Aus der aktuellen Ausgabe

Fleurop-CIO: "Wir erwarten gute Leistungen, akzeptieren aber auch, dass die ihren Preis haben"

Uhr | Aktualisiert
von René Mosbacher

Stefan Iseli, Leiter Informatik bei Fleurop-Interflora, erklärt, warum er seinen Webshop von einem Outsourcing-Partner in Belgien zu einem in der Schweiz migriert hat.

Stefan Iseli leitet die interne Informatik beim Blumenversand Fleurop-Interflora Europa.
Stefan Iseli leitet die interne Informatik beim Blumenversand Fleurop-Interflora Europa.

Herr Iseli, Sie haben vor kurzem Ihren Webshop von einem ausländischen Outsourcing-Partner zu einem in der Schweiz migriert – was ist das für ein Gefühl?

Nach so einer Übung hofft man eigentlich, dass man wieder gut schlafen kann. In dieser Hinsicht bin ich momentan zufrieden, es läuft ruhig.

Wie lange läuft der Shop schon auf der neuen Plattform, und was ist in dieser Zeit passiert?

Der Shop läuft seit letztem Herbst in Glattbrugg. In den ersten Wochen galt es, einige Störungen zu bewältigen. Wir hatten beispielsweise einen Fehler in der Load-Balancer-Software, was uns zwei ziemlich interessante Tage beschert hat. Während dieser Zeit war das System häufig nicht ansprechbar. Aber solche Sachen sind fast nicht zu vermeiden, wenn man Systeme migriert oder neu in Betrieb nimmt. Seitdem wir die Anfangs­probleme hinter uns haben, läuft alles im Grossen und Ganzen recht gut.

Was war denn der Grund für den Umzug des Webshops?

Wir waren mit unserem belgischen Provider einfach nicht zufrieden. Es gab sehr viele Diskussionen um Verträge und Leistungen. Teilweise haben wir Leistungen überhaupt nicht erhalten. Am Ende wurde immer klarer, dass wir dort weg mussten. Dann kam die obligate Frage, ob wir den Shop künftig selbst betreiben, also insourcen, oder einen besseren Outsourcing-Partner suchen sollen.

Angesichts der Grösse unserer Organisation und der hohen Anforderungen an die Verfügbarkeit unseres Shops war aber rasch klar, dass nur ein Outsourcing infrage kommt. Ein wichtiger Grund hierfür war sicher das Staffing. Wenn Sie ein solches rund um die Uhr verfügbares System selbst betreiben wollen, müssen Sie für das Personal eine halbe bis eine Million im Jahr veranschlagen. Für ein KMU wie wir eines sind, ist das einfach zu teuer. Die Komplexität solcher Systeme ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Sie müssten Fachleute fürs Netzwerk, fürs Load Balancing und für die Middleware haben.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Informationssicherheit. Es ist ja bekannt, dass hier immer wieder dieselben Fehler passieren, wenn Sie nicht eine klar definierte Stelle haben mit klar definierten Personen, die dafür zuständig sind. Schliesslich spricht auch die Zuverlässigkeit des Netzwerk­anschlusses fürs Outsourcing. Wenn Sie Ihren Shop selbst betreiben, haben sie einen, bestenfalls zwei Internetprovider. Wenn Sie ihn in einem Rechenzentrum betreiben lassen, haben Sie plötzlich die Zugänge von vier und mehr Providern zur Verfügung.

Wie lange waren Sie denn bei Ihrem alten Provider?

Wir haben verschiedene Stufen von Outsourcing betrieben. Zuerst haben wir nur gewisse Hosting-Services eingekauft. So lief die Software, die vor allem die Floristen bedient, schon seit einigen Jahren dort. Die Webshops haben wir aber nur etwa eineinhalb Jahre lang in Belgien betreiben lassen.

Also ein relativ kurzer Ausflug.

Ja, das kann man so sagen. Er war aber schmerzhaft und teuer.

Warum sind Sie am Ende in der Schweiz ­gelandet? Man könnte das woanders ­bestimmt billiger haben.

Wie so oft: Man trifft zufällig jemanden, der jemanden kennt ... So sind wir in Kontakt mit unserem jetzigen Partner Nexellent gekommen. Für uns stand aber ohnehin nie zur Diskussion, den billigsten Anbieter zu finden. Wir erwarten gute Leistungen, akzeptieren aber auch, dass die ihren Preis haben. Wir sind ja bei den Blumen auch nicht die Billigsten. In unserem Geschäft ist Qualität ein wichtiges Merkmal.

Zudem haben wir beim alten Provider deutlich vor Augen geführt bekommen, dass billig oft wenig oder gar keine Leistung bedeutet. Das führt in einer Umgebung wie der unseren zu Ausfällen, und die sind am Ende immer teuerer. Die Hosting-Kosten sind in unserem Fall nicht ausschlaggebend. Das Wesentliche für uns ist die Verfügbarkeit. Wir haben in Europa viele Angebote geprüft, die Schwellenländer hingegen waren von Anfang an ausgeschlossen. Interessanterweise haben wir festgestellt, dass vergleichbare Angebote aus dem europäischen Ausland nicht nennenswert billiger waren als die aus der Schweiz.

Wie das?

Serverlösungen kosten überall etwa gleich viel. Und Dienstleistungen sind in Europa preislich etwa auf vergleichbarem Niveau. Aber es gibt auch Aspekte jenseits des Geldes. Wenn Sie Ihren Dienstleister in der Nähe haben, bekommen Sie eher persönliche Kontakte. Man spricht dieselbe Sprache. Man hat ähnliche Vorstellungen von Qualität. Wer schon mit Schwellenländern gearbeitet hat, weiss, wie wertvoll das sein kann.

Was waren die heiklen Punkte beim Migrieren des Webshops?

Die zentrale Frage lautete: Wie bringt man einen laufenden Webshop von Belgien in die Schweiz? Ausfälle sollten dabei möglichst vermieden werden. Es geht um eine Datenbank mit rund 300 GB Daten. Wenn ich die übers Netzwerk transferierte, müsste ich den Shop ein Wochenende ausser Betrieb setzen. Das können wir uns aber nicht leisten. Deshalb haben wir einen Weg über Datenbankspiegelung gewählt. Wir haben also ein frisches Back-up in der Schweiz installiert und die Datenbanken zuerst zwei, drei Wochen lang asynchron gespiegelt. Nachdem das gut gelaufen war, haben wir auf synchrone Spiegelung umgestellt. Das war etwa eine Woche vor der Migration. Auch das lief erstaunlich gut.

Anschliessend haben wir den Datenbankmaster in die Schweiz gesetzt und den Slave in Belgien betrieben. Mit dieser Konfiguration lief alles über die VPN-Leitung mit 20 Mbit/s zufriedenstellend. Dann haben wir die DNS-Einträge auf den Schweizer Server umgestellt und sind prompt auf die Nase gefallen. Grund war ein Fehler in der Firewall, der den Verkehr zwischen der Datenbank und dem Webserver hier in der Schweiz unterbrochen hat. Darauf haben wir alles wieder zurückgestellt. Eine Woche später, nachdem der Fehler in der Firewall behoben worden war, haben wir noch einmal umgestellt, diesmal erfolgreich.

Wie lange hat die ganz Migration gedauert?

Ich schätze etwa drei Monate. Sehr intensiv war der letzte Monat, als wir die Server und Applikationen hier eingerichtet hatten.

Wie exponiert ist ein Online-Blumenladen, was Internetkriminalität angeht?

Bezüglich betrügerischer Bestellungen sind wir etwa gleich gefährdet wie jeder andere Webshop – also auf sehr tiefem Niveau. Die Zahlungen laufen in der Regel über Kreditkarten und sind für uns recht risikolos. Dort, wo wir Bestellungen auf Rechnung erlauben, läuft im Hintergrund eine Bonitätsprüfung. Wichtiger sind Attacken, beispielsweise vom Typ DDOS. Dagegen kann man sich nicht allzu gut schützen. Aber gottlob blieb es in den letzten Jahren verhältnismässig ruhig.

Kundendatendiebstahl ist ein weiteres Thema. Für solche Angriffe sind wir allerdings eher uninteressant, weil wir keine Kreditkartendaten speichern. Einmal hatten wir Phishing-Attacken über unseren Namen. Dem beugen wir etwa vor, indem wir keine Frames auf den Websites erlauben.

Wie sind Sie eigentlich organisiert?

Wir sind die Dachgesellschaft von 16 europäischen Ländern. Dabei ist wichtig zu wissen, dass wir, die Fleurop-Interflora EBC AG, diesen 16 Ländergesellschaften gehören. Wir sind also eine Serviceorganisation. Als solche arbeiten wir im Verbund mit den zwei anderen Serviceorganisationen für den Commonwealth und für Nord- und Südamerika. Jede dieser Regionen ist wiederum zu einem Drittel an der Dachorganisation Fleurop-Interflora beteiligt.

Das klingt ja aus Sicht des Datenverkehrs ­relativ kompliziert.

Das ist kompliziert! Bei uns gibt es kein Hauptquartier, das bestimmt, was wie gemacht wird. Wenn man etwas zusammen macht, beruht das auf gemeinsamer Vernunft. Das heisst in der Realität: Es werden Schnittstellen definiert. Sie können sich das ähnlich vorstellen wie das, was die Banken mit Swift betreiben. Wir haben ein internationales Messagingsystem, über das wir unsere Bestellungen hin- und herschicken.

Die Technik hat sich natürlich über die Jahre verändert. In den Anfangszeiten wurden die Bestellungen noch via Telegramm verschickt, später dann via Fax und heute via Web. Es gibt aber unter unseren 40 000 Mitgliedern noch immer solche, die keinen Computer haben. Die werden auch heute noch mit Fax angeschrieben.

Wie laufen die Finanztransaktionen?

Wir fungieren als das Clearinghaus für Europa, und unsere zwei Partnerorganisationen erfüllen dieselbe Funktion für den Commonwealth und Amerika. Diese Dienstleistungen sind eigentlich unsere Hauptaufgabe. Ausserdem bieten wir unseren Ländergesellschaften auch Dienstleistungen beim Aufbau und Betrieb von Webshops an.

Wenn ich die verschiedenen lokalen Web­shops in Europa ansehe, finde ich kaum ­etwas, das an Corporate Design erinnern würde. Ist das gewollt oder ein Resultat der heterogenen Strukturen innerhalb von Fleurop?

Der Hauptgrund ist sicher unsere Struktur. Aber es ist insofern auch gewollt, als die Webshops ja dem Geschmack und den Wünschen der lokalen Kundschaft entsprechen sollen. Das ist auch eine Stärke. Salopp gesagt: Die Amerikaner wollen möglichst viele Bilder, die Japaner lieben Tabellen, und Europa ist wahrscheinlich irgendwo dazwischen.

Wie viele Mitarbeiter sind in der Europa­zentrale beschäftigt?

Wir sind recht klein. Insgesamt arbeiten bei uns zwölf Personen, davon fünf in der IT. Alle meine Mitarbeiter befassen sich ausschliesslich mit der Entwicklung. Der IT-Betrieb ist outge­sourct.

Wie gross ist Ihr Transaktionsvolumen und wie hat es sich entwickelt?

Wir bearbeiten hier nur den internationalen Handel. Zu den innerschweizerischen Transaktionen kann ich Ihnen also keine Details nennen. Letztes Jahr haben wir etwa eine Million Aufträge verarbeitet. Das Volumen ist leicht steigend. Verglichen mit dem nationalen Geschäft ist das internationale aber noch klein, es erreicht vielleicht 10 Prozent des nationalen Volumens. Wir sehen aber noch viel Potenzial, vor allem im Zusammenhang mit der fortschreitenden Globalisierung.

Wie verläuft das Geschäft übers Jahr verteilt?

Das wichtigste Datum haben wir gerade hinter uns, das ist der Valentinstag. An diesem Tag verarbeiten wir im Vergleich zum Jahresdurchschnitt das zehnfache Volumen. Weitere Spitzen gibt es am Muttertag, oder besser an den Muttertagen in den verschiedenen Ländern. An Ostern und an Weihnachten läuft es auch rund. Am ruhigsten ist es im Sommer.

Warum finde ich auf Ihrer Website eigentlich keinen Hinweis auf eine App?

(Klaubt sein iPhone hervor und präsentiert lächelnd eine blitzblanke neue App.) Klar haben wir eine App, aber wir haben sie gerade erst vor vier Tagen in den App Store gestellt. Unsere App ist mit Sicherheit die erste, mit der man Blumen in die ganze Welt verschicken kann. Und wenn Sie wollen, können Sie via Handy sogar ein Bild von Ihnen mit dem Strauss zusammen verschicken. Dazu bieten wir auch vorgefertigte Kartentexte für viele Eventualitäten. Der ganze Zahlungsprozess läuft über Datatrans, also in einer sehr sicheren Umgebung. Momentan werben wir noch nicht intensiv für diese App, weil wir zuerst noch etwas Erfahrungen sammeln wollen.

Die App läuft momentan nur auf dem iPhone?

Ja, eine Version fürs iPad wird etwa in einem Monat folgen, und in etwa einem halben Jahr wollen wir als nächste Plattform Android bedienen.

Und eine mobile Version der Website für den Rest der Welt?

So etwas planen wir momentan nicht. Mit iPhone und Android decken wir sicher etwa 80 Prozent des Marktes ab.

Wie wäre es mit einem Redesign der schon etwas altertümlich daherkommenden Web­site?

Das Look und Feel ist zugegebenermassen schon etwas in die Jahre gekommen. Aber die Funktionalität stimmt. Wir evaluieren gerade, wohin wir mit der Site wollen, beispielsweise hinsichtlich sozialer Netzwerke und E-Marketing. Es geht auch darum, die Kundschaft stärker zu integrieren, was den Bestellprozess und die Gestaltung anbelangt. Wir haben den Ehrgeiz, eine überzeugende Lösung anzubieten und einige Ländergesellschaften davon zu überzeugen. Sie wissen ja, je mehr sich daran beteiligen, umso mehr Möglichkeiten eröffnen sich.