Event von Die Ergonomen Usability

So geht Müllentleerung im Zeitalter der Digitalisierung

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von Maximilian Schenner und jor

Die Ergonomen Usability haben zu einer neuen Ausgabe der Veranstaltungsreihe "Einfach verstehen!" geladen. Im Fokus stand ein gemeinsames Projekt mit Online Consulting für die KVA Thurgau: Die Firmen digitalisieren die Abholung von Betriebsmüllcontainern.

Marco Weber, KVA Thurgau; Christopher Müller, Die Ergonomen Usability; Daniel Sevinc, Online Consulting; Sandro Zuppiger, Die Ergonomen Usability. (v.l., Source: zVg)
Marco Weber, KVA Thurgau; Christopher Müller, Die Ergonomen Usability; Daniel Sevinc, Online Consulting; Sandro Zuppiger, Die Ergonomen Usability. (v.l., Source: zVg)

Müllentsorgung ist ein Thema, dem die meisten Menschen in ihrem Alltag wohl ein Minimum an Aufmerksamkeit schenken. Wir werfen unseren Abfall in die Tonne und sie wird - je nach Region - alle paar Tage oder Wochen abgeholt. Der logistische Aufwand dahinter ist nur den wenigsten bewusst. Darum und um die Frage, wie Technologie diesen Prozess erleichtern kann, sollte es am 16. November 2023 in einer weiteren Ausgabe der Vortragsreihe "Einfach verstehen!" von Die Ergonomen Usability gehen. Im Novotel Zurich City West gab das Unternehmen Einblicke in ein Digitalisierungsprojekt namens "E-Container" für die KVA Thurgau, an dem es aktuell zusammen mit Online Consulting arbeitet.

ERP statt Bücherstapel

Christopher Müller, Inhaber von Die Ergonomen Usability, zeigte in seinem Eröffnungsvortrag ein Bild von einem gigantischen Stapel Papier. "So haben wir früher gearbeitet", sagte Müller über administrative Prozesse. Mit viel Papier, Schreibmaschinen und mechanischen Rechenmaschinen. Digitalisierung bedeute aber nicht nur, Papier wegzuschieben, betonte Müller. Mit dem Papier hätten früher Menschen gearbeitet. Heute seien es immer noch Menschen, die diese Arbeiten erfüllen, aber eben digital - anstelle des Bücherstapels zum Beispiel mit ERP-Systemen.

Christopher Müller, Inhaber Die Ergonomen Usability. (Source: zVg)

Christopher Müller, Inhaber, Die Ergonomen Usability. (Source: zVg)

Im konkreten Projekt wollte man laut Müller nicht nur vom Papier wegkommen, sondern den gesamten Prozess optimieren und auch einfache Alltagsabläufe digitalisieren. Dabei stehe die User Experience - das täglich Brot von Die Ergonomen - im Vordergrund. Müller zitierte an dieser Stelle Apple-Gründer Steve Jobs, obwohl er das laut eigenen Aussagen sonst nie mache: Man müsse bei der Customer Experience anfangen und sich zur Technologie zurück arbeiten.

Grüne Plomben digitalisieren 

Marco Weber, Leiter IT und Digitalisierung der KVA Thurgau, ging anschliessend näher auf das Projekt ein. KVA steht für Kehrichtverwertungsanlagen - der Verband ist für die Abholung und Verwertung von Betriebsabfällen in 70 Gemeinden zuständig. In zentraler Bestandteil davon sei die regelmässige Leerung der Abfallcontainer in den Gemeinden, erklärte Weber. 4500 solcher 800-Liter-Container fallen laut Weber in den Zuständigkeitsbereich der KVA Thurgau. 2000 würden in fixen Abständen geleert, die übrigen 2500 nur sporadisch. Eben diese 2500 Container stellen auch das Problem dar, das man nun mithilfe der Digitalisierung lösen will.

Die Abhol-LKWs des Verbands fahren laut Weber eine fixe Route ab, um zu überprüfen, an welchen Containern eine grüne Plombe hängt. Diese sei das Symbol dafür, dass der Container voll ist. Dieser werde dann geleert und die Plombe abgeschnitten. Im ländlichen Bereich gebe es mancherorts nur wenige Container, die LKWs würden dann einzig deswegen dorthin fahren. "Klar, ist das nicht ganz effizient", sagte Weber. Hunderte gefahrene Kilometer, CO2, Lärmbelastung und Strassenbelastung schlagen zu Buche, ohne vorab zu wissen, ob sich der Weg lohnen wird.

Marco Weber, Leiter IT und Digitalisierung der KVA Thurgau

Marco Weber, Leiter IT und Digitalisierung der KVA Thurgau. (Source: zVg)

Ziel des Projekts sei es gewesen, die Plomben sowie die Jahresvignetten, die einen Betrieb für die Leerung seiner Container berechtigen, gänzlich zu digitalisieren. Die Bestellung der Abholung sollte per App oder Website erfolgen und an bestehende Planungssysteme angebunden werden. Das Ziel: Fehler minimieren, leere Kilometer vermeiden und negative Schlagzeilen über nicht geleerte Container vermeiden. Im Dezember 2022 habe man mit dem Projekt begonnen, im Dezember 2026 soll es fertig sein, erklärte Weber von der KVA Thurgau.

Anwalt der User

Als nächstes übernahm Sandro Zuppiger das Wort, UX und Usability Consultant bei Die Ergonomen Usability. "Immer wenn die Ergonomen ins Spiel kommen, geht es um Nutzer", erklärte er. Das Unternehmen verstehe sich gewissermassen als "Anwalt für User", achte also darauf, dass die entwickelten Lösungen auch tatsächlich den Anforderungen der Nutzerinnen und Nutzer entsprechen.

So sei der erste wichtige Schritt des Projekts auch eine ausführliche User Research gewesen, bei der man im Zuge einer quantitativen Umfrage und von Kontextinterviews evaluierte, was sich die betroffenen Personen und Betriebe von einer digitalen Lösung für die Containerabholung erwarten würden. Dafür habe man über 100 Kunden der KVA Thurgau zu Rate gezogen.

Sandro Zuppiger (re.), UX und Usability Consultant bei Die Ergonomen Usability

Sandro Zuppiger (r.), UX und Usability Consultant bei Die Ergonomen Usability (Source: zVg)

Zu den Funktionen der Anwendung habe man in der Umfrage konkrete Wünsche erhalten: etwa einen Terminplaner, die Möglichkeit flexibler Abholungen oder eine Abholbestätigung. In Sachen Usability seien die Anforderungen eher vage gewesen, sagte Zuppiger: eine intuitive, einfache Bedienung, die wenige Klicks erfordert. Und: Die Lösung müsse einfach funktionieren. Aus diesen Antworten habe sich aber dennoch eine klare Richtung ableiten lassen, erklärte der UX-Experte. Die Kontextinterviews hätten dann weitere Userwünsche ergeben, etwa eine "1-Klick-Leerung" der Container sowie keine Pop-ups. 

Nach der Erstellung von Personas - Zuppiger nannte etwa einen "Robert Rappenspalter" - ging es laut dem Experten an den aufwändigsten Teil des Projekts, das Design und UX Writing. Dabei gehe es zum Beispiel darum, dass alle Buttons gleich aussehen und das gesamte Design mit dem Branding der KVA übereinstimmt. Das Design wurde anschliessend mit einem Usability-Test validiert und letztes Feedback eingeholt, wie Zuppiger sagte. Der letzte und zugleich kritischste Schritt, die Einführung, steht noch bevor.

Softwarebau zu Babel

Daniel Sevinc, Stv. Business Unit Leiter Microsoft Competence, D365-Berater und Projektleiter bei Online Consulting, schilderte die Herausforderungen der Zusammenarbeit von UX und Softwareentwicklung. Der eine stehe auf der technische Seite, der andere auf der Nutzerseite - dabei könne es natürlich Reibungen geben. Dass jede Seite ihre jeweiligen Anforderungen erfülle, garantiere noch nicht den Erfolg der Digitalisierung, sagte Sevinc. Das Zusammenspiel der Parteien müsse funktionieren, und dabei komme es vor allem auf die Menschen an, und auf die Kommunikation zwischen ihnen. Auch Müller war in seinem Vortrag auf diesen Aspekt eingegangen: "Wir sprechen alle Schweizerdeutsch", aber im Projekt würden verschiedene Sprachen gesprochen. Designer würden anders sprechen als Entwickler - und das Marketing sowieso ganz anders. 

Sevinc führte die Lösung, die auf der Microsoft-Cloud basiert, schliesslich in einer Live-Demo vor. Die Authentisierung erfolgt über Azure B2C, Prozessautomatisierung über Power Automate von Microsoft. Sie verfüge über Schnittstellen zum ERP-System, dem Tourenplaner und dem Zahlungsanbieter. User sehen in ihrem Leerungskalender, wann Leerungen geplant sind und können selbst welche einplanen. Die sogenannte Einmalleerung soll die grünen Plomben am Container ablösen: User wählen den Container und den Tag, an dem er geleert werden soll und bezahlen den Vorgang mit einem vorab aufgeladenen Guthaben oder auch direkt am Checkout. 

Die Vignetten werden durch die Serienleerung ersetzt, wie Sevinc weiter erklärte. Dabei könne man für das ganze Jahr einplanen, welche Container wann und in welchem Rhythmus geleert werden. In der Lösung sind auch das vorhandene Guthaben sowie eine History vergangener Bestellungen ersichtlich. Und wer nur genau einen Container habe, könne diesen mittels der "1-Klick-Lösung" am nächsten möglichen Termin leeren lassen.

Nach den Vorträgen und einer Fragerunde lud der Veranstalter zu einem ausgiebigen Apéro riche.

Bereits im Jahr 2022 hatte Die Ergonomen Usability zu einer "Einfach verstehen!"-Veranstaltung in Zürich eingeladen. Dabei ging es darum, wie Analytics und Daten die User Experience verbessern können - mehr zum Event lesen Sie hier.

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L85HaytV