Live-Interview mit Andreas Egloff

So wurde White Risk zum Master of Swiss Apps 2025

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Vor mehr als 20 Jahren hat die Geschichte von "White Risk", dem Master of Swiss Apps 2025, begonnen. Andreas Egloff, Softwareentwickler am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, blickt im Interview zurück und sagt, welche ­Herausforderungen es auf dem Weg zum Master-Titel zu bewältigen galt.

Andreas Egloff, Softwareentwickler, WSL-Institut für Schnee- und Lawinen­forschung SLF. (Source: zVg)
Andreas Egloff, Softwareentwickler, WSL-Institut für Schnee- und Lawinen­forschung SLF. (Source: zVg)

Herzliche Gratulation zum Master of Swiss Apps 2025. Was bedeutet die Auszeichnung für das SLF?

Andreas Egloff: Die Auszeichnung stellt für uns eine wertvolle Bestätigung dar, dass wir am Standort Davos als kleines Entwicklerteam Softwarelösungen von hoher Qualität und ausgeprägter fachlicher Exzellenz bereitstellen können.

"White Risk" als Brand ist nicht neu, und auch für Smart­phones gibt es "White Risk" schon länger. Wann und warum haben Sie sich für eine neue Version entschieden?

"White Risk" hat bereits zahlreiche technische Iterationen durchlaufen. Angefangen hat alles mit einer interaktiven, auf Adobe Flash basierenden Lern-CD vor genau 20 Jahren. Mit der Zeit entwickelte sich das Angebot weiter: Zunächst kam eine App hinzu, später folgte die Website. Beide Plattformen haben seither mehrere technologische Entwicklungssprünge erlebt. Um sowohl unsere Produkte, wie etwa das Lawinenbulletin, als auch eine umfassende Lawinenprävention nachhaltig sicherzustellen, ist es wesentlich, "White Risk" kontinuierlich zu warten und weiterzuentwickeln.

Sie entwickeln "White Risk" inhouse, anstatt einen externen Auftragnehmer ins Boot zu holen. Warum?

Wir entwickeln "White Risk" bewusst inhouse, da wir bereits über erfahrene Softwareentwickler und umfassendes Know-how nicht nur in der App-Entwicklung verfügen. Dank bestehender interner Anwendungen konnten wir auf etabliertem Wissen aufbauen. Zudem ermöglichen die kurzen Wege im Haus schnellere Abstimmungen und rasche Anpassungen. Das SLF ist ein Forschungsinstitut, in dem weltweit anerkannte Schnee- und Lawinenforschung betrieben wird. So können neueste Erkenntnisse direkt mit den Forschenden besprochen und in "White Risk" integriert werden. Gleichzeitig besteht eine enge Verbindung zur Praxis, da das SLF in seinen Kursen zahlreiche Expertinnen und Experten ausbildet.

Wie gross ist das Team, das "White Risk" entwickelt? Und wie setzt es sich fachlich zusammen?

Unser Core-Team besteht aus zwei Product Owners, die für die fachlichen Inhalte verantwortlich sind, sowie vier Softwareentwicklern, die die Website, die Apps, alle Back-End-Services und die gesamte Geoinformationssystem- und Karteninfrastruktur betreuen. Ergänzt wird das Team durch zwei Interaction-Designer. Für die Erstellung des Lawinenbulletins setzen wir zudem eine eigene Software ein, die von einem separaten Team kontinuierlich weiterentwickelt wird. Darüber hinaus stellt das IT-Team des SLF die komplette Server- und Systeminfrastruktur bereit und sorgt für deren zuverlässigen Betrieb.

Wie packten Sie die Umsetzung der App an? Und wie lange dauerte es von der ersten Idee bis zum ersten Public Release?

Wie bereits erwähnt, hat die App schon etliche Iterationen hinter sich. Eine erste Version wurde für iOS bereits im Jahr 2009 veröffentlicht, wenige Jahre später folgte die Android-Version. Am Anfang beinhaltete die App "nur" das Lawinenbulletin, Schneekarten und gewisse Grundlageninformationen. Dann kamen nützliche Tools wie Hangneigungsmesser und eine Gefahrenbeurteilung für Lawinenprobleme hinzu. Ein vollumfängliches Tourenplanungsmodul wurde bereits im Jahr 2013 lanciert und kontinuierlich verbessert. Zahlreiche Lerninhalte mit E-Learning-Lektionen sind inzwischen auch in die App integriert.

Was war aus Ihrer Sicht die grösste Challenge des Projekts?

Früher war es definitiv die Feature Parity zwischen den Apps. Inzwischen sehen wir dasselbe Problem zwischen den Apps und der Website, da wir den Anspruch haben, dieselben Features möglichst zeitnah auf allen Plattformen anbieten zu können. Ein weiteres Augenmerk gilt der Offline-Verfügbarkeit. Die meisten Inhalte der App sind auch im Gelände, wo der Empfang selten gewährleistet ist, verfügbar. Abschliessend muss erwähnt werden, dass unsere Entwicklerressourcen begrenzt sind und wir immer wieder zwischen den vielen Ideen priorisieren müssen.

Und wie haben Sie diese Herausforderungen gemeistert?

Bei der App setzen wir seit 3 Jahren konsequent auf Kotlin Multiplatform Mobile, kurz KMM, und das in einer Zeit, in der KMM erst gerade die Betaphase erreichte. Durch den modularen Ansatz mussten wir nicht auf der grünen Wiese starten, sondern konnten risikofrei Teile der App schrittweise ablösen. Wo möglich und sinnvoll, können wir Bestehendes auch im Web verwenden.

Sie erhielten nicht nur die Master-Auszeichnung, sondern auch einen Gold-Award in der Kategorie Functionality. Welche Funktion in "White Risk" ist Ihnen besonders gut gelungen?

"White Risk" unterstützt Skitourengeherinnen und -geher dabei, Touren möglichst sicher zu planen und durchzuführen, sowohl in der Vorbereitung als auch unterwegs und in der Ausbildung. Für alle diese Teile bieten wir weitreichende Informationen und Tools an. Die grosse Stärke von "White Risk" ist sicherlich, dass alle dafür relevanten Informationen und Tools an einem Ort auffindbar sind.

Die Jury hebt unter anderem die automatische Schlüsselstellenerkennung hervor. Welche Daten nutzen Sie, um Schlüsselstellen zu identifizieren?

Wir verwenden öffentlich verfügbare Geländedaten wie Höhenmodelle oder Waldbedeckungsdaten und berechnen damit für alle Gebiete mögliche Lawinenabgänge mit einem eigenen Simulationsmodell. So entstehen Karten, die zeigen, wo Lawinen auslaufen könnten und wie gefährlich sie wären. Diese Informationen helfen dabei, Schlüsselstellen automatisch zu erkennen.

"White Risk" enthält auch eine Menge Basiswissen, ist also eine Art Trainingstool. Woher kommen diese Inhalte?

Die Inhalte sind über die Jahre angewachsen. Vor 20 Jahren war es eine interaktive, auf Flash basierende Lern-CD. Mit der Zeit sind eine Website und ein Buch hinzugekommen. Sämtliche Inhalte wurden am SLF erarbeitet. Hier kommt auch die Nähe zu unseren Forschenden und Praktikern zum Zuge: Neueste Erkenntnisse können so sehr schnell übernommen und eingebaut werden.

Künstliche Intelligenz erlebte gerade ihren Siegeszug, während Sie "White Risk" entwickelten. Wie hat der KI-Boom Ihre Arbeit und die App beeinflusst?

Einerseits bei der Implementierung mittels Coding Assistants, je nachdem ist man schneller oder nicht. Andererseits bei neuen Features: Wir haben das Ziel, anhand von Rückmeldungen aus dem Gelände Lawinen auf einem Bild automatisch zu erkennen und zu georeferenzieren. Diese wichtigen Informationen helfen wiederum der Lawinenwarnung, möglichst präzise Prognosen zu erstellen. Seit 2021 unterstützt ein am SLF entwickeltes KI-­Modell die Prognostiker des Lawinenwarndienstes und erstellt täglich eine eigene Einschätzung der Lawinengefahr. Diese zusätzliche Einschätzung liefert den Prognostikern wertvolle Informationen.

Welche Rolle spielte die User-Community? Wann und wie holten Sie Feedback von den Nutzenden ein?

Das Feedback der Community ist uns sehr wichtig. Wir nehmen Verbesserungsvorschläge dankend an, um ­unser Produkt noch zugänglicher und hilfreicher zu ­machen.

Wenn Sie heute nochmal ganz von vorne starten müssten, was würden Sie rückblickend anders machen?

In Bezug auf die App-Entwicklung würden wir rückblickend wohl alles wieder genauso machen. Wir haben bewusst darauf verzichtet, hybride Technologien wie Apache Cordova, Flutter oder React Native einzusetzen, und stattdessen konsequent auf native Lösungen gesetzt. So stellen wir sicher, technologisch zukunftssicher zu bleiben und uns nicht in einer einzelnen Technologie zu verfangen.

Das SLF ist Teil des WSL, gehört also zum Bund. Wie wirkt sich diese Nähe zur Bundesverwaltung auf die App-Entwicklung und "White Risk" aus?

Für die Erstellung unserer Produkte wie das Lawinenbulletin oder Schneekarten geniessen wir bereits eine gute Zusammenarbeit mit Meteoschweiz oder dem Bundesamt für Umwelt, BAFU. Für die Entwicklung der App ist dies sicherlich positiv.

Welche spezifischen Vorgaben der Bundesverwaltung mussten Sie einhalten?

Das SLF gehört zur WSL und ist somit dem ETH-Rat unterstellt. Insofern müssen wir keine Bundesvorgaben einhalten. Als SLF sind wir uns jedoch unserer Verantwortung bewusst, stabile und zuverlässige Software bereitzustellen. Dazu gehört ein kontinuierliches Monitoring unserer Systeme. Zusätzlich verfügen wir über einen Pikettdienst, der bei Störungen oder dringenden technischen Problemen jederzeit eingreifen kann. Auf diese Weise gewährleisten wir einen reibungslosen Betrieb und eine hohe Verfügbarkeit unserer Dienstleistungen.

Welche Rolle spielte das Thema Accessibility? Für welche Nutzergruppen stellten Sie Barrierefreiheit sicher? Und wie machten Sie das?

Natürlich möchten wir mit "White Risk" eine grosse Anzahl an Personen von Einsteigern bis Profis ansprechen. Daher stellen wir sicher, dass zentrale Funktionen für möglichst viele Menschen gut zugänglich sind. Bei der Wahl der Farben für eine Skala achten wir darauf, dass sie auch für Menschen mit Farbenblindheit gut unterscheidbar sind. Deshalb testen wir die gewählten Varianten zusätzlich mit betroffenen Personen. Auch wenn eine vollständig barrierefreie Umsetzung bei einer technisch komplexen Kartenapplikation nicht überall möglich ist, setzen wir zahlreiche Massnahmen um, die die Nutzung erleichtern und Fehlinterpretationen vermeiden. Dazu gehören dynamische Textgrössen sowie Dark- und Light-Mode, die auch bei schlechten Sichtverhältnissen oder starkem Sonnenlicht eine gute Lesbarkeit gewährleisten.

Wie geht es mit der App weiter? Gibt es noch Wunsch-­Features, die Sie gern realisieren würden?

Auf diesen Winter erweitern wir bereits vorhandene Funktionen auf den Alpenbogen, für den wir bereits Kartenmaterial anbieten. Eine automatische Schlüsselstellenerkennung bei der Tourenplanung ist dann auch in Österreich und Frankreich möglich. Durch eine Zusammenarbeit mit Meteo France wird auch das französische Bulletin in der White-Risk-App abrufbar sein. Ausserdem wird die Rückmeldemöglichkeit aus dem Gelände erheblich vereinfacht. Für die weitere Zukunft haben wir noch sehr viele Ideen. Einmal im Jahr veranstalten wir eine Hack Week, bei der wir die Möglichkeit haben, mit neuen Technologien zu experimentieren, neue oder bisher nicht weiterverfolgte Ideen schnell zu prototypisieren und gemeinsam weiterzuentwickeln. Viele Features haben so den Weg in die jetzige App gefunden.

Welche Tipps können Sie den Bewerberinnen und Bewerbern für die kommende Ausgabe von Best of Swiss Apps mit auf den Weg geben?

Der Best-of-Swiss-Apps-Award bietet eine hervorragende Gelegenheit, die eigene App für ein breites Publikum sichtbar zu machen. Wichtig ist eine bewusste Auswahl der Kategorien, manche sind stärker umkämpft als andere. Ebenso empfehle ich, die eingereichten Unterlagen mit viel Sorgfalt und Detailtiefe auszuarbeiten, da sie entscheidend für die Beurteilung durch die Jury sind.

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