Wild Card von Daniel Liebhart

Die Stadt der Zukunft – gewoben oder verbunden?

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von Daniel Liebhart

Smart City auf dem Reissbrett – mit "Woven City", einem Projekt von Toyota, wird ein neuer Versuch gestartet, unseren Lebensraum der Zukunft zu gestalten. Ob das wohl gutgeht?

Daniel Liebhart (Source: Netzmedien)
Daniel Liebhart (Source: Netzmedien)

"Woven City" – gewebte Stadt – eine Stadt der Zukunft als Versuchslabor. Das hat Akio Toyoda, der CEO von Toyota, an der CES (Consumer Electronic Show) 2020 angekündigt. "Eine Stadt, in der Leute leben, arbeiten, spielen und an einem lebendigen Labor beteiligt sind." Knapp ein Quadratkilometer gross soll sie werden und dazu dienen, Forschern, Wissenschaftlern und Ingenieuren die Gelegenheit zu bieten, Smart-City-Technologien in der Realität zu testen. Selbstverständlich möchte Toyota seinen CASE-Ansatz – Connected, Autonomy, Shared and Electric – umsetzen. Darüber hinaus sollen jedoch weitere Technologien wie KI, Robotik, nachhaltige Energie und Hightech-Werkstoffe zum Einsatz kommen. Die Stadt ist in einer ersten Phase für 2000 Personen ausgelegt und vom visionären Architekten Bjarke Ingels konzipiert worden. Sein Büro, das sich ganz unbescheiden BIG (Bjarke Ingels Group) nennt und zu den 50 grössten Architekturbüros der Welt gehört, steckt hinter Zukunftsentwürfen wie etwa der "Oceanix City", einer schwimmenden, sich selbst versorgenden Stadt für 10 000 Personen.

Gewobenes Layout

Das grundlegende Layout ist durch die Trennung der Verkehrsströme in drei Ausprägungen bestimmt. Sämtliche Stadtteile sollen entweder durch reine Fussgängerwege, die wie ein "linearer Park" gestaltet werden, durch "urbane Promenaden" für den Langsamverkehr oder jedoch durch grosse Strassen für den schnellen Transport erreichbar ein. Alle drei Varianten bilden zusammen ein gewobenes Netz. Der Werbefilm zeigt eine ideale Stadt, in der es sich entspannt leben lässt. "Woven City" ist längst nicht das einzige Projekt, das die Stadt der Zukunft sein möchte. Projekte wie Freiham in der Nähe von München, einer Trabantenstadt für 20 000 Personen, die Seestadt Aspern in der Nähe von Wien oder New Ordos – Kangbashi in China für 300 000 Personen sind nur drei weitere Beispiele. Weltweit werden viele solche neuen Städte geplant. So interessant, technologisch ausgereift und vielversprechend solche Vorhaben sind, sie alle kämpfen mit einer grossen Schwierigkeit. Der emittierte Professor für Städtebau Tom Sieverts formulierte es vor drei Jahren so: "Wir meinten, wenn man gute Häuser, gute Wohnungen (... und gute Verkehrswege) baut, dann macht man auch gute Menschen. Und es hat sich dann sehr bald herausgestellt, dass das nicht der Fall ist." Das Resultat: eine Vielzahl intelligent geplanter Retortenstädte, die weit davon entfernt sind, attraktive und lebendige Lebensräume zu sein.

Unsere Städte sind die Smart Citys der Zukunft

Wenn der Bau von technologisch ausgereiften Städten eine Sackgasse darstellt, dann bleibt nur eines: Unsere bestehenden Städte müssen Schritt für Schritt in Richtung Smart City umgebaut werden. Solche Projekte wie etwa "Smart Santander" oder "Smart Chicago Collaborative" und Initiativen wie "Smart City Schweiz" oder "Smart City Wien" sind weitaus weniger spektakulär wie die "Woven City" von Toyota. Sie zeigen jedoch, wie wir modernste Technologien mit gewachsenen Strukturen verbinden können. Mit ICT-basierten Innovationen, die typische Probleme einer modernen Stadt auf Basis einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit hier und heute lösen helfen. Klugerweise werden dabei die Erkenntnisse aus solchen Versuchsprojekten mit einbezogen. Eines ist jedoch klar: Die Smart City der Zukunft kann nicht als Lösung auf dem Reisbrett entstehen.

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