"Die digitale Infrastruktur wird als Selbstverständlichkeit gesehen"
Im November 2024 ist Judith Bellaiche zur neuen Präsidentin der Asut gewählt worden. Gleichzeitig hat sie einen Strategieprozess begonnen, dessen Ergebnis Ende September den Mitgliedern vorgestellt wurde. Im Gespräch erläutert sie den Kern der neuen Strategie und wie ihr der Einstieg in ihre neue Funktion gelungen ist.

Wie haben Sie die Zeit seit Ihrer Wahl erlebt?
Judith Bellaiche: Ich bin zwar durch meine frühere Tätigkeit mit Asut vertraut gewesen, aber der Einstieg war trotzdem intensiv. Gleich nach meiner Wahl stiess ich gemeinsam mit dem Vorstand den Strategieprozess an, der jetzt beendet ist. Ausserdem gehört es zu einem Verband, dass sich dessen Mitglieder im Markt in einer Konkurrenzsituation befinden. Da ist es dann die Aufgabe des Verbands, die Interessen der Unternehmen zu bündeln und nach aussen zu vertreten. Das kann herausfordernd sein und ist gleichzeitig auch spannend. Ich bin sehr glücklich, denn Asut hat tolle, dem Verband gegenüber wohlwollend eingestellte Mitglieder, die zudem einen wichtigen Beitrag in den zahlreichen Fachgremien leisten. Die Tätigkeit als Präsidentin bringt viel Arbeit mit sich, aber sie bereitet mir sehr viel Spass. Ich freue mich, den Verband weiterzuentwickeln.
Gab es auch schon Momente, in denen ein Aushandlungsprozess zwischen den unterschiedlichen Interessen schwierig war? Zum Beispiel bei der Priorisierung von Themen in der neuen Strategie?
Digitalisierung ist ein Transversalthema, das alle Aspekte der Wirtschaft und Gesellschaft betrifft und über das man endlos diskutieren könnte. In diesen Momenten ist es wichtig, den Fokus zu behalten. Die zentrale Frage lautet: Welches sind die Haupt- und Nebenthemen der Asut? Im Mittelpunkt stehen unsere Fokusthemen, die für unsere Mitglieder existenziell sind. Beispielsweise Cybersecurity oder leistungsfähige Basisinfrastrukturen wie Kommunikationsnetze und Datacenter. Zudem kümmert sich unser Verband auch um Anwendungsfragen, wie Industrie 4.0, Smart Energy oder intelligente Mobilität. Denn viele unserer Mitglieder kommen aus anderen Branchen und schätzen den Wissenstransfer und die Vernetzung mit Expertinnen und Experten aus unserer Branche. Zuletzt haben wir auch neue Themen auf dem Radar, deren Bedeutung noch nicht klar ist und die später wichtig werden können. Um diese Themenvielfalt zu managen, entwickelten wir einen Themen-Radar. Das gibt uns die Möglichkeit, die Situation immer wieder zu überprüfen und nichts zu verpassen, ohne dabei gleich aktiv werden zu müssen. Und um auf die Frage zu antworten: Diese Diskussionen waren intensiv und spannend, aber gar nicht so schwierig.
Abgesehen von der Themenwahl: Wie würden Sie die neue Strategie 2025+ in wenigen Sätzen beschreiben?
In erster Linie würde ich sie als ambitioniert bezeichnen. Sie ist eine kurz und prägnant formulierte Vision für die digitale Infrastruktur der Schweiz. Es geht darum, dass unsere Mitglieder heute und in Zukunft der Schweiz ermöglichen möchten, weltweit eine digitale Vorreiterin zu sein. Das funktioniert nur mit der richtigen digitalen Infrastruktur. Es gibt Länder, die diesen Anspruch auch so formulieren, aber die Anforderungen an die Infrastruktur nicht erfüllen. In der Schweiz ist das genau umgekehrt.
Die Schweiz liegt in internationalen Rankings zur Infrastruktur und zur Innovation regelmässig auf den vordersten Plätzen. Welche Ambitionen kann Asut darüber hinaus für die Schweiz noch haben?
Das ist die absolute Kernfrage der Tätigkeit der Asut. Seit fast einem Jahrzehnt ist die Schweiz das innovativste Land der Welt und sehr gut aufgestellt. Unser Hauptproblem ist, dass wir die dazu notwendige digitale Infrastruktur mittlerweile als Selbstverständlichkeit sehen. Es gibt auf jedem Berg Mobilfunkempfang, und das wird als so normal empfunden wie fliessendes Wasser. Darum fehlt oftmals das Verständnis dafür, dass die digitalen Infrastrukturen laufend modernisiert und Innovationen vorangetrieben werden müssen. An diesem Punkt setzen wir als Verband an, weil wir sehen, dass das Bewusstsein für Innovation und die digitalen Infrastrukturen nicht mehr in gleichem Mass vorhanden ist. Daneben braucht es noch gute Rahmenbedingungen, damit Basisinfrastrukturen wie Glasfasernetze, Mobilfunk oder Datacenter, aber auch künstliche Intelligenz der Wirtschaft und der Bevölkerung in der notwendigen Qualität zur Verfügung gestellt werden können. Insbesondere die Regulierung darf dabei nicht zum Bremsklotz werden. Hier sehen wir als Verband Handlungsbedarf in der Politik.
Politik sollte das Spiegelbild der Gesellschaft sein. Bedeutet dies, dass die Bevölkerung der Innovation skeptisch gegenübersteht?
Dafür sehe ich keine Anzeichen. Die Telekommunikation und die Digitalisierung haben in der Bevölkerung, bei den Kunden unserer Mitglieder, eine sehr hohe Adoptionsrate. Eine Erhebung unseres Verbands hat gezeigt, dass Anfang des Jahres bereits über 7 Millionen 5G-fähige Endgeräte in der Schweiz im Einsatz waren, und diese Zahl nimmt laufend zu. Auch bei der Nutzung von künstlicher Intelligenz und ihrer Möglichkeiten ist die Bevölkerung aufgeschlossen. Und nicht zuletzt ist die Zustimmung des Stimmvolks zur Einführung der E-ID ein wichtiges Signal für die Digitalisierung in der Schweiz.
Es fehlt also am Bewusstsein für die Weiterentwicklung der Infrastruktur. Bewusstsein zu schaffen, ist eine anspruchsvolle Kommunikationsaufgabe. Wie will Asut dies in Zukunft angehen?
Das ist ein sehr langfristiger Prozess, den Asut auf drei Arten angehen möchte. Der erste Anknüpfungspunkt liegt bei den Mitgliedern mit ihren Produkten und Dienstleistungen, die von Kunden nachgefragt werden. Eine gute Kundenbeziehung ist für die Kommunikation immer wichtig. Zweitens braucht es die politische Arbeit der Asut. Der Verband steht regelmässig und sehr intensiv im Dialog mit Behörden sowie Politikerinnen und Politikern. Als dritten Bereich sieht Asut das öffentliche, breite Publikum. Hier möchten wir in Zukunft unseren Interessen mehr Nachdruck verleihen. Die Themenvielfalt, Komplexität und auch das Risikobewusstsein bei den Menschen sind grösser geworden, und darum wollen wir in Zukunft im Rahmen der Strategie mehr nach aussen treten.
Unabhängig von der Strategie: Mit welchen Themen wird sich Asut in den nächsten zwölf Monaten beschäftigen müssen?
Einerseits stehen die Fokusthemen auf dem Radar. Also die Rahmenbedingungen für Mobilfunk, der weitere Ausbau der Glasfasernetze, die Stärkung der Cybersicherheit sowie die Bedeutung der Datacenter und Cloud-Infrastrukturen. Andererseits wird uns die Frage beschäftigen, wie eng der thematische Fokus sein soll. Wenn man sich als Verband zu sehr fokussiert, ist man ein Nischenverband. Wenn man thematisch zu sehr in die Breite geht, dann besteht die Gefahr, sich zu verzetteln. Das richtige Mass zwischen diesen Polen zu finden, ist wichtig. Auf jeden Fall wollen wir unsere Positionen und Ansichten proaktiver und breiter kommunizieren. Ein letzter, wichtiger Punkt ist: Wir wollen als Verband auch den Mut aufbauen, Themen oder Formate zu überdenken, also neue Formate auszuprobieren, oder aber gewisse Themen wieder loszulassen. Das ist eine Herausforderung, auf die ich mich freue und die ich als Privileg empfinde.
Neue Themenbereiche, proaktive Kommunikation und Mut, alte Zöpfe abzuschneiden. Asut hat sich einiges vorgenommen.
Mit der breiten Mitgliederbasis und den vielen kompetenten Expertinnen und Experten ist Asut hervorragend positioniert, um optimale Rahmenbedingungen für erstklassige Infrastrukturen und digitale Innovationen voranzutreiben. Deswegen bin ich überzeugt, dass Asut einen wichtigen Beitrag zur Prosperität in der Schweiz leisten kann.
Zur Person
Judith Bellaiche ist seit November 2024 Präsidentin der Asut. Zuvor war sie Nationalrätin und Geschäftsführerin von Swico. Sie hat in Basel Jura studiert und ihre Ausbildung mit einem Executive MBA an der HSG abgerundet. Ausser ihrem Engagement bei Asut hält sie zudem diverse Verwaltungsratsmandate.

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