, Reisen der Mitarbeiter usw.) oder um nachgelagerte Emissionen auf der Marketing- und Kundenseite (Transport und Vertrieb der Produkte, Nutzung der Produkte, Ende der Lebensdauer der Produkte usw.).

Die Einbeziehung dieses dritten Perimeters verändert die Situation erheblich. Zunächst ist er der wichtigste, da er oft bis zu 80 Prozent der Emissionen einer Organisation ausmacht. "Die Betonung von Scope 3 bedeutet, dass Unternehmen ihre Emissionsherausforderung nicht einfach auf die Zulieferer übertragen können, indem sie Aktivitäten auslagern oder veräussern", betont Paulina Ponce de León Baridó, Partnerin bei BCG.

Die Scope-3-Emissionen sind viel komplizierter zu berechnen und werden daher selten gemessen. So messen 66 Prozent der von BCG befragten Organisationen keine externen Emissionen und 76 Prozent sehen sich nicht in der Lage, den CO2-Fussabdruck ihrer Produkte und Dienstleistungen unter Einbeziehung der Produktnutzung und der Auswirkungen am Ende des Lebenszyklus zu bewerten. Hinzu kommt, dass diese Messungen in der Regel eine Fehlerquote von 30 bis 40 Prozent aufweisen.

Eine Herausforderung für die IT

Diese Lücken verdeutlichen die Komplexität der Messung indirekter Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Organisationen, die sich dazu entschliessen, stehen vor zahlreichen Herausforderungen, die grösstenteils mit Daten zu tun haben. Daten, die von Partnern gesammelt und mit anderen geteilt werden müssen, deren Qualität kontrolliert werden muss, die standardisiert werden müssen, die visualisiert und analysiert werden können müssen, etc.

Häufig mangelt es nicht nur an Branchenstandards, sondern auch an Daten. Mehr als ein Drittel der von BCG befragten Unternehmen gibt an, dass es an Roh- und Betriebsdaten mangelt. Sie geben auch an, dass ihnen verschiedene fortschrittliche Tools fehlen, die für ein automatisiertes Reporting erforderlich sind, da 86 Prozent der Unternehmen ihre Emissionen immer noch manuell mithilfe von Tabellenkalkulationen erfassen.

Die IT ist also ein zentraler Bestandteil einer umfassenden Messung der CO2-Emissionen, die wiederum für die Reduktionsziele von Unternehmen und die künftigen regulatorischen Anforderungen unerlässlich ist. "IT-Manager können eine Schlüsselrolle spielen, indem sie Daten, Indikatoren und Wissen entwickeln, um die Auswirkungen auf die Umwelt zu messen, die Nachhaltigkeitsmassnahmen der Organisation zu lenken und mehr Transparenz und Verantwortlichkeit in der Wertschöpfungskette zu schaffen", so die Experten von Deloitte.

In den meisten Organisationen werden IT-Manager daher eine möglichst automatisierte Plattform aufbauen müssen, die Emissionsdaten entlang der gesamten Wertschöpfungskette sammelt und kombiniert, sie verarbeitet und visualisiert. Dies ist auch eine Gelegenheit für CIOs, ihr Know-how in Bezug auf die Organisation und die Prozesse der Data Governance einzusetzen. IT-Manager können sich auch auf die Tools der grossen Anbieter von Unternehmenssoftware stützen. Nach dem Pionier Salesforce haben viele von ihnen in den vergangenen Monaten Cloud-basierte Lösungen zur Wirkungsmessung auf den Markt gebracht.

Abgesehen vom Arsenal an Datentools (Hub, Lake, APIs usw.) können auch aufkommende Technologien unterstützen. So kann beispielsweise künstliche Intelligenz dazu dienen, die Auswirkungen geplanter Massnahmen zu simulieren oder realistische Werte vorzuschlagen, wo Daten fehlen. Dasselbe gilt für die Blockchain, um die Herkunft und den CO2-Fussabdruck von Komponenten entlang der gesamten Lieferkette zu dokumentieren, ohne dass die Gefahr einer Fälschung besteht. Diese Informationen können anschliessend mit dem Endkunden geteilt werden.

Man darf jedoch nicht vergessen, dass die IT-Tools, die zur Verwaltung der Daten über die CO2-Bilanz beitragen, selbst einen ökologischen Fussabdruck hinterlassen. Bevor Unternehmen also computergestützt messen, müssen sie sich sicher sein, dass den Messungen auch Taten zugunsten der Umwelt folgen.

Lesen Sie ausserdem: Seit 2014 machen Rechenzentren bezüglich ihrer Energieeffizienz keine nennenswerten Fortschritte mehr. Zudem überwachen die Betreiber der Rechenzentren zwar Energieverbrauch und -effizienz, lassen aber oft andere Faktoren ausser Acht.

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