Editorial

Ein Jahr ChatGPT

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Marc Landis, Chefredaktor. (Source: Netzmedien)
Marc Landis, Chefredaktor. (Source: Netzmedien)

Vor nur einem Jahr hat OpenAI mit ChatGPT die Welt verändert. Ich schrieb damals, dass ich den Begriff «Gamechanger» sonst nie verwende und dass nichts mehr so sein werde wie zuvor: Bildung, Arbeit, Kommunikation. Und ich bleibe dabei; denn im Vergleich zu anderen Hypes in der Vergangenheit ist derjenige um ChatGPT nicht verflogen. Nach OpenAI haben auch andere Techfirmen ihre KI-Assistenten präsentiert: Google Bard, Microsoft Copilot, Meta Llama, ­Anthropic Claude. Und auch wenn viele wichtige Fragen zu grossen Sprachmodellen noch offen sind: Sie werden nicht wieder verschwinden! Denn ChatGPT hat sich in Windeseile als wertvolles Werkzeug in verschiedenen Bereichen etabliert. Von der Beantwortung komplexer Fragen in Echtzeit bis hin zur Erstellung von Inhalten – die Fähigkeiten von ChatGPT haben die Grenzen dessen neu definiert, was wir von künstlicher Intelligenz erwarten. 

Es ist klar, dass wir eine noch engere Integration von generativer KI in unseren Alltag erleben werden. Ausserdem werden ChatGPT und seine Nachfolger um Potenzen intelligenter, anpassungsfähiger werden und in der Lage sein, noch komplexere Aufgaben zu übernehmen. Es stellt sich die Frage, welcher Bereich des menschlichen Denkens in Zukunft nicht durch KI unterstützt werden wird. Und wird dies dazu führen, dass wir mehr, weniger oder einfach nur anders denken? Wie steht es generell um die Zukunft von Wissensarbeit? Sehen wir heute bereits Auswirkungen von KI und wie sie eine Spur der Verwüstung in bestimmten Branchen und Berufen zieht? In einer Untersuchung nennt das US-amerikanische Pew Research Center einige Berufe, die durch KI bedroht sind: Bauzeichner, Biologisch-technische Fachkräfte, Buchhalter, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Gerichtsschreiber, Informatik-Ingenieure, juristische Hilfskräfte und Assistenten, Designer, Kreditprüfer, Lektoren, Mitarbeiter für die Datenerfassung, Sachbearbeiter für Lohnbuchhaltung und Zeiterfassung … 

Ein Jahr ChatGPT hat gezeigt, dass wir wohl an der Schwelle zu einer neuen Ära der Mensch-Maschine-Interaktion stehen. Wir stehen aber erst am Anfang einer spannenden Reise, und es bleibt abzuwarten, wie ChatGPT und vergleichbare Technologien unsere Welt in den kommenden Jahren verändern werden. «Die Entwicklung einer vollwertigen künstlichen Intelligenz könnte das Ende der Menschheit ­bedeuten», sagte der 2018 verstorbene Physiker Stephen Hawking schon 2014 in einem Interview. 

Politik und Gesellschaft sind gefordert, die Rahmenbedingungen so zu definieren, dass der Einsatz von generativer KI nutzenstiftend bleibt und sicher wird. Eine der wichtigsten Herausforderungen im Umgang mit generativer KI wird darin bestehen, ein Gleichgewicht zwischen dem Nutzen der Technologien und dem Schutz unserer Grundwerte zu finden.

Diese Printausgabe der «Netzwoche» ist die letzte in diesem Jahr. In gedruckter Form lesen Sie uns wieder am 24. Januar 2024. In der Zwischenzeit versorgt sie die Netzmedien-Online-Redaktion mit den wichtigsten und spannendsten News und Hintergründen der ICT-Branche. Es bleibt mir, Ihnen alles Gute für die Festtage und für 2024 zu wünschen.

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