Infosocietydays 2017

E-Gov-Forum 2017: Gemeinsam mehr erreichen

Uhr | Aktualisiert

Am zweiten Tag der Infosocietydays haben Referenten aus der Verwaltung und Hochschulen aufgezeigt, dass die Kooperation bei IT-Projekten für Behörden immer wichtiger wird. Die Zeit des Gärtchen-Denkens scheint vorüber zu sein.

Reto Lindegger, Direktor Schweizerischer Gemeindeverband. (Bild: Netzmedien)
Reto Lindegger, Direktor Schweizerischer Gemeindeverband. (Bild: Netzmedien)

Die digitale Transformation stellt Gemeinden und Kantone vor immer grössere Herausforderungen. Vor zehn Jahren konnte eine Gemeindewebsite noch eine Visitenkarte im Web sein. Der Serviceanteil beschränkte sich auf die Angabe der Öffnungszeiten und der Kontaktdaten wie Telefonnumer und E-Mail-Adresse.

Heute muss eine Gemeinde Services auf dem Level von Banken oder Onlineshops anbieten. Das stellt einzelne Gemeinden und Kantone vor teils finanzielle, technische und organisatorische Hürden. Die Zukunft geht daher in Richtung Zusammenarbeit, wie Fachleute am zweiten Tag des Swiss E-Government-Forum in Bern aufzeigten.

Paradebeispiel "elektronischer Umzug"

Ein Beispiel ist die elektronische Ummeldung bei einem Umzug. Je nach Kanton und Gemeinde kann der Aufwand für die Ummeldung einen Tag in Anspruch nehmen, etwa weil man persönlich mit den nötigen Dokumenten auf dem Einwohnermeldeamt erscheinen muss.

Der Kanton Zürich entwickelte deshalb die Online-Lösung E-Umzug, die Gemeinden in ihre IT-Systeme integrieren können. Einwohner können sich bei einem Umzug während knapp zehn Minuten von ihrem alten Wohnort ab- und am neuen Wohnort anmelden, inklusive Familienmitglieder und Haustiere. Gebühren können die Nutzer unter Angabe der Kreditkartendaten gleich bezahlen. Ein Bezahlsystem ist in der Lösung bereits integriert.

Mehr Effizienz für Gemeinden

Gemeinden gewinnen an Effizienz, wie Lukas Steudler, von der Staatskanzlei Zürich sagte. Die Gemeinden erhielten die Daten in strukturierter Form und müssten nur noch im Bedarf, etwa bei offenen Fragen aktiv werden. Ausserdem könnten sie sich den Versand von Rechnungen sparen. Das System liesse sich auch in bestehende Anwendungen von Gemeinden anbinden, wodurch die Gemeindemitarbeiter keine neuen Programme lernen müssen.

Während dem knappen Jahr, das seit dem Start von E-Umzug vergangen ist, schlossen sich alle Gemeinden des Kantons an. Rund 10'000 Umzüge wurden über die Lösung gemeldet. Im vergangenen Jahr gab es laut Steudler 200'000 Umzüge in Zürich. Das Ziel ist es, dass ein Drittel der Umzüge über E-Umzug gemeldet werden.

Steudler ist Mitglied der Projektleitung E-Umzug-Zürich und des Verbunds E-Umzug-CH. Das Ziel des Verbunds ist es, die Software schweizweit zu verbreiten. Mehrere Kantone sich dem Verbund inzwischen angeschlossen und weitere sind an der Planung.

Gute Erfahrungen gesammelt

Zwei Kantonsvertreter berichteten von ihren Erfahrungen. Einer war Markus Frösch, Projektleiter E-Umzug im Kanton Uri. In Uri erkannte man die Vorteile der Lösung, erzählte Frösch in einer gut besuchten Break-out-Session. Das Projekt dauerte rund ein halbes Jahr. Die Übernahme und Adaption der Zürcher Lösung an die Systeme der Urner Gemeinden kostete den Kanton 28'000 Franken. Pro Jahr kommen 3000 Franken Unterhaltskosten hinzu. Das System „eUmzug“ habe sich im Kanton Zürich bewährt. Ausserdem sei es auch über die Kantonsgrenzen hinweg einsetzbar und soll auch in anderen Kantonen eingesetzt werden, sagte Frösch und fügte an: "Basisdienste, die schweizweit funtkionieren sollen, müssen gemeinsam und über die föderalen Grenzen hinweg umgesetzt werden."

Dem stimmte Gérald Strub zu. Der Föderalismus stelle keine unüberwindbare Hürde dar. Wichtig sei, dass die Verantwortlichen auf Kantonsebene die Ängste und Bedenken auf Gemeindeebene ernst nähmen. Man müsse ein Verständnis für die Digtalisierung schaffen und Möglichkeiten aufzeigen, wie man die Arbeit mit digitalen Lösungen erleichtern kann.

Wer ist Betreiber?

Das Beispiel E-Umzug legt ein Problem bei der IT-Beschaffung dem Betrieb von IT-Lösungen offen. Wer beschafft und organisiert den Betrieb der Lösung? Diese Frage stelle sich immer wieder bei kantonsübergreifenden Projekten. Welcher Kanton nimmt die Arbeit auf sich und kümmert sich um ein Ausschreibungsverfahren? Ein anderer Weg wäre etwa die Gründung einer Firma oder eines Vereins. Diesen Aufwand könnte man sich sparen, wenn es eine spezialisierte Organisation gäbe, die sich um öffentliche Beschaffungen kümmert. Genau daran arbeit die Schweizerische Informatikkonferenz (SIK).

Mit E-Operations will die SIK eine Teilorganisation schaffen, die sich um Ausschreibungen kümmert und den Betrieb von IT-Systemen organisiert, wie Urs Jermann, Geschäftsleiter der SIK sagte. Der Betrieb soll über Dienstleister geschehen, die sich auf Ausschreibungen bewerben. Damit wollte Jermann möglichen Bedenkenträgern entgegentreten, die einen neuen teilstaatlichen IT-Dienstleister fürchten. "Wir sind keine Abraxas", betonte Jermann. "Wir werden keine Services selbst betreiben. Alles wird ausgeschrieben", versprach Jermann.

Derzeit arbeitet die SIK an der optimalen Rechtsform. In ein bis zwei Jahren soll E-Operations mit einem Teil der SIK-Mitglieder starten. Bis zur Gründung führt die Geschäfsstelle der SIK die Geschäfte, erklärte Jermann.

Mitmachen und effizienter werden

Der E-Umzug war das prominenteste Beispiel für eine schweizweit einsetzbare Lösung, die man nur einmal programmieren muss und dadurch hilft, Kosten zu sparen. Nicht nur bei der Entwicklung könnten Gemeinden voneinander profitieren. Auch bei der Organisation ihrer Serviceangebote auf Websites würden Gemeinden und Kantone gewinnen.

Reto Lindegger, Direktor des Schweizerischen Gemeindeverbands präsentierte eine Plattform, auf der Behörden von Gemeinden und Kantonen ihre Prozesse aufschalten können. Die E-Government-Prozessplattform von eCH ist gemäss Lindegger eine Bibliothek für Prozesse. Sie unterstütze beim Aufbau des Prozessmanagements. Der Mehrwert liege darin, dass Behörden ihre Servicequalität stetig verbessern könnten und effizienter würden. Man müsse diese Bibliothek aber auch pflegen. "Machen Sie mit", rief Lindegger die Besucher auf.

Die Kundenperspektive einnehmen

Viele Services von Gemeinden und Kantonen werden nicht gefunden. Ein Problem, dass mehrere Referenten unabhängig voneinander aufgriffen. Gemeinden produzieren also für viel Geld Services, die nachher von den Bürgern nicht gefunden werden. Ein Grund sei die mangelhafte Costumer Journey, erklärte Hans-Dieter Zimmermann von der Fachhochschule Sankt Gallen. Zimmermann ermpfahl eine kundenorientierte Sichtweise einzunehmen. Behörden müssten sich etwa beim Thema Umzug überlegen, wie ein Bürger vorgeht, der etwa nach einem Service für die Ummeldung sucht. Oft suchen die Bürger dann via Google. Das bedeutet, dass sich Gemeinden auch mit SEO-Optimierung auseinandersetzen müssten. Das Fazit von Zimmermann: Durch eine sinnvolle Kooperation bei der Erstellung dem Angebot von Anliegen-orientierten E-Gov-Leistungen liesse sich die Komplexität bisheriger E-Gov-Portale reduzieren. Und zwar zum Nutzen von Behörden und Bürgern.

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