Energieverbrauch

Bitcoin Mining als ESG-Strategie

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von Bastian ­Stolzenberg, Director ­Blockchain ­Assurance, PwC Schweiz

Durch den Energieverbrauch im Zusammenhang mit Bitcoin Mining werden neue Ansätze bei der Nutzung von Energie­quellen erforderlich. Wenn man von der Hypothese ausgeht, dass sich Bitcoin langfristig etablieren wird, sollte man darüber sprechen, wie Bitcoin Mining den Wandel hin zu einer nachhaltigeren wirtschaftlichen Zukunft unterstützen kann.

Bastian ­Stolzenberg, Director ­Blockchain ­Assurance, PwC Schweiz. (Source: zVg)
Bastian ­Stolzenberg, Director ­Blockchain ­Assurance, PwC Schweiz. (Source: zVg)

In den Anfangszeiten von Bitcoin im Jahr 2009 entsprach der Energiebedarf für das Mining («Schürfen») eines Bitcoins etwa dem Stromverbrauch eines durchschnittlichen Haushalts innerhalb von wenigen Sekunden. Ein Bitcoin war folglich so gut wie nichts wert. Heute braucht man etwa so viel Elektrizität wie ein Durchschnittshaushalt in neun Jahren, um einen Bitcoin zu «schürfen», der aktuell für rund 20 000 US-Dollar gehandelt wird – wobei der Preis stark schwankt. Global verbraucht das Mining von Bitcoins pro Jahr mehr als 129 Terawattstunden Elektrizität. Das entspricht dem gesamten Stromverbrauch Finnlands beziehungsweise gut 30 Prozent mehr als dem Verbrauch der Schweiz. Diese Menge, fast 0,5 Prozent des gesamten Stromverbrauchs weltweit, hat sich allein in den letzten fünf Jahren verzehnfacht.

CO2-Bilanz als Image-Killer

Beim Mining handelt es sich um den Prozess, bei dem weitere Bitcoins erstellt werden. Das «Schürfen» spielt aber auch eine wichtige Rolle dabei, wie Bitcoins als dezentrale Kryptowährung funktionieren. Um Transaktionen zu verifizieren und das Buchungssystem zu verwalten, müssen Computer immer komplexere mathematische Probleme lösen. Dieses Konzept wird auch als Proof-of-Work-System (PoW) bezeichnet. Dies verbraucht deutlich mehr Energie als das Verifizieren von Transaktionen über ein zentrales Netzwerk. Da der Bitcoin-Wert in den letzten Jahren gestiegen ist, gab es für immer mehr Menschen einen Anreiz, ins Mining-Geschäft einzusteigen. Mit steigender Netzwerkgrösse nimmt auch der Schwierigkeitsgrad beim Lösen von kryptografischen Problemen zu. Das bedeutet, dass das Mining immer mehr Energie verbraucht.

Die sehr schlechte CO2-Bilanz hat das Bitcoin Mining in ein negatives Licht gerückt. Bitcoins scheinen unvereinbar zu sein mit dem Wandel zu einem ökologischeren Wirtschaftsmodell und einer nachhaltigeren Zukunft. Darauf haben auch Politik und Regulierungsbehörden reagiert: In China, einst das Land mit dem weltweit grössten Anteil am Mining, wurde das Mining von Bitcoins inzwischen verboten. Dies steht möglicherweise jedoch nicht nur im Zusammenhang mit dem Energieverbrauch, sondern ist auch auf Bedenken im Hinblick auf das Währungssystem des Landes zurückzuführen.

Als Folge zog es die agilen Mining-Pool-Betreiber in Länder wie Kasachstan, wo bald 18 Prozent des globalen Minings angesiedelt waren. Dies führte bald zu Stromausfällen, von denen sowohl private Haushalte als auch Fabriken betroffen waren. Das veranlasste die Regierung Kasachstans, im Oktober den für Mining zur Verfügung stehenden Anteil der Elektrizität um 95 Prozent zu reduzieren. Folglich ist die Mining-Industrie wieder einmal auf der Suche nach neuen Standorten. 

Umweltgefahren und sozialer Nutzen

Vor dem Hintergrund steigender Energiepreise und potenzieller Engpässe bei der Energieversorgung erscheint die Forderung, die knappen Ressourcen für die «echte» Wirtschaft und nicht für Bitcoin Mining einzusetzen, gerechtfertigt. Auch aus ESG-Perspektive (im Hinblick auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) ist der Energieverbrauch des Netzwerks problematisch. Da die Kryptowährung jedoch auch einen konkreten und weithin anerkannten Nutzen bringt, kann man davon ausgehen, dass sich der Bitcoin langfristig etablieren und es nicht zu einem weltweiten Verbot von Mining kommen wird. 

Oft wird übersehen, dass Bitcoin Mining auch die globale Energiewende hin zu erneuerbaren Energien unterstützen und sogar beschleunigen kann, indem es für die Erzeugung und Speicherung von sauberer Energie genutzt wird. Das Bitcoin-Netzwerk kann als hochflexibler Energieabnehmer der letzten Instanz dienen, um Schwankungen bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und bei der Nachfrage auszugleichen.

Dank des schnellen technologischen Fortschritts können Solar- und Windparks jetzt die günstigste Art von Energie erzeugen. Allerdings kommt es hier aufgrund der instabilen Energieversorgung auch zu Engpässen im Netz. Diese Engpässe, Überlastungen und Schwankungen treten auch in Industriestaaten mit hoch entwickelter Netzinfrastruktur auf. Die überschüssige Energie könnte für Bitcoin Mining genutzt werden.

Bitcoin Mining könnte dabei helfen, Schwankungen und Engpässe abzufedern, und es gleichzeitig ermöglichen, dass der Anteil der erneuerbaren Energien in den Netzen deutlich steigt. Der Energieverbrauch für das «Schürfen» ist insofern einzigartig, als dass die Last extrem flexibel und einfach zu unterbrechen ist, die Auszahlung in einer weltweit liquiden Kryptowährung erfolgt und das Mining standortunabhängig ist. Die einzige benötigte Infrastruktur, abgesehen von der Mining-Ausrüstung, ist eine Internetverbindung. Dadurch könnte das Bitcoin Mining eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und auch bei der Ausweitung der erneuerbaren Energieerzeugung spielen: Es verfügt über die erforderliche Flexibilität, um bei Überkapazitäten Strom zu nutzen, gleichzeitig aber zu Stosszeiten die eigene Nachfrage zu drosseln. So schafft Bitcoin Flexibilität und Vorhersehbarkeit bei der erneuerbaren Energieerzeugung sowie eine Preisuntergrenze auf dem Markt.

Zudem können Energieerzeuger, die Anlagen zur erneuerbaren Energieerzeugung (Wind, Wasser, Solar) bauen und die erzeugte Energie für Bitcoin Mining einsetzen, eine höhere Rentabilität erzielen, als wenn sie den Strom zu Marktpreisen verkaufen. Das «grüne» Energiekraftwerk könnte diese Gewinne in weitere Projekte zur sauberen Energiegewinnung oder in andere Projekte, die den ESG-Kriterien entsprechen, investieren. Auf diese Art kann Bitcoin Mining den Wandel zu einer nachhaltigeren Wirtschaft unterstützen und auch mit den Klimazielen vereinbar sein.

Derartige neue Kraftwerke könnten auch in entlegenen Regionen errichtet werden. So könnten etwa die geothermischen Ressourcen Islands oder die unbegrenzte Solarenergie in der Sahara genutzt werden. Hier ist anzumerken, dass das Kostensenkungspotenzial bei Solarenergie besonders hoch ist, da es sich um eine Halbleitertechnologie handelt, deren Preis mit jeder Verdopplung der kumulierten Kapazität konsistent um 20 bis 40 Prozent gefallen ist.

Frühere Netzanbindung und schnellere Rendite

Grüne Kraftwerke könnten bereits früher ans Netz angeschlossen werden und auch früher rentabel sein – dank Bitcoin Mining. Grund hierfür ist, dass solche Projekte bereits umgesetzt werden könnten, bevor langwierige Untersuchungen zum Netzanschluss abgeschlossen sind, da der Strom für das Mining genutzt werden kann, bis man ihn über das Netz verkaufen kann. So werden grüne Kraftwerke für Investoren attraktiver, die nach nachhaltigen Anlagemöglichkeiten suchen. In Texas etwa, wo es grosse Windparks und ein liberalisiertes Stromnetz gibt, werden 60 Prozent der Bitcoin-Erstellung mithilfe erneuerbarer Energien gestemmt. Dadurch gibt es sehr hohe Anlagerenditen mit Margen von 60 bis 80 Prozent. Zudem müssen börsennotierte Miner die regulatorischen Anforderungen erfüllen sowie den Präferenzen der Anleger im Hinblick auf ESG- und Nachhaltigkeitsaspekte gerecht werden. 

Um den Bau von grünen Kraftwerken zum Bitcoin ­Mining und zur Förderung anderer Projekte und Initiativen zur sauberen Energiegewinnung zu unterstützen, wäre ein hohes Mass an Nachvollziehbarkeit und Messbarkeit in den jeweiligen Wertschöpfungsketten erforderlich.

Zur Validierung grüner Bitcoins – oder Kryptowährungen generell – könnte ein System eingeführt werden, das dem ähnelt, das gegen Geldwäsche eingesetzt wird. Während undurchsichtige Internetadressen auf eine Blacklist gesetzt würden, um Transaktionen zu verhindern, die mit kriminellen Aktivitäten in Verbindung stehen, könnten Bitcoins, die nur mit sauberer Energie erzeugt wurden, auf einer «grünen Liste» stehen. Das wäre möglich, da jeder Schritt im Mining-Prozess und jede Transaktion im Anschluss lückenlos über Blockchain nachverfolgt werden kann und dadurch transparent ist.

Initiativen wie die «Bitcoin Clean Energy Initiative» und die in diesem Artikel vorgestellten Ideen liefern keine Antwort auf die Frage, ob knappe und wertvolle Energie für das Mining von Kryptowährungen verwendet werden sollte, statt sie in die «echte» Wirtschaft fliessen zu lassen – etwa zum Heizen oder Kühlen von Gebäuden oder zur Produktion von Nahrungsmitteln. Da es jedoch möglicherweise immer mehr Synergien zwischen Bitcoin ­Mining und sauberer Energiegewinnung geben könnte, sind wir der Ansicht, dass sich eine Diskussion lohnt.

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