Serie "Führungsmodelle"

Kreative Freiräume für fruchtbare Forschungsprojekte

Uhr | Aktualisiert
von Miriam Kalunder

Im vierten Teil unserer Serie über Führungsmodelle stellen wir IBM Research vor. Im Forschungslabor in Rüschlikon steht das Management vor der herausfordernden Aufgabe, eine geeignete Umgebung für Forschungsprojekte zu schaffen und dabei gleichzeitig die Ziele des Unternehmens im Auge zu behalten.

(Quelle: Yuri Arcurs Photography)
(Quelle: Yuri Arcurs Photography)

IBM Research hat eine lange Tradition in der Schweiz. Mit dem Standort Rüschlikon ist die Forschungsabteilung von IBM bereits seit den 1950er-Jahren im Kanton Zürich vertreten, erläutert Dr. Matthias Kaiserswerth, Direktor des Zürcher Forschungslabors, im Gespräch mit der Netzwoche. Die Nähe zur ETH, die sich bereits früh mit Computern auseinandersetzte, sowie die zentrale Lage der Schweiz in Europa waren ausschlaggebende dafür, dass IBM das erste Forschungszentrum ausserhalb den USA in Rüschlikon oberhalb des Zürichsees bauen liess.

Wie misst man Forschung?

Im Gegensatz zu klassischen "Research & Development (R&D)"-Abteilungen in Firmen ist die Forschung bei IBM klar von der Entwicklung getrennt. Bei IBM Research konzentriert man sich auf die mittel- und längerfristige Forschung, darunter auch die Grundlagenforschung. Diese Struktur innerhalb von IBM erlaubt es dem Forschungslabor, bezüglich den sogenannten Key Performance Indicators (KPIs) einen anderen Ansatz zu wählen. Im Gegensatz zu klassischen R&D-Divisions hat IBM Research nur sehr wenige solcher klar gesetzten Ziele. "Forschung lässt sich kaum an KPIs messen", gibt Kaiserswerth zu bedenken. Das Management stehe somit vor der Herausforderung, vernünftige KPIs zu definieren, die sich gegenüber der ansonsten sehr prozessorientierten Mutterfirma vertreten liessen (beispielsweise anhand der Anzahl Patente). Gleichzeitig gilt es, das Forschungslabor so weit abzuschirmen, dass ein für die Forschung nötiger "kreativer Freiraum" bestehen kann.

Aufträge von IBM erhält das Forschungslabor nicht. Das würde auch kaum funktionieren, denn im Gegensatz zur Entwicklung erfolge Forschung in der Regel "bottom-up". Allerdings ist für die Förderung eines Projekts prinzipiell wichtig, dass es sich für einen der drei Geschäftsbereiche von IBM eignet. Wer gerne in einem Bereich forschen möchte, in dem IBM noch nicht tätig ist, kann das Unternehmen überzeugen, sich auf dieses Feld zu begeben. Ein entscheidendes Werkzeug dafür ist der "Global Technology Outlook" der IBM-Forschung. Trends, Technologien der Zukunft und Marktbeobachtungen werden in diesem firmeninternen Gefäss gesammelt, gute Ideen prämiert. Die Ideen kommen direkt aus den Forschungszentren, die somit in vielerlei Hinsicht direkt Einfluss auf die Strategie der Mutterfirma nehmen.

Managende Forscher

Wer als Forscher bei IBM Research eine zündende Projektidee hat, kann es weit bringen. Mitarbeiter bringen stetig ihre Ideen vor, untermauern sie wenn möglich mit Experimenten und versuchen, andere im Labor von ihrer Idee zu überzeugen. Eine wichtige Rolle nehmen dabei die Manager ein, die den klassischen "Top down"-Ansatz in das "kreative Chaos" hineinbringen. Als Gruppenleiter wägen sie ab, welche Projekte sich als nützlich erweisen könnten und filtern die guten Ideen. Ein Projekt bekommt so möglicherweise mehr Geld oder auch die Möglichkeit, sich bei potenziellen Kunden vorzustellen. Da die Manager selbst auch Forscher sind, haben sie den nötigen Blickwinkel für die Projektbetreuung.

Kaiserswerth betont, dass kein Forscher je mehr als zwei hierarchische Schritte von ihm als Labordirektor entfernt sei. Wer Karriere machen wolle, könne dies bei IBM Research vor allem im technischen Bereich, indem er die firmenintern höchste Auszeichnung als "IBM Fellow" anstrebe, die ihm innerhalb des Unternehmens ein grosses Mass an Forschungsfreiheit ermöglicht. Die flache Hierarchie ist neben dem Platzmangel ein Grund, warum das Forschungslabor in Rüschlikon im Gegensatz zu Zentren im Ausland in Zukunft nicht mehr stark wachsen soll. Die jetzigen Pläne sehen keinen grösseren Ausbau mehr vor. Kaiserswerth betont, dass man bei der jetzigen Grösse noch immer alle Leute gut kennen könne, die in Rüschlikon arbeiten. Werde man grösser, bedeute dies auch mehr Management und wiederum mehr Hierarchie, die man eigentlich vermeiden möchte.

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