63. Handelstagung des Gottlieb Duttweiler Instituts

Das Ende des Wachstums ist nicht das Ende des Handels

Uhr | Aktualisiert

An der 63. Handelstagung des Gottlieb Duttweiler Instituts diskutierten gestern Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft die Zukunft des Handels. Trotz pessimistischer Prognosen überwogen die optimistischen Töne.

Die Forrester-Analystin Sucharita Malpuru glaubt, dass Multichannel "the new black" des Handels ist.
Die Forrester-Analystin Sucharita Malpuru glaubt, dass Multichannel "the new black" des Handels ist.

Mit der Finanzkrise ab 2008 hat die Frage nach einem möglichen Ende des Wachstums erneut Auftrieb bekommen. Das Gottlieb Duttweiler Institut widmete die diesjährige Handelstagung dem Thema und lud zur seiner Erörterung Wissenschaftler, Analysten, innovative Unternehmer und krisenerprobte Manager ein.

Pessimistische Einschätzungen der Wissenschaft

Publikumsmagnet und Auftakt der Tagung bildete das Referat des US-Ökonomen Robert J. Gordon zur Lage und zum Entwicklungspotential der US-amerikanischen Wirtschaft. Wie Gordon erklärte, hat das Schreckgespenst des Nullwachstums in den Vereinigten Staaten grundsätzlich nichts mit einer mangelnden Innovationsfähigkeit zu tun. Vielmehr würde die Wirtschaftsaktivität durch die wachsende soziale Ungleichheit, die staatliche Verschuldung, den Rückgang der arbeitsfähigen Bevölkerung und die steigenden Bildungskosten verlangsamt.

Aufgrund der verschiedenen bremsenden Faktoren erwartet Gordon, dass sich die US-Wirtschaft die nächsten Jahrzehnte auch im Falle bahnbrechender Innovationen weniger schnell als bisher entwickeln wird. Gordon denkt auch, dass es nicht leicht sein wird, fundamentale technologische Revolutionen wie diejenigen, die das 20. Jahrhundert kennzeichneten, zu wiederholen. So sollen derzeit führende Technologien wie Big Data und intelligente Roboter nicht dasselbe Transformationspotential haben wie die Erfindung des PCs oder der Elektrizität. Zwar sei Big Data für Marketingzwecke hilfreich, doch würde es längerfristig nur Marktanteile umverteilen. Genauso skeptisch zeigte sich Gordon gegenüber fahrerlosen Autos. Diese stellen ihm zufolge zwar einen Fortschritt dar, doch sei dieser nicht mit der Erfindung des Automobils zu vergleichen.

Noch pessimistischer schätzt der Ökonom aber die europäische Wirtschaft ein. Diese werde sich künftig weniger schnell als die Volkswirtschaft der Vereinigten Staaten entwickeln. Die geringere Dynamik der europäischen Wirtschaft hängt gemäss Gordon mit regulatorischen Bestimmungen zusammen - wie beispielsweise die unflexiblen Ladenöffnungszeiten, die rigide Zonenplanung und der ausgeprägter Schutz der Arbeitnehmer.

Omnischannel ist "the new black"

Optimistischer skizzierte die Forrester Analystin Sucharita Mulpuru-Kodali an der gestrigen GDI-Tagung die Zukunft des Handels. Viel Entwicklungspotential hat gemäss Mulpuru, die beim renommierten Technologieforschungsunternehmen den Bereich E-Commerce leitet, gegenwärtig besonders der Omnichannel: "Omnichannel is the new black", kündigte Malpuru das neue Handelsparadigma an. Der Handel auf allen Kanälen wird gemäss Mulpuru durch die massive Verbreitung der Mobiltelefone vorangetrieben. Erst mit diesen lasse sich ohne weiteres von einem Kanal zu anderen wechseln und eine eigentliche Interaktivität herstellen.

Doch auch ortsgebundene Grössen werden der Analystin zufolge den Handel in Zukunft beleben. So sollen Restaurants die neuen Ankermieter in Einkaufszentren sein, da sie Entspannung und genussvolle Momente versprechen. Generell empfiehlt die Analystin wieder "Gemischtwarenläden" einzuführen. Heterogene Läden sollen neue Kundschaft anlocken. Selbst krisengebeutelte Buchläden würden stationär wieder eine Chance haben, wenn sie in ihren Räumlichkeiten andere Dienstleistungen wie Rechtsauskünfte oder Yogastunden anbieten.