Die Verwaltung und die Offenheit
Seit Anfang 2024 ist die Bundesverwaltung dazu verpflichtet, ihre IT-Applikationen nach dem Open-Source-Prinzip zu entwickeln. Lange Zeit standen Behörden und Politik der Idee skeptisch gegenüber.

"Die diesem Gesetz unterstehenden Bundesbehörden legen den Quellcode von Software offen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben entwickeln oder entwickeln lassen." Mit diesen Worten beginnt Artikel 9 des Bundesgesetzes über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (Embag). Für zentrale Verwaltungseinheiten des Bundes trat es Anfang 2024 in Kraft und seit Mai 2025 gilt es auch für dezentrale Einheiten.
Weg von der Skepsis
Natürlich gibt es gesetzlich festgelegte Ausnahmen zum Open-Source-Ansatz. Demnach besteht die Verpflichtung immer, "es sei denn, die Rechte Dritter oder sicherheitsrelevante Gründe würden dies ausschliessen oder einschränken". Zudem befreit der Bundesrat ein paar Verwaltungseinheiten, wie etwa das Nuklearsicherheitsinspektorat oder den Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (ÜPF), gänzlich von der Pflicht.
Dass die grundsätzliche Verpflichtung zu quelloffener Softwareentwicklung heute im Gesetz steht, ist trotz dieser Ausnahmen erstaunlich. Denn lange Zeit hielt sie die Regierung für nicht nötig. Noch 2011 lehnte der Bundesrat etwa die Forderung nach Open Source in der Verwaltung mit der Begründung ab, dass kein Handlungsbedarf bestehe. Sechs Jahre später befürwortete der Bund in einem Postulatsbericht immerhin die Veröffentlichung von Programmcode, wie Daniel Markwalder, Delegierter des Bundesrates für digitale Transformation und IKT-Lenkung (DTI), in einem Vortrag an der Konferenz Transform 2024 darlegte. Im Embag-Vorschlag, den der Bundesrat dann dem Parlament vorlegte, kam Open-Source-Entwicklung laut Markwalder zwar vor, allerdings war der entsprechende Artikel als Kann-Bestimmung (freiwillig) formuliert. Die jetzt in Kraft getretene Muss-Bestimmung habe das Parlament in der politischen Debatte verschärft. Die aktuelle Situation fasste Markwalder zusammen mit dem Satz: "Es gibt zwar einen Spielraum, wie man es macht, aber nicht, ob man es macht."
Herausforderungen und Hilfestellungen
Artikel 9 enthält ausser der grundsätzlichen Open-Source-Verpflichtung auch die Weisung, dass Bundesbehörden jeder Person ohne Lizenzgebühren erlauben müssen, "die Software zu nutzen, weiterzuentwickeln und weiterzugeben".
Nicht vom Embag-Artikel betroffen sind die von der Bundesverwaltung genutzten, bereits bestehenden Softwareprodukte. Hier dürfen Behörden weiterhin proprietäre Lösungen einsetzen.
Zu den im Embag offengelassenen Punkten gehören etwa Fragen zur Code-Aufbereitung, zu den zu nutzenden Plattformen oder möglicher Community-Arbeit. Hier haben die Verwaltungen im Prinzip freie Hand. Allerdings können sie sich bei Bedarf Unterstützung holen. Passende Hilfsmittel stellt die Bundeskanzlei seit Herbst 2024 auf einer speziellen Website zusammen. Dort ist etwa ein genereller Praxisleitfaden zu finden. Die Anleitung zur Publikation ergänzt die Bundeskanzlei mit einer Reihe von Checklisten, darunter etwa eine zur "Analyse und Aufbereitung". Ein weiterer Leitfaden behandelt das Thema Lizenzen und ein dritter widmet sich der Arbeit mit Communitys. Auch verfügbar ist ein Dokument mit häufig gestellten Fragen.
Wie wichtig solche Hilfestellungen sind, zeigen vergangene Open-Source-Misserfolge aus den hiesigen Verwaltungen. Dazu zählt zweifellos "Base4kids2", eine für Stadtberner Schulen entwickelte Arbeitsplattform. Mit dem quelloffenen Ansatz scheiterte das Projekt spektakulär. "Eigentlich lag der Fehler nicht in der Technologie", stellte die ehemalige Stadträtin Claudine Esseiva an der Transform 2024 klar. "Wir hatten eine Regierung, die nicht wusste, wie das Projekt gemanagt werden sollte." Doch auch in der Verwaltung habe es an Ressourcen und Kompetenzen gefehlt.
Open Source aus der Armee
Übrigens entwickelten einzelne Bundesbehörden bereits vor dem Embag quelloffene Applikationen. Prominentes Beispiel ist das während der Corona-Pandemie eingesetzte "SwissCovid"-System. Insbesondere für die Suche nach Schwachstellen plädierten die Behörden für einen communitybasierten Ansatz. Auch bereits vor dem Embag legte der Bund fest, die Komponenten der geplanten elektronischen Identität (E-ID) quelloffen zu entwickeln.
Dass der Open-Source-Ansatz auch in von Haus aus eher verschwiegenen Verwaltungen funktioniert, bewies im März 2025 das zum Verteidigungsdepartement gehörende Kommando Cyber. Es veröffentlichte nämlich den Quellcode von "Loom", einer Software, mit der sich laut Mitteilung grosse Datenbestände durchsuchen und analysieren lassen. Das Tool kann demnach etwa unterschiedliche Dateiformate verarbeiten und besitzt KI-gestützte Funktionen zum Übersetzen und Zusammenfassen von Texten. Dank des frei verfügbaren Quellcodes können Interessierte die Software an die Bedürfnisse ihrer Organisationen anpassen und neue Funktionen hinzufügen.
Man wolle mit der Offenlegung von "Loom" zur Stärkung der Transparenz und Zusammenarbeit beitragen, erklärte das Kommando Cyber. Zudem wolle die Behörde anderen Organisationen neue Ansätze für Datenanalysen bieten und Standards für Open-Source-Technologie in sicherheitsrelevanten Bereichen setzen. Die Behörde stellt zwar klar, dass sie "klassifizierte Quellcodes und sensitive Fähigkeiten" auch künftig nicht veröffentlichen werde, allerdings "fallweise und im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben" entscheiden, welche weiteren Quellcodes sie offenlege.
Noch mehr Verwaltungsoffenheit
Der Begriff "Open" taucht im Embag, abgesehen von Artikel 9, auch in Artikel 10 auf, in dem es um "Open Government Data" (OGD) geht. Auch hier befiehlt das Gesetz der Bundesverwaltung, spätestens in drei Jahren "ihre Daten, die sie zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben beschafft oder generiert und die elektronisch gespeichert und in Sammlungen strukturiert vorliegen, öffentlich zugänglich" zu machen – auch hier mit diversen Ausnahmen. Die Behörden müssen die Daten unentgeltlich, zeitnah, in maschinenlesbarer Form und in einem offenen Format im Internet veröffentlichen.
OGD geniesst in den Verwaltungen schon etwas länger anhaltenden Rückhalt als Open Source. So verabschiedete der Bundesrat bereits im November 2018 die "Strategie für offene Verwaltungsdaten in der Schweiz 2019–2023". Im Zuge dieser Strategie öffnete etwa das Bundesamt für Meteorologie (Swisstopo) im Frühjahr 2021 den Zugang zu seinen Karten und Luftbildern. Nach einer Prüfung lehnte es der Bundesrat zudem ab, den Zugang zu offenen Behördendaten einzuschränken. Auch in der aktuellen Digitalpolitik fördert der Bund OGD, "um Innovation, Forschung und Transparenz zu stärken", wie es in einer Mitteilung heisst. Zur Erfüllung dieser Aufgabe betreibt der Bund eine eigene Geschäftsstelle. Sie wiederum bietet ein Verzeichnis der von Schweizer Behörden – übrigens nicht nur auf Ebene Bund – unterhaltenen OGD-Dienste an. Ein ähnliches Verzeichnis für Open-Source-Software gibt es jedoch nicht – vorerst.

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