Digitale Transformation von KMUs diskutiert

Digital Enterprise Forum Luzern feiert Premiere

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Wie können kleine und mittelgrosse Unternehmen ihre Geschäftsprozesse digitalisieren? Das haben Experten und Vertreter von KMUs am ersten Digital Enterprise Forum in Luzern diskutiert. Wie es um den digitalen Reifegrad Schweizer KMUs steht, zeigte eine Studie der Hochschule Luzern.

Nach dem Tag der Arbeit folgte der Tag der digitalen Transformation. Im Kunst- und Kulturzentrum Luzern (KKL) ist am 2. Mai das erste Digital Enterprise Forum des Beratungshauses Digital Enterprise über die Bühne gegangen. Gemäss dem Veranstalter soll das Forum KMUs Lösungswege für den Aufbau einer Digitalstrategie aufzeigen. Ein attraktives Konzept, wie es schien. Im Saal des KKL waren nahezu alle Sitze belegt. Im Foyer waren die Stände der Ausstellungspartner gut besucht und es wurde viel diskutiert. Ursprünglich hatten die Veranstalter einen Event für rund 150 Teilnehmer geplant. Am Ende waren es 300 Teilnehmer, die der VR-Präsident Herbert Matthys in seiner Keynote begrüssen konnte.

Die zahlreichen Gäste zeigten das starke Interesse und Bedürfnis von KMUs nach Digitalisierungslösungen auf. "Wir wollten eine praxisnahe Veranstaltung mit Referaten am Vormittag und am vielen Beispielen aus der Praxis am Nachmittag", erklärte Matthys das Konzept und fügte an: "Die zahlreichen Teilnehmer zeigen, dass es so ein Forum braucht."

Wie steht es um digitalen Reifegrad?

Das belegte Professor Markus Wyss von Hochschule Luzern. Wyss präsentierte die Zwischenergebnisse einer Studie zum digitalen Reifegrad von Schweizer KMUs. Rund 300 Unternehmen mit einem bis 500 Mitarbeiter nahmen an der Studie teil.

48 Prozent der untersuchten Unternehmen haben laut Wyss eine Digitalstrategie entwickelt. Der Forscher wies darauf hin, dass an der Studie eher Firmen teilnahmen, die sich mit der digitalen Transformation beschäftigen. Besonders weit (61 Prozent) sind Firmen, die sich auf den Schweizer Markt konzentrieren. Im Vordergrund stünden derzeit BI-Projekte (52 Prozent), gefolgt von Automationsprojekten (36 Prozent).

Firmen wollen ihr Geschäftsmodell anpassen

53 Prozent der befragten Firmen leiteten aus ihrer Strategie auch jährliche Ziele ab. Um diese zu erreichen, fördern 52 Prozent der Unternehmen Digitalisierungsprojekte besonders. Gut die Hälfte der befragten Firmen will das eigene Geschäftsmodell anpassen. 13 Prozent hingegen wollen ihr aktuelles Geschäftsmodell beibehalten.

Digitale Geschäftsstrategien erfordern oft agile Organisationstrukturen. Deshalb wollten die Forscher wissen, inwieweit die Firmen dezentral und agil aufgebaut sind. Nur 26 Prozent der Firmen sind komplett agil organisiert. Ausserdem zeigte sich: Je grösser ein Unternehmen ist, desto eher ist es agil aufgestellt.

Der feste Arbeitsplatz dominiert

Obwohl seit Jahren Experten und Interessengruppen mobiles arbeiten propagieren zeigt sich, dass viele Unternehmen auf fixe Arbeitsplätze setzen. 75 Prozent der an der Studie teilnehmenden Firmen unterhalten nach wie vor Büroarbeitsplätze. Luft nach oben hätten einige Unternehmen auch bei der Prozessautomatisierung, erklärte Wyss. Erst bei 12 Prozent der Firmen würden Prozessschritte vollautomatisiert erledigt.

Bei der Entwicklung digitaler Produkte sollte der Kunde im Zentrum stehen. Doch nur 5 Prozent der Unternehmen teilen mit ihren Kunden alle Informationen. Weitere 30 Prozent teilen die meisten Infos mit ihren Kunden. Diese werden der Studie zufolge auch in einem zu geringen Umfang in Innovationsprozesse eingebunden, wie etwa in die Entwicklung neuer Produkte und Services eingebunden.

Doch inwieweit bieten Firmen überhaupt digitale Produkte an? 60 Prozent der Firmen antworteten auf diese Frage mit nein. Unternehmen wollten zwar ihr Geschäftsmodell digitalisieren, bieten aber kaum Produkte und Services an, fasste Wyss die Lage zusammen.

Lieber keine Risiken eingehen

Ob das an der Risikobereitschaft liegt? Diese sei bei 35 Prozent nicht vorhanden und bei 44 Prozent gering, erklärte Wyss. Ein weiterer Hemmschuh sei, dass es oft auf der Chefetage eine Digitalstrategie gäbe, diese aber nicht oder kaum bei den Mitarbeitern ankomme.

Wyss kam zum Schluss, dass die meisten (48 Prozent) Firmen beim digitalen Reifegrad nach dem Modell der HSLU auf Stufe 1 von 5 stünden. "In der KMU-Landschaft muss sich noch etwas tun, damit die 48 Prozent in Richtung Stufe 5 bewegen“, sagte Wyss.

Günstige Technik eröffnet KMUs neue Möglichkeiten

Schützenhilfe erhielt Wyss von Marianne Jannik, Country Managerin von Microsoft Schweiz. Die Welt verändere sich durch technische Entwicklungen. In Folge entstünden neue Kundenbedürfnisse, die eine unternehmerische Transformation erforderten. Wichtig sei dabei, dass der Kunde im Mittelpunkt dieser neuen Geschäftsmodelle stehe, erklärte Jannik. Zu diesen neuen (digitalen) Modellen zählte Jannik Beispiele wie das Fintech Stripe oder der Zimmervermittler Air-BnB. "Wir sollten uns inspirieren lassen durch diese Bespiele“, sagte Jannik.

Unternehmen hätten verstanden, dass die digitale Transformation passiere und sie reagieren müssten. Die Frage sei derzeit wie? Eine Antwort heisst Technik. Diese sei heutzutage günstig. „Dinge, die vor wenigen Jahren noch teuer waren, sind heute auch für KMUs erschwinglich“, sagte Jannik und nannte als Beispiel Predictive Maintainance. Eine Technik, bei der Firmen über Sensoren und Software Maschinen überwachen können. Die Software schlägt dann etwa Alarm, wenn einem Bauteil der Verschleiss droht. Auf diese Weise lässt sich der Unterhalt von Maschinen planen und Unterbruch im Betrieb möglichst kurz halten.

Mitarbeiter in die digitale Transformation einbeziehen

Damit Unternehmen digitale Projekte angehen könnten, müssten sie ihren Mitarbeitern möglichst viele Informationen an die Hand geben und auch Kunden in die Produktentwicklung einbeziehen. Die digitale Transformation starte in den Geschäftsleitungen.

"Alles beginnt mit Kultur und Führung. Es sind jene Unternehmen sind am erfolgreichsten, bei denen die Digitalstrategie Chefsache ist, wo sich der Patron selbst drum kümmert", betonte die Microsoft-Chefin. Kleine Unternehmen hätten zudem einen grossen Vorteil. Denn einige Firmen täten sich deshalb schwer mit der digitalen Transformation, da sie "auf Tonnen an Legacy-Systemen sitzen". Das Problem hätten viele KMUs aber nicht. Daher könnten diese schneller ihr Business optimieren.

"Wir haben ein Silicon Switzerland"

Wir haben ein Silicon Switzerland, betonte Jannik zum Abschluss ihrer Rede. "Wir haben genügend Beispiele in der Schweiz für eine gelungene digitale Transformation." Ein solches Beispiel ist etwa Medela. Das Unternehmen hat sich auf junge Mütter und ihre Bedürfnisse während der Stillzeit spezialisiert.

Die Firma ist seit 50 Jahren am Markt und passte in den vergangenen Jahren sein Geschäft an die Bedürfnisse heutiger Mütter an. Diese suchen Rat im Web, tauschen sich in Foren aus oder nutzen Apps. Etwa wie die von Medela. Die App ist das Kernstück von Medelas Digitalstrategie. Eine junge Mutter kann in die App verschiedene Daten eintragen, etwa wie lange sie stillen möchte. Medela gibt dann Tipps zum Stillen und Abpumpen der Muttermilch mit der Milchpumpe von Medela.

Das soll Vertrauen und zusätzlich eine Kundenbeziehung aufbauen. "Digitalisierung ist wichtig, da Kunden bereits digital unterwegs sind", sagte Thomas Schärli, Head of Global Digital Business bei Medela. Die Kunden seien Mütter der Generation "Millenials". Diese erwarte personalisierte Produkte und eine Beziehung zum Hersteller.

Fehlerkultur ist wichtig

Medela gewann für seine Produkte und die Digitalstrategie mehrere Preise, wie etwa den Swiss Digital Transformation Award 2016. Dennoch glänzt auch bei Medela nicht alles. Schärli wies auch auf die Herausforderungen bei Medela hin. Die Digitalstrategie erfordere viel Geld für die kontinuierliche Weiterentwicklung der Technik. Die IT-Infrastruktur sei fragmentiert und dadurch komplex. Die Kommunikation mit den Kundinnen und deren Betreuung sei personalintensiv.

Die Kundinnen erzeugen Daten, welche Medela gerne auswerten würde. Hierfür musste sich das Unternehmen Experten ins Haus holen. Ausserdem musste der Hersteller auch manchen Rückschlag einstecken, wodurch etwa das Budget nicht eingehalten wurde. Schärlis Tipp: Firmen sollten eine Fehlerkultur entwickeln. "Man muss Rückschläge hinnehmen. Hierfür braucht man die Rückendeckung von oben."

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