Stand der Datenpolitik in der Schweiz
Datenpolitik dreht sich um die rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Fragen, die mit der Nutzung von Daten verbunden sind. Die Nutzungsperspektive ist entscheidend. Seit den 1970er- und 1980er-Jahren dominiert aber fast ausschliesslich die Schutzperspektive die politische Diskussion um das Thema Daten.
Niemand wird bestreiten, dass der Datenschutz enorm wichtig ist. Mit dem revidierten Datenschutzgesetz, das demnächst in Kraft tritt, zieht die Schweiz mit den entsprechenden Regelungen der EU gleich. Damit ist zumindest in diesem Bereich die gleichberechtigte Beteiligung unserer Firmen, Verwaltungen und weiterer Organisationen an der europäischen Datenwirtschaft gewährleistet. Aber reicht das? Die weltweite Datenmenge wächst explosionsartig, insbesondere dank der Ausbreitung des Web, der smarten mobilen Geräte und des Internet of Things. Globale digitale Plattformen haben uns in den vergangenen 20 Jahren vor Augen geführt, welches riesige wirtschaftliche Potenzial in den Daten schlummert. Damit rückt die Frage, wer wann Daten sammeln und zu welchem Zweck wiederverwenden darf, ins Zentrum der datenpolitischen Diskussion.
Die Coronapandemie hat aber auch schmerzhaft verdeutlicht, dass Daten auch einen existenziellen gesellschaftlichen Stellenwert besitzen. Nur mit den richtigen Daten zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind wir in der Lage, Krisen zu bewältigen oder etwa Massnahmen gegen den Klimawandel zu planen. Datenpolitik muss sich daher nicht nur mit den Gefahren des Missbrauchs personenbezogener Daten beschäftigen, sondern auch mit dem Risiko, diese und andere Daten nicht zu nutzen.
In der Schweiz befinden sich verschiedene Projekte zur sektoriellen Datennutzung in der Planungs- oder Pilotphase. Besonders erwähnswert ist die nationale Mobilitätsdateninfrastruktur, die im Rahmen eines Mobilitätsdatengesetzes in den nächsten Jahren aufgebaut werden soll. Die Vernehmlassung der Vorlage des UVEK wurde Anfang Mai abgeschlossen und wir warten gespannt auf die Ergebnisse. Analoge Pläne für eine nationale Dateninfrastruktur gibt es im Energiebereich, im Tourismus und in anderen Sektoren. Das Bundesamt für Statistik BFS lancierte vor zwei Jahren unter der Bezeichung "Nationale Datenbewirtschaftung" Pilotprojekte zur besseren Mehrfachnutzung von Verwaltungsdaten. Der Ständerat verabschiedete in der Sommersession das Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBaG) und schuf damit eine rechtlich verbindliche Grundlage für Open Government Data. Der im Mai publizierte Bericht des Bundesrats "Bessere Nutzung von Gesundheitsdaten für eine qualitativ hochstehende und effiziente Gesundheitsversorgung" in Erfüllung des Postulats Humbel aus dem Jahr 2015(!) fasst (wohl auch unter dem Eindruck der Coronapandemie) den Aufbau eines "Nationalen Systems zur Weiterverwendung und Verknüpfung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken" ins Auge.
Auf sektorieller Ebene läuft also einiges. Es fehlt aber die Gesamtsicht auf Bundesebene. Es besteht die Gefahr, dass die Nutzung der Daten in der Schweiz in isolierten partikulären Initiativen und ohne Bezug zu den Entwicklungen im europäischen und weiteren internationalen Umfeld steckenbleibt. Es braucht daher eine nationale Datenstrategie mit den folgenden Schwerpunkten: 1. Eine gemeinsame Vision und ein übergeordneter Rahmen für die Entwicklung interoperabler sektorieller Datenräume in der Schweiz und deren Zusammenspiel mit den europäischen Datenräumen. 2. Eckwerte der rechtlichen Grundlagen für die Datennutzung mit Bezug zu den bereits vorhandenen partikulären Schweizer Datengesetzen sowie zu den Daten-Regulierungen der EU. 3. Finanzierungskonzepte für die Entwicklung und den Betrieb sektorieller und übergreifender Infrastrukturen für die Datenpublikation und -nutzung auf nationaler, kantonaler, regionaler und lokaler Ebene.