Wie sich kulturelle Hürden bei einem IT-Sourcing-Projekt überwinden lassen
Der Erfolg eines IT-Sourcing-Projekts hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Dazu gehört auch die Kompatibilität der Unternehmenskulturen. Wie wichtig diese ist und welche Rolle die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitenden bei der Beseitigung von Inkompatibilitäten spielt, erklärt Christian Hitz, Dozent am Institut für Wirtschaftsinformatik an der ZHAW, im Interview.
Wie wichtig ist die kulturelle Kompatibilität bei einem IT-Sourcing-Projekt?
Christian Hitz: Diese Frage stellt sich nicht nur für IT-Sourcing-Projekte. Solange Sie sich in einem sozio-technischen System befinden, spielen kulturelle Aspekte nicht nur eine wichtige, sondern eine entscheidende Rolle. Edgar Schein beschrieb 1985 ein eindrückliches Modell der Organisationskultur, und dieses gilt als unbestritten in der Managementlehre. Die Mentalität der Menschen spielt dabei eine entscheidende Rolle für das Verhalten des Systems.
Abgesehen von der Sprache: Welche kulturellen Aspekte spielen bei der Wahl eines Sourcing-Partners eine Rolle?
Wenn Sie mit Sprache die Kommunikation meinen, dann lassen Sie gleich eines der wichtigsten Kriterien weg. Eine Unternehmenskultur leitet sich durch die Mentalitäten der Menschen in der Organisation ab. Diese können sich nur durch Wissensbildung und Kommunikation verändern. Es sind Debatten, die zur Veränderung der Mentalität und damit sekundär der Kultur führen. Kulturelle Aspekte werden in grossen Firmen in Codes of Conduct zusammengefasst. Man beschreibt damit zumindest ein Zielbild, wie man sich integer, respektvoll, ethisch etc. verhalten möchte. Dazu gehören auch Prinzipien der Arbeitskultur, des Umgangs mit den Kunden und der Kommunikationskultur. Ein Sourcing-Partner wird zweifellos nach den Kriterien eines gelebten Verhaltenskodexes ausgesucht und darf dem nicht widersprechen.
Was sind die wichtigsten kulturellen Faktoren, die bei der Planung eines IT-Outsourcing-Projekts zu berücksichtigen sind?
Es kommt auf die Perspektive des Unternehmens an. Dabei geht es um die inneren Beziehungen wie auch um die zum Sourcing-Partner. Es ist wichtig, zwischen allen Beteiligten ein Vertrauen zu schaffen. Solche Projekte führen zu einer Veränderung und diese muss als eine positive wahrgenommen werden. Landläufig sagt man, man müsse alle ins Boot holen. Dazu werden schon während der Planungsphase Workshops mit den Sourcing-Partnern veranstaltet, die aufzeigen, wie die Kommunikationskultur ist, ob man die Dinge in der Art der Projektabwicklung und beim Handling von Pendenzen (Issues) gleich sieht.
Welche Herausforderungen können durch kulturelle Unterschiede bei IT-Outsourcing-Projekten entstehen?
Die Herausforderungen würde ich eher in der inneren Sicht sehen. Sie zeigen sich in verschiedenen Formen der Zusammenarbeit. Eine fehlende Vertrauensbildung führt zu Abneigung oder auch zu Arbeitsverweigerung. Fehlt eine Definition der Kommunikation, in der auch Art und Stil definiert sind, führt dies zu Missverständnissen. Konflikte entstehen und diese können schlecht gelöst werden. Eine Situation, die man tunlichst vermeiden sollte.
Wie stellt man bei der Auswahl eines Outsourcing-Partners sicher, dass die kulturelle Kompatibilität gegeben ist?
Man führt ein Pilotprojekt durch. Man spielt im Kleinen einmal durch, wie sich so eine Zusammenarbeit anfühlen könnte. Neben der Zielerfüllung muss von beiden Seiten die Bereitschaft bestehen, die Kultur (die mentalen Modelle, die Mentalität) zu den oben genannten Aspekten der Kultur zu verändern. Mancher Sourcing-Partner hat aufgrund seiner Bestandskunden eine höhere Maturität in Sachen gelebter Unternehmenskultur als das beziehende Unternehmen. Es ist somit nicht nur ein Kennenlernen, sondern auch ein Lernen voneinander.
Spielt es beim kulturellen Match zwischen Sourcing-Partnern eine Rolle, ob es um In-, Near-, oder Offshoring geht?
Da gibt es Unterschiede. Je näher und spezifischer ein Projekt direkt das eigene Unternehmen betrifft, desto mehr fallen die kulturellen Aspekte ins Gewicht. Man könnte es auch von den Services her beschreiben und sagen: Je mehr hingegen ein bezogener Service reine Commodity ist, desto mehr können kulturelle Unterschiede ignoriert werden. Je mehr ein Service ein unternehmerisches Alleinstellungsmerkmal darstellt, desto wichtiger ist ein kultureller Match.
Welche Strategien bieten sich an, um kulturelle Barrieren bei IT-Outsourcing-Projekten zu überwinden?
Das Rezept ist nicht neu und ich sage das nicht nur aus Sicht der ZHAW, aber die bewährteste Strategie ist Aus- und Weiterbildung. Zudem sollte eine Firma Wissensmanagement betreiben und Mitarbeitende für Unternehmensveränderungen sensibilisieren. Wem das zu anstrengend erscheint, dem kann eine gewünschte Kultur vorgelebt werden.
Gibt es technologische Lösungen, um kulturelle Unterschiede bei IT-Outsourcing-Projekten zu überbrücken? Wenn ja, welche, und wie funktioniert das?
Ja, die gibt es, und diese versuchen nicht einen Unterschied zu überbrücken, sondern einen Match her- und sicherzustellen. Mit einer solchen technischen Lösung kann eine oben beschriebene Governance einer Kommunikation gut implementiert werden. Wenn Ihr Unternehmen in einer stark vertikalisierten Industrie tätig ist, dann ist das gar nicht anders möglich. Diese technischen Lösungen bilden sämtliche Prozesse ab. Der Nutzen einer gemeinsamen Informationsbasis, der Transparenz, aber auch der Behandlung von Pendenzen schafft letztlich Vertrauen und eben einen gelebten Code of Conduct. Heute gibt es eine Fülle solcher Kommunikations- und Kollaborationswerkzeuge, die auch Frameworks unterstützen.
Inwiefern kann man durch Schulungs- und Entwicklungsprogramme dazu beitragen, die durch kulturelle Inkompatibilität entstehenden Herausforderungen abzuschwächen? Und was sollte man dabei beachten?
Wie bereits angedeutet, sind solche Ausbildungsprogramme sehr wichtig und werden deshalb auch von unserer Hochschule als CAS angeboten. Dabei muss der Fokus aber generell auf die Organisation gelegt werden und nicht nur spezifisch auf Sourcing-Projekte. Es ist wichtig, dass sich Mitarbeitende ihrer eigenen Mentalität bewusst sind und wissen, dass sie damit die Unternehmenskultur ableiten. Die eigene Identität darf dabei unter keinen Umständen untergehen, was derzeit auch zu einer breiten Diskussion der Vielfalt der kulturellen Hintergründe führt. Einer der wichtigsten Bestandteile dabei ist das Vorleben dieser Kultur von der Führung des Unternehmens.
Lohnt es sich für ein Unternehmen überhaupt, kulturelle Differenzen mit dem Dienstleister auszuräumen, oder empfiehlt es sich eher, bei der Wahl eines Partners auf kulturelle Nähe zu setzen?
Es lohnt sich in jedem Fall. Diese Frage hängt von zwei wesentlichen Faktoren ab. Erstens geht es darum, wie wichtig der Serviceprovider für das eigene Geschäftsmodell ist, und zweitens, ob man überhaupt eine Wahl hat. In vielen Branchen und auch aufgrund gesetzlicher Vorschriften wird die Luft von Dienstleistern sehr dünn. Wenn das Unternehmen international ausgerichtet ist, dann ist die kulturelle Auseinandersetzung zwingend. Wir stellen fest, dass innerhalb einer Branche oft ein globales Village entsteht und sich eine Kultur, eine Community etabliert. Dann spielt es nicht mehr so eine Rolle, denn man spricht quasi schon den gleichen Jargon.
Outsourcing galt einst als Allheilmittel gegen den Fachkräftemangel. Wie sieht das heute aus?
Diese Meinung über Outsourcing hält sich in der Schweiz teilweise immer noch und ist auch der Grund, weshalb viele Schweizer Firmen in Sachen Outsourcing nicht richtig in die Gänge kamen. Sie hatten nicht verstanden, dass eine stark und tief vertikalisierte Wirtschaft ohne Outsourcing von IT wie auch Geschäftsprozess-Services gar nicht funktioniert. Oder anders gesagt, dass eine Firma, die das nicht früher oder später beherrscht, nicht mehr Teil der Wirtschaft sein wird. Es geht also nicht um Fachkräftemangel, sondern um die Wahl eines IT- respektive Geschäfts-Betriebsmodells, das jede Art von Supplier miteinbezieht. Deshalb sprechen wir bei unseren Weiterbildungsmodulen auch nicht nur von Outsourcing, sondern auch von Providermanagement. Glauben wir den Prognosen, dann findet derzeit ein Umdenken statt. Allein für das Wachstum im Schweizer IT-Outsourcing-Markt ist in den nächsten vier Jahren eine Verdoppelung prognostiziert.