Schwerpunkt: Infrastruktur

"Internet of Everything" erhöht die Anforderungen an die ICT

Uhr | Aktualisiert
von Chris Martin, General Manager von Cisco Switzerland.

Noch sind 99 Prozent der physischen Welt nicht mit dem Internet verbunden. Dies wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten durch die Vernetzung von immer mehr Menschen, Prozessen, Daten und Dingen ändern und neue Anforderungen an die ICT-Infrastruktur stellen.

Skalierbare intelligente Systeme erlauben es, den Verkehrsfluss zu steuern. Das kann beispielsweise auch Rettungsdiensten zugute kommen. (Quelle: Cisco)
Skalierbare intelligente Systeme erlauben es, den Verkehrsfluss zu steuern. Das kann beispielsweise auch Rettungsdiensten zugute kommen. (Quelle: Cisco)

Hinweis: Der Autor dieses Artikels, Chris Martin, ist General Manager von Cisco Switzerland.

Schon heute sind mehr Dinge mit dem Internet verbunden als es Menschen auf der Welt gibt. Bis 2020 werden rund 4,5 Milliarden Menschen und 37 Milliarden Dinge mit dem Internet vernetzt sein. Diese Zahlen sind beeindruckend, entsprechen aber lediglich einem Prozent der physischen Welt. Die Entwicklung, immer mehr Menschen, Prozesse, Daten und Dinge miteinander zu vernetzen, steht also noch am Anfang. Das grosse wirtschaftliche Potenzial, das sich daraus ergibt, lässt sich erst erahnen. Fest steht, dass das "Internet of Everything" die Wirtschaft weiter revolutionieren wird.

Das Internet verändert sich – schon wieder

Aus der Vernetzung des bislang nicht Vernetzten ergeben sich unzählige neue Möglichkeiten. Ein naheliegendes Beispiel sind Fabrikhallen, in denen die Vernetzung von Maschinen, Einzelteilen und Ressourcen weitgehend selbstorganisierende Fertigungsprozesse ermöglicht – und so die Effizienz und Flexibilität der Produktion erhöht. Das Internet of Everything wird aber auch in anderen Wirtschaftszweigen wie etwa dem Gesundheitswesen Nutzen bringen, indem es beispielsweise Implantate mit medizinischen Computeranwendungen verbindet, die diese in Echtzeit steuern und überwachen.

Seit das Internet vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten entstanden ist, hat es alles verändert. Mit dem Internet of Everything kommt die nächste grosse Entwicklungswelle, die alles Bisherige in den Schatten stellt, denn das Internet of Everything wird sämtliche Branchen umwälzen.

Die Stadt der Zukunft

Das Internet of Everything wird nicht nur die Wirtschaft, sondern auch den Alltag der Menschen verändern. Städte werden in der Lage sein, ihren Einwohnerinnen und Einwohnern städtische Dienstleistungen zum gewünschten Zeitpunkt, am richtigen Ort und in der erforderlichen Menge zur Verfügung zu stellen. Die Idee der City-as-a-Service bedeutet, dass etwa die Wasser- und Stromversorgung oder das Telefon- und Verkehrsnetz zu einer internetfähigen Versorgungsleistung zusammengefasst werden. Durch diese Vernetzung steigt die Effizienz der städtischen Angebote, und die Kosten für die einzelnen Bürgerinnen und Bürger sinken. Was nach Zukunftsmusik klingt, ist im Ansatz bereits heute Realität: etwa in New Songdo, der zukunftsweisenden ökologischen Planstadt in Südkorea - hier ein Video auf Youtube.

Diese Art der Vernetzung erhöht nicht nur die Effizienz, sondern auch die Qualität der Services und schafft die Voraussetzungen für neue Dienstleistungen. So werden beispielsweise skalierbare intelligente Systeme Ampeln mit anderen Ampeln verbinden und GPS nutzen, um Informationen in Echtzeit zu verbreiten. Ampeln werden aber nicht nur untereinander kommunizieren, sondern auch mit Strassensensoren, Autos und Bussen und so Informationen an das Verkehrsleitsystem weitergeben und den Verkehrsfluss steuern.

Durch Vernetzung Leben retten

Die Vernetzung von Ampeln, Strassensensoren und Verkehrsteilnehmern kommt beispielsweise den Rettungsfahrzeugen zugute. Das Internet of Everything weist ihnen den Weg und unterstützt Rettungsteams bei der Koordination untereinander sowie bei der Überwachung übergeordneter Prozesse wie der Wasserversorgung.

Zum Beispiel könnte in einem Feuerwehrfahrzeug ein Bildschirm für den Teamleiter angebracht werden. Während der Fahrt kann der Teamleiter dafür sorgen, dass Ampeln umgeschaltet und der Verkehr umgeleitet wird, damit das Fahrzeug so schnell wie möglich am Einsatzort eintrifft. Alternativ kann er sich den Weg durch weniger befahrene Strassen leiten lassen. Er erhält zudem Informationen über den idealen Parkplatz vor Ort. Hydranten kann er aus der Ferne inspizieren und entriegeln. Selbst der Wasserdruck lässt sich überprüfen und automatisch an die jeweiligen Anforderungen anpassen. Es werden Informationen zu Standort und Grundriss des brennenden Gebäudes, eine Wegbeschreibung sowie eine Schätzung der Anzahl möglicher Opfer bereitgestellt, um eine möglichst schnelle Rettung zu gewährleisten. Mit all diesen Informationen kann der Teamleiter einen Rettungsplan erstellen und ihn über das System an alle Teammitglieder weitergeben. So gewinnt er wertvolle Zeit vor Ort, die Leben retten kann.

Auswirkungen auf den Datenverkehr

Wenn immer mehr Menschen, Prozesse, Daten und Dinge mit dem Internet verbunden sind, steigt in der Konsequenz der Datenverkehr. Gemäss dem im letzten Herbst veröffentlichten Cisco Global Cloud Index wird beispielsweise das Datenvolumen globaler Rechenzentren bis Ende 2016 bereits 6,6 Zettabyte erreichen. Dieser Datenmenge entsprechen 92 Billionen Stunden Musik, 16 Billionen Stunden Internet-Videokonferenzen via Webcam oder 7 Billionen Stunden HD-Video-Streaming.

Die Bedeutung von Datacenter-Virtualisierung und miteinander verbundener Clouds wird durch das Internet of Everything weiter zunehmen. Bereits heute zeichnet sich klar ab, dass im Rechenzentrum kein Bereich so schnell wächst wie der cloudbasierte Datenverkehr. Machte der Cloud-Traffic 2011 noch 39 Prozent des gesamten Datenverkehrs über Rechenzentren aus, werden es nach den Prognosen des Global Cloud Index 2016 bereits 64 Prozent sein. Unternehmen, Organisationen und die öffentliche Hand sind gefordert, ihre Rechenzentren, ihr Netzwerk und ihre Geschäftsprozesse für dieses Datenaufkommen zu rüsten.

Mehr IP-Adressen und Breitband erforderlich

Mit dem Internet of Everything und dem damit einhergehenden massiven Anstieg des Datenverkehrs steigen die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Netzwerks. Wenn immer mehr Menschen, Prozesse, Daten und Dinge mit dem Internet verbunden sind, wird zunächst einmal die Zahl der IP-Adressen massiv zunehmen. In Europa sind aktuell keine neuen Adressen mehr registrierbar. Die Umstellung auf IPv6 ist also nur noch eine Frage der Zeit – und diese drängt.

Neben dem Bedarf an Adressen wird auch der Breitbandbedarf steigen, wobei Breitband nicht nur in statischen Umgebungen, sondern auch als Zubringerdienst für mobile Kleinstzellen an Bedeutung gewinnen wird. Denn ein grosser Teil der Menschen, Prozesse, Daten und Dinge, die neu mit dem Internet verbunden werden, wird mobil und nicht mit einem Kabel vernetzt. Der neue Mobilfunkstandard LTE (Long Term Evolution), der wesentlich höhere Downloadraten ermöglicht, unterstützt diese Entwicklung.

Intelligente Netzwerke als Voraussetzung

Neben Leistungsfähigkeit wird auch die Intelligenz des Netzwerks wichtiger. Ohne ein intelligentes Netzwerk ist das Internet of Everything gar nicht möglich, denn es ist das intelligente Netzwerk, das die Verkehrsflüsse erkennt, klassifiziert und entsprechend verarbeitet. Je nachdem welche Anwendung das Internet of Everything ermöglichen soll, sind die Anforderungen an die Sicherheit, die zeitnahe Verarbeitung oder die Mobilität besonders hoch. Wenn beispielsweise zwei Autos miteinander kommunizieren, ist sicherzustellen, dass nur die Daten übermittelt werden, die für den gewünschten Service von Bedeutung sind und dass gleichzeitig alle betriebsrelevanten Funktionen der Fahrzeuge nicht gestört werden. Hierfür ist ein intelligentes Netzwerk erforderlich, das die Daten richtig einordnet und entsprechend verarbeitet.

Gerade bei mobilen Anwendungen werden intelligente Lösungen erforderlich sein. Dazu gehört beispielsweise, dass mobile Kontrollfunktionen möglichst weit in den Access-Bereich verschoben werden können. Es geht darum, den Endpunkten abhängig von ihrem Ort, dem Zustand und allenfalls dem Benutzer entsprechende Zugriffe zu ermöglichen. Eine Bandbreitennutzung kann also schon im Access-Bereich effizient gesteuert werden.

Chance für Unternehmen

Das Internet of Everything macht neuartige Dienstleistungen möglich, denn es erfasst die Mobilität der vernetzten Menschen, Prozesse, Daten und Dinge, deren aktuellen Zustand und ihr Verhältnis zueinander, das sich laufend verändert. Alle diese Informationen werden in Echtzeit übertragen und ermöglichen Unternehmen dadurch präzisere und massiv beschleunigte Abläufe und Entscheidungen, während sie gleichzeitig Ressourcen viel gezielter und damit sparsamer einsetzen können. Davon können Unternehmen aller Branchen profitieren – als Produzenten, Leistungserbringer und nicht zuletzt auch als Nutzer.