Interview mit Mariateresa Vacalli, Director Partner Relations & MVNO bei Sunrise.

"Den Kreditkartenanbietern bleibt nichts anderes übrig, als der Entwicklung zu folgen"

Uhr | Aktualisiert
von Rodolphe Koller

Alle Schweizer Anbieter führen derzeit Pilotprojekte im Bereich NFC-Zahlung durch. Mariateresa Vacalli, Leiterin dieser Projekte bei Sunrise, erläuterte unserer Westschweizer Redaktion anfang Juli die Ziele dieser Tests und die Aussichten bezüglich der Akzeptanz der NFC-Zahlung in der Schweiz.

Mariateresa Vacalli, Director Partner Relations & MVNO bei Sunrise. (Quelle: www.martinjoppen.de)
Mariateresa Vacalli, Director Partner Relations & MVNO bei Sunrise. (Quelle: www.martinjoppen.de)

Frau Vacalli, Sunrise hat ein Pilotprojekt im Bereich mobile Zahlung gestartet. Was genau beinhaltet es?

Wir arbeiten als ganzes Team an diesem Projekt. Die derzeit durchgeführten Tests betreffen nur die technischen Aspekte der mobilen Zahlung. Wie auch andere Anbieter wollen wir unsere eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln. Diese Phase müsste in ein paar Monaten abgeschlossen sein. Danach wird es darum gehen, die zahlreichen operationalen Aspekte dieser neuen Zahlungsform zu betrachten. Unter anderem müssen unser CRM und unsere Vertriebskanäle angepasst und Supportprozesse entwickelt werden, vor allem im Fall des Verlusts der SIM-Karte.

Wie funktioniert die derzeit von Ihnen getestete Lösung konkret?

Eines der wichtigsten Elemente der Lösung ist der Trusted-Service-Manager-Server, der sich bei uns sowie beispielsweise beim Kreditkartenanbieter befindet und sich allen relevanten Sicherheitsaspekten der Zahlung und Identifikation widmet. Mit dem Server lässt sich der Anwender over the air, also kabellos über seine SIM-Karte identifizieren, aktivieren und deaktivieren. Die SIM-Karte übernimmt dabei die Rolle des Identitätsmoduls. Bei der von den Telkoanbietern bevorzugten Lösung wird eine NFC-SIM-Karte eingesetzt, die Kontakt zum Zahlungsterminal aufnimmt. Damit diese Kommunikation möglich ist, muss auch das Smartphone NFC-fähig, das heisst mit einem spezifischen Port ausgestattet sein. Schliesslich erfordert die Lösung, dass der Verkäufer über ein Zahlungsterminal verfügt, das über NFC kommunizieren kann. Dies ist bereits der Fall bei Geräten, die das Paypass- System von Mastercard verwenden, wie zum Beispiel bei Valora und McDonald’s. Das technische Zusammenspiel dieser Abläufe testen wir derzeit.

Arbeiten Sie mit den anderen Akteuren des Ökosystems zusammen?

Im Bereich SIM-Karten mit NFC arbeiten wir eng mit dem Branchenprofi Oberthur Technologies zusammen. Wir treffen uns ausserdem regelmässig mit Swisscom und Orange im Rahmen einer Arbeitsgruppe, in der hauptsächlich über technische Standards diskutiert wird. Wir müssen verhindern, dass jeder Schweizer Telkoanbieter sein eigenes Süppchen kocht, und wir orientieren uns auch an den europäischen Standards, um zu gewährleisten, dass unsere Lösungen auch über unsere Landesgrenzen hinaus kompatibel sind. Abgesehen von den Telekommunikationsanbietern tauschen sich alle beteiligten Organisationen informell aus, vor allem die Schweizer Finanzinstitute, die auch Kreditkarten anbieten. Allgemein gesagt befindet sich der Schweizer Markt in einer Phase der Definition und der Pilottests und wir möchten keine Lösungsmöglichkeit für die Zukunft ausschliessen.

In Ihrem aktuellen Pilotprojekt ist die SIMKarte an eine Kreditkarte gebunden. Welche Optionen ziehen Sie noch in Erwägung?

In unserem Pilotprojekt sind wir auf die Kreditkarte festgelegt, aber in Zukunft geht die Entwicklung wohl hin zu einem richtigen elektronischen Portemonnaie. Der Kunde hat dann die Wahl zwischen verschiedenen Kreditkarten, aber es wird auch andere Zahlungsmöglichkeiten geben wie zum Beispiel die Zahlung über die Telefonrechnung bei kleineren Beträgen oder auch die Vorauskasse. Das elektronische Portemonnaie wird auch andere Elemente enthalten, wie Karten und Treuebons. All diese Möglichkeiten stehen offen und allein der Endkunde wird entscheiden.

Welche Unterschiede gibt es zwischen Ihrem System und der Lösung Google Wallet?

Die Lösung von Google beruht auf einer in das Gerät integrierten NFC-Antenne und nicht auf der SIM-Karte. Meiner Meinung nach erfüllt das von uns bevorzugte System besser die Sicherheitserwartungen der Kunden, die die SIM-Karte physisch zerstören können, wenn sie sichergehen wollen, dass niemand eine Transaktion in ihrem Namen durchführen kann, wie es mit einer Kreditkarte möglich wäre. Die Lösung Google Wallet könnte übrigens gut parallel zu unserem System verwendet werden, zum Beispiel bei amerikanischen Anwendern zu Besuch in Europa.

Die Übernahme der mobilen Zahlung in der Schweiz hängt von den Entwicklungen der anderen Akteure ab, wie beispielsweise der Smartphone-Hersteller und vor allem auch der technischen Ausstattung der Geschäfte. Wie schnell werden diese Entwicklungen Ihrer Ansicht nach erfolgen?

Ich glaube, dass die Telekommunikationsanbieter die treibende Kraft hinter diesem Geschäftsfeld sind, denn sie haben ein klares Interesse daran, ihren Kunden neue Dienste über ihr Handy anzubieten. Den Kreditkartenanbietern bleibt nichts anderes übrig, als dieser Entwicklung zu folgen. Was die Mobiltelefone betrifft, so meine ich, dass bis 2013 alle Hersteller NFC-fähige Geräte anbieten werden. Schliesslich hängt die Übernahme dieser neuen Zahlungsform in der Tat von der Anzahl der Geschäfte ab, die sie akzeptieren. Sobald diese Branchenführer zum NFC-System übergehen, haben wir die kritische Masse erreicht, die für eine umfassende Akzeptanz notwendig ist. Die kleineren Geschäfte folgen dann sicher später nach.