Sunrise-CEO im Interview

André Krause über seine Pläne im KMU-Geschäft und die Zukunft von 5G

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Vor zwei Jahren ist die Fusion von UPC und Sunrise gestartet. Ein Grossteil der Integration sei inzwischen abgeschlossen, sagt Sunrise-CEO André Krause. Im Interview verrät er, wie der Telko im KMU-Segment punkten will, wie er die 5G-Zukunft sieht und warum er eine Entspannung auf dem Energiemarkt erwartet.

André Krause, CEO, Sunrise. (Source: zVg)
André Krause, CEO, Sunrise. (Source: zVg)

Anfang 2020 wurden Sie CEO von Sunrise; im folgenden Herbst CEO von Sunrise UPC, das inzwischen wieder Sunrise heisst. Wie blicken Sie auf die turbulenten letzten Jahre zurück?

André Krause: In der Tat ist viel passiert. Im Wesentlichen kamen drei Dinge zusammen: Erstens konnten wir unsere gute Wachstumsdynamik fortsetzen. Das bedeutet aber auch viel Aktivität am Markt. Das zweite Thema war natürlich die Integration der Unternehmen Sunrise und UPC, was viel Arbeit bedingte. Drittens machten wir vieles davon inmitten der Pandemie, also aus dem Homeoffice. Diesen Arbeitsmodus hatten wir bis dato noch nicht in diesem Ausmass gekannt und er liess vieles anders aussehen, als wir es erwartet hatten. Ich blicke jedoch positiv zurück, zumal wir unsere Integrations- und Wachstumsziele erreichen konnten. Und ich bin all unseren Mitarbeitenden dankbar, die mitgezogen und dazu beigetragen haben, dass uns dies gelang.

Die erneute Umbenennung Ihres Unternehmens von Sunrise UPC zu Sunrise soll mit 43,6 Millionen Franken zu Buche geschlagen haben. Warum ist eine Rückkehr zu einem alten Brand so kostspielig?

De facto ist es so, dass wir den neuen, konsolidierten Sun­rise-Brand rundum erneuert haben. So investierten wir etwa in ein neues Logo, ein neues Look-and-feel sowie einen neuen Claim. Und all dies wollen wir an allen Touchpoints, inklusive unserer Shops, zum Kunden bringen. Wir haben also nicht einfach auf eine alte Marke zurückgeschaltet, sondern in den Refresh investiert und damit die Positionierung in der Markenkonsolidierung aufgewertet.

Wo steht Ihr Unternehmen in der Zusammenführung der beiden fusionierten Teile?

Wir haben inzwischen einen Grossteil – deutlich über die Hälfte – der Integrationsarbeiten hinter uns. Dabei fokussierten wir uns zunächst auf die grossen, wichtigen Themen. So haben wir die Produktportfolios, Netze und Organisa­tionen zusammengeführt. Der letzte noch hängige grosse Baustein ist die ERP-Integration, die Anfang des nächsten Jahres abgeschlossen sein wird.

Worum geht es hier genau?

Das grosse Thema ist die SAP-Integration: Wir migrieren die administrativen Prozesse auf ein gemeinsames System. Sowohl Sunrise als auch UPC nutzten bereits SAP-Systeme, jedoch in unterschiedlicher Tiefe und in unterschiedlichen Versionen – darum ist die Integration keine einfache Übung.

Vor einem Jahr gab Sunrise einen Stellenabbau bekannt. Damals hiess es, der Abbau könnte bis zu 1000 Jobs kosten. Wie ist das über die Bühne gegangen?

Der Stellenabbau fiel deutlich geringer aus, als wir zunächst angenommen hatten. Wir reduzierten um 550 Mitarbeitende, von 3300 auf aktuell 2750. Bis Ende des Jahres werden wir voraussichtlich 2800 Mitarbeitende beschäftigen, weil wir unter anderem im Digitalgeschäft neue Stellen schaffen. Zudem bauen wir unser Lehrstellenangebot deutlich aus, von 190 auf 250 Stellen.

Wie sieht es aufseiten Ihrer Kommunikationsnetze aus? Wie viel davon betreiben Sie seit der Fusion doppelt?

Die beiden Netze, die wir mit der Integration zusammenbringen, überlappen sich kaum – eines ist vorwiegend Mobilfunk-, das andere vor allem Kabelnetz. Tatsächlich überlappten sich lediglich Glasfaser-Zubringernetze der beiden Infrastrukturen. Hier werden wir Redundanzen mit der Zeit und nach Möglichkeiten abbauen. In Summe führt es auch dazu, dass wir ein grösseres Verteilnetz haben.

In der Stadt Bern, in der ich wohne, kann ich neuerdings aus der ­Kabelnetz-Dose (von UPC) und der Glasfaser-Dose (via das Netz von Swisscom und EWB) Internet von Sunrise beziehen. Planen Sie, eines der Angebote einzustellen?

Kurzfristig haben wir nicht vor, eines der Produkte abzuschalten. Auf dem Kabelnetz können wir heute schon flächendeckend Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 1 Gigabit anbieten – also eine glasfaserähnliche Performance, die wir auch noch weiter aufbauen können. Wenn der Kunde aber noch höhere Geschwindigkeiten – 10 Gigabit und mehr – haben will, bieten wir dies gerne über Glasfaser an.

Welche Wachstumspläne verfolgen Sie im Bereich der Glasfasernetze?

Aufgrund ihrer sehr hohen Kapazität ist Glasfaser eine sehr wichtige Zukunftstechnologie. Wir setzen darauf, dass sie in möglichst weiten Teilen der Schweiz verfügbar ist. Swiss­com baut das Netz laufend aus. Dank Zugangsvereinba­rungen können wir unseren Kunden auch darüber Daten zur Verfügung stellen. Unser Flagship-Produkt – mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 10 Gigabit pro Sekunde – ist für Privatanwendungen in den meisten Haushalten überdimensioniert, weil die 10 Gigabit zwar aus der Dose kommen, die meisten angeschlossenen Geräte in einem Haushalt mit dieser Kapazität aber gar nicht arbeiten können. Mit dem Aufkommen des Metaverse – Echtzeit-Meetings und Gaming in virtuellen Welten – wird das nachgefragte Datenvolumen natürlich explodieren.

Sie erwähnten die Bauarbeiten von Swisscom. Baut Sunrise auch selbst Glasfasernetze?

Wir ermöglichen mit Investitionen in langfristige Nutzungsrechte den schweizweiten Ausbau und bauen zudem exemplarisch in einzelnen Gebieten. Derzeit sind wir ferner mit unserer DOCSIS-Infrastruktur (Data Over Cable Service Interface Specification, Anm. d. Red.), also dem Kabelnetz, sehr gut aufgestellt. Dank dieser Infrastruktur haben wir die Option, uns selbst mit Glasfaser zu überbauen, wenn das ökonomisch sinnvoll ist.

Der Ausbau von Mobilfunknetzen war in den vergangenen Jahren aufgrund der 5G-Debatte praktisch blockiert. Wie schätzen Sie den aktuellen Stand ein?

Grundsätzlich stehen wir heute nicht schlecht da. Wir haben sehr gute 4G-Netze, die aber zunehmend an ihre Grenzen kommen. Gleichzeitig profitieren wir davon, dass wir 5G in der Schweiz als Pioniere schon sehr früh pushten. Allerdings wird der Ausbau des 5G-Netzes im Moment tatsächlich praktisch blockiert – durch unnötig strenge Vollzugsverfahren, fehlende Baumöglichkeiten für neue Antennen oder Verzögerungen geplanter Bauvorhaben.

Wie sehen Sie die 5G-Zukunft?

Perspektivisch wird die Schweiz vermutlich in einen Datenstau fahren. Verglichen mit einem Verkehrsstau könnte man sagen: Wenn Sie vor dem Gotthard im Stau stehen, ist es zu spät, eine neue Röhre zu bohren. Das Gleiche gilt für Mobilfunk-Infrastrukturen: Wir müssen jetzt die richtigen Entscheidungen treffen, damit wir das höhere Datenvolumen der Zukunft verarbeiten können. Denn wenn wir einmal im Stau stehen, werden wir dort eine ganze Weile stehenbleiben.

Die Telko-Branche hat es trotz aller Versuche bis heute nicht geschafft, der Bevölkerung zu erklären, warum es 5G braucht. Woran liegt das?

Im Moment haben etwa 30 Prozent unserer Kundinnen und Kunden ein 5G-Endgerät – Tendenz stark steigend. 70 Prozent erleben 5G also noch gar nicht. Den Pull der breiten Masse zu 5G kann es heute also noch gar nicht geben. Ein weiteres Problem ist die laute Minderheit, die sich über die mögliche Strahlenbelastung von 5G äussert und damit auch in der Politik ein toxisches Klima erzeugte – unnötigerweise. Denn eigentlich sollte jemand, der vor Strahlung Angst hat, ein möglichst gut ausgebautes 5G-Netz wünschen: Die adaptiven 5G-Antennen strahlen grundsätzlich weniger stark, und ein gutes Netz reduziert auch die Strahlung des eigenen Handys.

Der Berner Telekomverbund Quickline weitet sein Angebot auf die ganze Schweiz aus und macht somit auch Ihnen Konkurrenz. Preislich will Quickline Sunrise unterbieten, wie Quickline-Chef Frédéric Goetschmann im Gespräch mit Nachrichtenagenturen sagte. Wie reagieren Sie darauf?

Erstmal entspannt. Quickline betreibt nur in einem kleinen Teil der Schweiz ein eigenes Kabelnetz und nutzt ansonsten die Netze von Swisscom, um im grösseren Bereich verfügbar zu sein. Das machen auch andere Wettbewerber. Insofern warten wir vorerst ab, wie das Angebot konkret aussehen wird. Wir sind mit unseren verschiedenen Marken für unterschiedliche Bedürfnisse sehr gut aufgestellt. Zudem ist unser grosser Vorteil, dass unsere Service- und Distributionsinfrastruktur heute schon die ganze Schweiz abdeckt.

Wie läuft das Geschäft im KMU-Segment? Wie wollen Sie in diesem Bereich gegenüber Swisscom Boden gutmachen?

Momentan mache ich mir da wenig Sorgen. Wir wachsen im Geschäftskundenbereich in allen Segmenten sehr gut – von Kleinst- bis zu Grossunternehmen. Konkurrenz machen wir mit ähnlichen Initiativen wie im Privatkundenbereich, also attraktiven Angeboten, innovativen Services und Produkten und Kundenfreundlichkeit.

Apropos Swisscom: Diese geriet im vergangenen Jahr mehrfach wegen grösserer Netzausfälle in die Schlagzeilen. Zu Sunrise finde ich fast nichts Vergleichbares. Warum?

Weil wir Ausfälle dieser Grössenordnung nicht gehabt haben.

Wie kommt das? Was machen Sie besser als Swisscom?

Ich will keinesfalls einen negativen Kommentar zu Swiss­com abgeben. Die Technologien, die wir betreiben, sind hochkomplex. Und durch den hohen Grad an eingesetzten IP-Services sind sie noch einmal anfälliger geworden als die klassischen alten "Circuit-switched"-Lösungen (leitungsvermittelten Lösungen, Anm. d. Red.). Zudem unternimmt Swisscom umfangreiche ­Umbauarbeiten an ihrer Technologieinfrastruktur. Die machen wir auch – auf einem anderen Komplexitätsgrad. Ich weiss nicht, ob wir etwas besser machen. Fakt ist, dass wir weniger grosse Ausfälle verzeichneten. Darüber sind wir froh.

Sunrise setzt viel auf die Zusammenarbeit mit Huawei – insbesondere für den 5G-Ausbau. Vor drei Jahren eröffneten Sie gemeinsam mit dem chinesischen Telko ein sogenanntes 5G Joint ­Innovation Center im Glattpark. In letzter Zeit ist es jedoch ­erstaunlich ruhig geworden um diese Partnerschaft. Woran liegt das?

Das Joint Innovation Center gibt es noch. Und wir zeigen dort jedes Jahr neue Use Cases. Auch sonst arbeiten wir mit Huawei sehr erfolgreich zusammen. Die Ruhe hat also eher einen positiven als einen negativen Touch.

2016 lagerte Sunrise die IT-Operations an Huawei aus. Der Vertrag hatte eine Laufzeit von fünf Jahren. Haben Sie den Outsourcing-Vertrag erneuert?

Konkret lagerten wir den Netzbetrieb an Huawei aus, also das Operations Center, das den operativen Betrieb des Netzes sicherstellt und im Falle von Störungen Gegenmassnahmen einleitet. Diesen Betrieb holten wir jedoch aus strategischen Gründen schon vor Ende der Vertragslaufzeit wieder zurück.

Energietechnisch steht Europa ein harter Winter bevor. Wie wird Ihre Kundschaft die massiv gestiegenen Energiepreise zu spüren bekommen?

Da wir unsere Stromkosten "gehedged" (abgesichert, Anm. d. Red.) haben, werden unsere Energiepreise in diesem Jahr nur geringfügig ansteigen. Zudem sind die Energiekosten nicht der überwiegende Teil unserer Kostenstruktur. Ich sehe zwar Druck auf uns zurollen, aber keinen kurzfristigen, signifikanten Preisdruck.

Bedeutet dies, dass Sie abwarten und weiter hoffen?

Lassen Sie mich erklären: Ich glaube, dass die Preiserhöhungen, die wir am Energiemarkt in letzter Zeit gesehen haben, ein übertriebenes Ausmass erreicht haben. Dies, weil sie im Wesentlichen aus anderen Märkten mit nicht mehr funktionierenden Preismechanismen zu uns kommen. Natürlich werden die Energiepreise sinnvollerweise steigen, weil wir auf andere Energieformen umsteigen müssen. Die Kurve wird aber anders verlaufen als jene, die wir jetzt gesehen haben. Wir warten nicht nur ab, aber es gibt durchaus einen Grund zur Hoffnung auf eine Entlastung vom kurzfristig hohen Preisniveau.

Wie ist Sunrise auf einen allfälligen Strommangel vorbereitet?

Wir sorgen grundsätzlich mit verschiedenen Zusatzgeräten für eine unterbrechungsfreie Stromversorgung. So können wir beispielsweise unsere Mobilfunkstandorte im Falle einer Stromunterbrechung jetzt schon mit einer Notbatterie bis zu vier Stunden weiterbetreiben. An den viel wichtigeren Verteilpunkten, den Netzknoten und Datenzentren, können wir dank Dieselgeneratoren zwischen 48 und 72 Stunden mit einer Tankfüllung arbeiten. In Voraussicht auf die Krise haben wir auch eine Art Nachfüllservice gesichert, sodass wir für den Winter abgesichert sind. Zudem gehen wir davon aus, dass wir von der Regierung im Fall einer Mangellage als kritischer Energiebezüger eingestuft und prioritär mit Energie versorgt würden. Allerdings nützt unser Signal dem Kunden am Ende nichts, wenn seine Endgeräte nicht auch mit Strom versorgt werden.

Grosse europäische Netzbetreiber wie Vodafone, die Deutsche Telekom und Orange spannen zusammen, um so etwas wie Hologramm-Telefonie zu ermöglichen. In zwei Jahren soll eine Hologramm-Plattform für Endkunden verfügbar sein. Haben Sie ein ähnliches Angebot in petto?

Wir zeigen aktuell im 5G Joint Innovation Center eine Teleporting-Box, die ein Hologramm einer Person aus einem benachbarten Raum projeziert. Wir beschäftigen uns also durchaus mit der Technologie. Eine grosse Herausforderung ist die fehlende Standardisierung solcher Übertragungen. Der Zusammenschluss wird sicher helfen, einen Standard zu schaffen, dem sich auch andere Unternehmen anschliessen können. Auch bei den VR-Brillen braucht es noch Fortschritte für eine gute Nutzererfahrung. Aktuell sind die Geräte noch zu teuer, zu klobig und zu wenig verbreitet.

Gibt es - abgesehen von 5G - sonst welche spannenden Features oder Innovationen, von denen Schweizer Mobilfunkkunden in den kommenden Jahren profitieren können?

Ich will Ihnen nicht unsere Produkte-Roadmap verraten. Aber ich glaube, dass sich aus dem Zusammenknüpfen bestehender Services neue spannende Möglichkeiten Angebote ergeben. Denken Sie beispielsweise an Entertainment: Das Problem der Kunden ist heute weniger die Verfügbarkeit als das Finden von Content. Entsprechend fragen wir uns, wie man das Finden von interessantem Content über bestehende Kanäle hinweg (von linearem TV über Streaming-Portale wie Netflix bis hin zu sozialen Medien) verbessern können.

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