Partner-Post Dossier Kompakt von Glenfis

Was Mitarbeitende wirklich bindet – der psychologische Vertrag

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von Barbara Krebs und Yvonne Schmidt, Glenfis
Barbara Krebs (l.) Transformationsbegleiterin für Organisations- und Kulturentwicklung, Agile Coach & Service Management Expertin, Glenfis; Yvonne Schmidt Senior Consultant Organizational and Cultural Transformation, Teamentwicklerin, Agile Coach, Glenfis. (Source: zVg)
Barbara Krebs (l.) Transformationsbegleiterin für Organisations- und Kulturentwicklung, Agile Coach & Service Management Expertin, Glenfis; Yvonne Schmidt Senior Consultant Organizational and Cultural Transformation, Teamentwicklerin, Agile Coach, Glenfis. (Source: zVg)

Im Bewerbungsgespräch klingt es vielversprechend: agile Arbeitsweise, flache Hierarchien, viel Freiraum. Der Teamleiter wirkt offen, spricht begeistert von neuen Projekten und seiner Vision für mehr Zusammenarbeit. Die Bewerberin fühlt sich abgeholt und unterschreibt. Ein paar Monate später ist die Stimmung gedämpft. Die neue Entwicklerin arbeitet unter hohem Zeitdruck und die Meetings sind eher Pflicht als Austausch. Dabei ist der Teamleiter engagiert. Er sucht das Gespräch und zeigt Interesse an ihren Ideen. Doch der Alltag lässt aufgrund des Kundendrucks und knapper Ressourcen wenig Spielraum. Vieles, was gut gemeint war, bleibt in der Umsetzung auf der Strecke. Die neue Kollegin ist enttäuscht. Nicht, weil etwas falsch gemacht wurde, sondern weil ihre Erwartungen nicht erfüllt wurden. Sie fragt sich, ob sie in diesem Unternehmen langfristig bleiben möchte.

Solche Fälle sind keine Ausnahme und zeigen, dass die Regelungen im Arbeitsvertrag nur einen Teil der Realität abbilden. Viel wichtiger sind – und das wird oft übersehen – die unausgesprochenen Erwartungen, das Vertrauen und das Gefühl von Fairness. Genau das macht den psychologischen Vertrag aus. Wird dieser gebrochen, ziehen viele Mitarbeitende Konsequenzen und gehen.

Was ist der psychologische Vertrag?

Der Begriff stammt aus der Organisationspsychologie und beschreibt die Gesamtheit der unausgesprochenen Erwartungen und Überzeugungen zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitenden. Anders als der formale Arbeitsvertrag ist er nicht schriftlich festgehalten, sondern wird individuell erlebt. Der psychologische Vertrag umfasst zum Beispiel Erwartungen an Führung, Entwicklung und Feedback sowie das tägliche Erleben von Fairness, Anerkennung und gelebter Unternehmenskultur. Er entsteht bereits im Recruiting, konkretisiert sich in der Onboarding-Phase und prägt das tägliche Miteinander. Wird der psychologische Vertrag erfüllt, wirkt er als stabilisierender Faktor. Wird er jedoch verletzt, drohen Vertrauensverlust und Kündigung.

Typische Bruchstellen 

Mitarbeitende erwarten mehr als ein Gehalt. Sie suchen Sinn, Raum zur persönlichen Entfaltung und ein Umfeld, das zu ihren Werten passt. Der psychologische Vertrag wird zum Schlüssel für Bindung. Führung bedeutet daher auch, diese Erwartungen zu erkennen und ernst zu nehmen.

  • Unrealistische Erwartungen im Recruiting: Im Bewerbungsgespräch klingt vieles gut. Doch was versprochen, jedoch nicht gelebt wird, sorgt schnell für Frust. Wenn Mitgestaltung versprochen wird, aber Entscheidungen zentral getroffen werden, oder wenn von Work-Life-Balance die Rede ist, der Kalender aber voll verplant ist, entsteht ein Bruch des psychologischen Vertrags. 
  • Onboarding ohne Tiefgang: Der erste Arbeitstag ist gut organisiert. Die Technik ist einsatzbereit und die Begrüssung im Team freundlich. Doch das Gefühl, wirklich angekommen zu sein, stellt sich nicht automatisch ein. Neue Mitarbeitende brauchen mehr als nur funktionierende Systeme. Sie brauchen ein Gefühl dafür, wie zusammengearbeitet wird, welche unausgesprochenen Erwartungen bestehen und welche Werte im Team zählen. Erst wenn sie Orientierung erhalten, einbezogen werden und ihre Fragen ernst genommen werden, entsteht eine echte Verbindung. 
  • Führung ohne emotionale Verbindung: Führungskräfte prägen die tägliche Zusammenarbeit und sind entscheidend für das Vertrauen im Team. Wenn Anerkennung fehlt, Rückmeldungen ausbleiben oder Entscheidungen nicht nachvollziehbar sind, entsteht schnell Distanz. Auch gut gemeintes Verhalten kann so zu Unsicherheit führen. Eine Führung, die nicht nur organisiert, sondern auch verbindet, wirkt langfristig stabilisierend. 
  • Veränderungen ohne Einbindung: Veränderungen gehören zum Alltag. Neue Tools, Umstrukturierungen oder wechselnde Prioritäten sind nicht ungewöhnlich. Wenn solche Entscheidungen jedoch ohne Einbindung der Mitarbeitenden getroffen werden, leidet das Vertrauen. Mitarbeitende, die sich übergangen fühlen, zweifeln an der gemeinsamen Ausrichtung. 
  • Entwicklung ohne Perspektive: Anfangs sind neue Aufgaben, Technologien und Projekte spannend. Doch irgendwann stellt sich Routine ein. Wenn für Mitarbeitende keine Perspektiven erkennbar sind, schwindet die Motivation. Wer sich nicht entwickeln kann oder das Gefühl hat, auf der Stelle zu treten, verliert den emotionalen Bezug zur Arbeit.
  • Leistung ohne Anerkennung: In Teams wird viel geleistet, oft unter hohem Druck. Wenn dieser Einsatz als selbstverständlich gilt und kaum wertgeschätzt wird, entsteht Unzufriedenheit. Fehlt Anerkennung anhaltend, fühlen sich Mitarbeitende über­sehen.

Psychologische Verträge aktiv gestalten

Der psychologische Vertrag ist kein Selbstläufer. Führungskräfte gestalten ihn mit, ob bewusst oder nicht. Wer es gezielt tut, stärkt Beziehung, Motivation und Loyalität.

  • Selbstführung als Führungsqualität stärken: Führung beginnt bei der eigenen Haltung. Wer klar und achtsam mit sich selbst umgeht, schafft auch für andere Orientierung. Regelmässige Selbstreflexion, bewusst gesetzte Pausen und der offene Umgang mit eigenen Grenzen stärken nicht nur die persönliche Balance, sondern auch das Vertrauen im Team. Wer gut für sich sorgt, führt glaubwürdiger.
  • Vertrauen durch Konsistenz schaffen: Vertrauen entsteht, wenn Worte und Taten übereinstimmen. Wer sich zu einem menschenzentrierten Führungsstil bekennt, sollte diesen auch in herausfordernden Situationen verlässlich leben.
  • Klarheit schaffen und Identifikation ermöglichen: Menschen wollen wissen, woran sie sind und wofür sie es tun. Gespräche über Rollen, Erwartungen sowie Zusammenhänge fördern Klarheit und vermitteln Bedeutung. 
  • Entscheidungen transparent kommunizieren: Mitarbeitende müssen nicht bei allem mitentscheiden, aber verstehen, warum etwas entschieden wurde. Dies fördert Akzeptanz und Zugehörigkeit.
  • Mitarbeitende frühzeitig einbeziehen: Führung bedeutet auch, Spannungen früh zu erkennen. Wer im Austausch mit den Mitarbeitenden bleibt, frühzeitig Feedback einholt und Rückmeldungen ernst nimmt, kann rechtzeitig reagieren und Vertrauensverlust vorbeugen.
  • Entwicklung gemeinsam fördern: Mitarbeitende wollen sich weiterentwickeln. Wenn Führungskräfte mit ihren Mitarbeitenden kontinuierlich im Austausch bleiben, Potenziale erkennen und Lernwege unterstützen, wird Entwicklung zur gelebten Praxis. 
  • Kulturelle Rituale pflegen: Kleine Gesten wie ein ehrliches Danke, das gemeinsame Feiern von Erfolgen oder Feedback-Runden stärken Zugehörigkeit und Vertrauen. 

Mitarbeitende zu binden, braucht mehr als Management

In der heutigen Arbeitswelt zählen tragfähige Beziehungen mehr als Gehaltstabellen oder Bonusprogramme. Der psychologische Vertrag zeigt, was Mitarbeitende wirklich bindet. Es sind nicht formale Vereinbarungen, sondern ein vertrauensvolles Miteinander. Dies ist kein weiches HR-Konzept, sondern ein zentraler Bestandteil wirksamer Führung. 

Führungskräfte haben es in der Hand, den psychologischen Vertrag aktiv mitzugestalten. Dabei geht es um mehr als das Managen von Aufgaben. Es geht vor allem darum, Menschen zu verbinden. Wer als Führungskraft klar kommuniziert, Haltung zeigt und Wertschätzung im Alltag lebt, schafft die Grundlage für nachhaltige Zusammenarbeit. 

Führung wirkt nicht im Alleingang. Auch Mitarbeitende prägen das Miteinander mit ihren Erwartungen, Werten und ihrem Engagement. Echte, wirksame Zusammenarbeit entsteht nur, wenn Führungskräfte und Mitarbeitende gemeinsam Verantwortung übernehmen und sich auf Augenhöhe begegnen. Wo Wertschätzung nicht nur versprochen, sondern im Alltag tatsächlich spürbar wird, entsteht mehr als Leistung. Es wachsen Bindung und Loyalität. So kann eine Organisation nachhaltig wachsen und sich weiterentwickeln.

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