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Und jährlich grüsst das Murmeltier

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Die kürzlich erfolgte Ankündigung des iPhone 7 macht deutlich: Entgegen der inflationär verwendeten Superlative bringen neue Smartphones primär Detailinnovationen statt technologischer Durchbrüche. Haben wir bereits das Ende der Smartphone-Fahnenstange erreicht?

Am 7. September wohnte ich dem Livestream zu Apples iPhone-7-Event bei und fühlte mich dabei wie Bill Murray einst in «Und täglich grüsst das Murmeltier» – der ganze Event als Déjà-vu-Erlebnis. Die Begrüssung machte wie seit fünf Jahren Tim Cook und im Direktvergleich deutlich, wie gross die Fussstapfen sind, die Steve Jobs als Keynote-Referent hinterlassen hat. Anschliessend meldete sich Chefdesigner Jony Ive per Video schwurbelnd zu Wort, in bestem Oxford-English und lasziver Langsamkeit. Und abschliessend präsentierte Phil Schiller im gewohnten Marketing-Superlativismus die Vorzüge des neuen iPhones.

Nicht nur das Setting hatte höchsten Wiedererkennungswert, sondern auch die Produktankündigung: ein neues iPhone mit einer schnelleren CPU, einer besseren Kamera und längerer Batterielaufzeit, neu auch in den Gehäusefarben Schwarz oder ganz Schwarz erhältlich. Der Applaus brandete nur bei der Präsentation der neuentwickelten In-Ear-Funkkopfhörer so richtig auf, welche die kommentierende Twitter-Schar an die Form eines Haarföns erinnerte. Doch ganz ruhig, liebe Fanboys, worauf ich hinauswill ist nicht Apple-Bashing, sondern die relevante Frage: Haben Smartphones innerhalb von weniger als zehn Jahren bereits eine derartige Maturität erreicht, dass beim Kernprodukt, im Gegensatz zu den Peripheriegeräten, nur noch Detailinnovationen möglich sind?

Kurbeln statt schwurbeln

Ein Blick auf die mittlerweile bereits 130-jährige Geschichte des Automobils hilft. Als Carl Benz 1886 sein gleichnamiges Automobil mit Verbrennungsmotor auf den Markt brachte, hatte dieses nur wenig gemeinsam mit den rund 4,5 Millionen Personenwagen, die aktuell zu Pass- und Staufahrten auf den Schweizer Strassen zugelassen sind. Erst durch technische Innovationen in der Entwicklung und Fertigung wurde aus dem Auto die bis heute anhaltende Erfolgsgeschichte.

Während mehr als 100 Jahren gelangen spektakuläre Innovationssprünge, von der elektrischen Zündung, die das Ankurbeln der Wagen überflüssig machte, bis hin zum vor mehr als 20 Jahren erstmals eingeführten und heute nicht mehr wegzudenkenden Navigationssystem. Doch allmählich erreichte das Automobil eine derart hohe Reife, dass nur noch Detailinnovationen wie Airbags, elektrische Fensterheber und Heckklappen möglich schienen. Dies änderte sich vor einem knappen Jahrzehnt, als ein Team innerhalb des branchenfremden Players Google sich ernsthaft an die disruptive Idee des selbstfahrenden Autos wagte.

Smartphone, quo vadis?

Was also wird die nächste disruptive Innovation beim Smartphone sein, und wem gelingt sie? Das modulare Handy ist es jedenfalls nicht. Google hat vor kurzem sein Projekt Ara beerdigt. Ein interessantes Szenario bietet Microsofts Vision des Smartphones als neuen PC (was allerdings bedingt, dass der freie Fall von Windows Mobile gestoppt werden könnte). Noch wissen wir es also nicht und es bleibt spannend. Eines hat aber die Geschichte des Automobils gelehrt: In der Regel ist es nicht derjenige Akteur, der die erste Innovationswelle kreierte, dem auch die zweite Welle der Disruption gelingt. Im Falle von Apple unter Tim Cook jedenfalls – so viel Bashing sei mir erlaubt – möchte man fast darauf wetten.

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