Wearable Computing - Interview zur Titelgeschichte

"Steve Jobs hatte offenbar bei uns nachgeforscht"

Uhr | Aktualisiert
von Interview: Marcel Urech

Gerhard Tröster forschte bereits mit Wearables, als Hinz und Kunz noch nicht mal wussten, was ein tragbarer Computer überhaupt ist.

Gerhard Tröster, Leiter des Wearable Computing Laboratorys an der ETH Zürich.
Gerhard Tröster, Leiter des Wearable Computing Laboratorys an der ETH Zürich.

Herr Tröster, Sie leiten seit über 20 Jahren das Institut für Elektronik der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. Seit wann forschen Sie über Wearables?

Seit ungefähr 15 Jahren. Die erste Konferenz für tragbare Computer war 1997 in den USA. Zwei Jahre später gründete ich das Wearable Computing Lab. Geforscht wurde aber schon früher: Professor Steve Mann etwa arbeitete am Massachusetts Institute of Technology bereits in den 80er-Jahren mit Wearables.

Was hat sich in der Forschung in den letzten Jahren verändert?

Der Durchbruch kam mit dem Smartphone, für das Konzepte aus der Forschung im Bereich Wearables adaptiert wurden. Steve Jobs hatte offenbar bei uns nachgeforscht. Jetzt haben wir starke Ökosysteme, die eine exzellente Plattform für Anwendungen bieten.

Wo steht die Forschung heute?

Das ist schwierig zu sagen, da sich unterschiedlichste Disziplinen mit Wearables befassen. An Grundlagen wie Sensoren, intelligenten Textilien und mathematischen Verfahren wird noch intensiv geforscht. Es gibt aber schon viele Alltagsanwendungen. Einige Wearables sind längst etabliert – denken Sie nur an das Hörgerät oder das Smartphone.

Wie verbreitet sind Wearables?

In Gesundheit, Sport und Wellness wird bereits viel mit Wearables gearbeitet. Aber auch in Musik, Industrie und Verhaltensforschung haben Wearables Einzug gehalten.

Und Google Glass? Wird es sich durchsetzen?

Das Potenzial ist auf jeden Fall da. Glass könnte einen ähnlichen Quantensprung bewirken wie das Smartphone. Die Datenbrille verkürzt die Distanz zwischen Mensch und Internet noch weiter. Aber es geht nicht nur um Glass, sondern allgemein um Wearables. Sie dürften sich in vielen Bereichen unseres Lebens etablieren. Das Gesundheitswesen spielt eine entscheidende Rolle, aber auch Entwicklungen im Lifestyle- und Gaming-Bereich.

Ist es also nur eine Frage der Zeit, bis Wearables Mainstream werden?

Mainstream ist vielleicht das falsche Wort, aber Wearables werden irgendwann selbstverständlich sein. Man wird sie tragen, ohne gross darüber nachzudenken. Ich mache ein Beispiel: Ihr Optiker bietet Ihnen an, Ihre nächste Brille für einen Aufpreis von 100 Franken mit Glass-ähnlicher Technologie auszustatten – würden Sie das Angebot annehmen?

Ja, klar.

Das Gleiche dürfte bei Schuhen geschehen. Irgendwann werden in den Regalen von Schuhverkäufern smarte Schuhe stehen – und viele Leute werden sie kaufen. Wearables werden übrigens zum Teil bereits heute als modisch und chic angesehen. Ich denke da etwa an das smarte Armband Jawbone, das bei Fitnessbegeisterten gerade im Trend liegt.

Werden Firmen von Wearables profitieren?

Sicher, aber nicht alle. Momentan sehe ich vor allem Anwendungen in Fertigung, Wartung und Logistik. Das Smartphone hat den Zugang zum Internet mobil gemacht, und mit weiteren Sensoren wie zum Beispiel Google Glass werden sich Wearables noch besser in Arbeitsabläufe integrieren lassen. Davon können auch Unternehmen profitieren.