Von Social Media Mania zu Social Media Metrics
Social-Media-Aktivitäten als Marketingmassnahme haben die letzten Jahre stark an Bedeutung gewonnen. Doch viele Unternehmen fürchten, dass der Aufwand einer Social-Media-Strategie ihren Nutzen übersteigt.

Immer mehr Unternehmen entscheiden sich zusätzlich zu traditionellen Marketingmassnahmen wie Print-Werbung oder Mailings für eine Social-Media-Strategie. Eine kürzlich erschienene Umfrage von Teradata zum Multichannel-Marketing in Europa zeigt, dass die Mehrheit der befragten Marketingleiter die nächsten zwölf Monate vor allem in Onlinemarketing investieren will. Oberste Priorität hat dabei Social Media, auf die rund 80 Prozent der Unternehmen künftig verstärkt setzen wollen, gefolgt vom mobilen Marketing, der Online- und der Suchmaschinenwerbung.
In der Schweiz setzen einer Studie von Bernet PR zufolge 67 Prozent der Unternehmen auf Social Media. Dabei unterscheiden sich KMUs wesentlich von den restlichen Unternehmen und Organisationen. Während nur knapp 60 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen auf die neuen Kommunikationskanäle setzen, verfolgen rund 80 Prozent der grossen Firmen, Behörden und Nonprofit-Organisationen eine Social-Media-Strategie. Von den befragten Unternehmen sind mehr als 50 Prozent sogenannte Newcomer, die sich seit einem Jahr oder weniger in den Social Media engagieren. Dieser Befund zeigt, dass trotz der Allgegenwart von Facebook, Twitter und Co. diese Kommunikationskanäle zumindest für Unternehmen noch Neuland sind. Diejenigen, die nach wie vor keine Social-Media-Strategie verfolgen, begründen ihre Abstinenz hauptsächlich mit dem grossen Aufwand und dem fehlenden Interesse auf der Seite der Adressaten. Der damit verbundene Aufwand beschäftigt auch die in Social Media engagierten Unternehmen. Von diesen schätzt rund die Hälfte, dass der Aufwand grösser als der Nutzen ist. Umgekehrt sind nur gerade 9 Prozent der in Social Media engagierten Unternehmen der Ansicht, dass der Nutzen den Aufwand überwiegt.
Wie bei klassischen Marketingmassnahmen erwarten Firmen auch von ihrer jeweiligen Social-Media-Strategie eine positive Auswirkung auf den Umsatz. Doch wie lässt sich der Erfolg einer Social-Media-Kampagne messen? Ist die Anzahl neuer Freunde auf Facebook entscheidend oder zählen nur die Likes? Werden die Tweets nur dann gelesen, wenn sie retweeted werden? Und wie soll man mit Kommentaren umgehen? Mit der wachsenden Verbreitung von Social Media zu Marketing- und Kommunikationszwecken wächst auch das Bedürfnis nach eindeutigen Leistungskenngrössen, die den Erfolg solcher Massnahmen exakt messen und damit auch die Rentabilität einer jeweiligen Strategie erfassen.
Globale Standards für Social Media
Den Versuch, die Leistungskenngrössen von Social-Media-Kampagnen festzulegen, unternimmt seit 2011 The Conclave, ein Verbund von B2B- und B2C-Unternehmen, PR- und Social-Media-Agenturen sowie Branchenverbänden. Seit ihrer Gründung im Oktober 2011 arbeitet The Conclave an der Standardisierung folgender Social-Media-Kenngrössen:
- Content Sourcing & Transparency (Inhalt und Transparenz)
- Impressions & Reach (Sichtbarkeit und Tragweite)
- Engagement & Conversation (Bindung und Diskussion)
- Influence (Einfluss)
- Opinion & Advocacy (Meinung und Befürwortung)
- Impact & Value (Auswirkung und Wert)
Die Kenngrössen Content Sourcing & Transparency, Impressions & Reach und Engagement & Conversation wurden im Juni dieses Jahres als Interim-Standards veröffentlicht. Die restlichen Standards Opinion & Advocacy, Influence und Impact & Value konnten bis zum 31. Juli auf der Webseite der Organisation www.smmstandards.org kommentiert werden. Nach Ablauf der Frist sollen die Standards anhand des erfolgten Inputs überarbeitet und anschliessend auch als Interim-Standards veröffentlicht werden.
Eine "Nährwerttabelle" für Social Media
Industriell gefertigte Nahrungsmittel kennen schon länger Nährwerttabellen, die über die genauen Inhaltsstoffe und die Zahl der Kalorien informieren. Mit seiner "Source & Methods Transparency"-Tabelle strebt The Conclave ein vergleichbares Ziel an. Die Tabelle soll einen klaren Überblick darüber geben, was in einem Social-Media-Projekt steckt und mit einer Auflistung der relevanten Information zur Herkunft der Daten und die Erhebungsmethoden einen Vergleich von unterschiedlichen Social-Media-Strategien erlauben. Die Tabelle informiert unter anderem über den untersuchten Zeitraum, die Datenquellen (Google Search, Twitter API, Facebook API oder andere), die Art der Analyse und die benutzte Sprache. Sie erfasst ferner, wie zentrale Leistungskenngrössen wie Impressions & Reach und Engagement berechnet wurden, wie irrelevanter Inhalt gefiltert und last but not least wie Opinion & Advocacy ausgewertet wurde.
Schlagkraft von Social-Media-Kampagnen
Je nach Plattform kennen publizierte Informationseinheiten recht unterschiedliche Terminologien. Doch "Posts", "Clips", "Tweets" oder "Pins" bezeichnen grundsätzlich dasselbe. Deshalb plädiert The Conclave für den Begriff "Item", der alle plattformspezifischen Terminologien ersetzen soll. The Conclave empfiehlt zudem, Kommentare oder "Likes" grundsätzlich nur dann zu den Items zu zählen, wenn eine klare Begründung vorliegt. Suchanfragen in Social-Media-Kanälen, die mit Boolesche Operatoren wie AND, OR oder NOT eingegeben werden, definiert The Conclave als "Mentions".
Die Impression einer Kampagne entspricht The Conclave zufolge der potenziellen Sichtbarkeit eines Items. Gezählt werden entsprechend die Gelegenheiten eines Items, von einer Zielgruppe gesehen zu werden. Dabei sollen weder die Art, wie ein Item erschlossen wird, noch Reichweiteüberschneidungen beachtet werden. Diese Kenngrösse erfasst typischerweise einzelne Personen mehrmals und zählt auch Personen, die zwar Gelegenheit hatten, ein bestimmtes Item zu sehen, es aber nicht gesehen haben.
Die Leistungskenngrösse Reach wiederum eliminiert Reichweiteüberschneidungen und informiert über die Anzahl Personen, die ein bestimmtes Item tatsächlich sahen. Damit stellt Reach gemäss The Conclave im Prinzip eine ideale Masseinheit dar, um die Reichweite von unterschiedlichen Social-Media-Plattformen zu vergleichen. Da jede Social-Media-Plattform gemäss The Conlcave jedoch über eigene, zum Teil stark voneinander abweichende Berechnungskonzepte der Kenngrösse Reach haben, sind plattformübergreifende Vergleiche nur begrenzt sinnvoll. Als Zwischenlösung empfiehlt The Conclave, die "Source & Methods Transparency"-Tabelle zur klaren Identifizierung der Datenquellen zu benutzen.
Freundschaft und mehr
Firmen und Marketingfachleute interessiert nicht nur, ob eine Botschaft die Zielpersonen erreicht, sondern auch, ob sie die beabsichtigte Wirkung entfalten konnte, also auf Gegenliebe gestossen ist. The Conclave definiert positive Reaktionen auf Items wie Likes, Comments, Shares, Votes, +1s, Links, Retweets oder Video Views als Engagement. Conversation sind wiederum jede Form von schriftlichen Äusserungen von Kunden-, Stakeholder- oder sonstigen externen Rückmeldungen auf Items. Sowohl Engagement wie auch Conversation finden gemäss The Conclave zwingend in Reaktion auf ein Item statt, das in einem firmeneigenen Kanal publiziert wurde. Auch sollten Firmen nur jene Reaktionen als Engagement werten, die im Einklang mit den eigenen Zielsetzungen stehen.
Wie The Conclave anmerkt, erfolgen Engagement und Conversation nicht nur online, sondern auch offline. Zur Messung des Engagements sollten also sämtliche Interaktionen innerhalb eines Kommunikationskanals und kanalübergreifend summiert werden. Bei Conversation sollten wiederum nur jene Kommentare, Blogeinträge oder Tweets gezählt werden, die das Unternehmen entweder direkt erwähnen oder auf seine Marken oder Tätigkeiten Bezug nehmen.
Social Media dienen eher explorativen Zwecken
The Conclave verabschiedete bisher noch keine Interim-Standards zu den Social-Media-Kenngrössen Opinion & Advocacy, Influence und Impact & Value. Im Gegensatz zu den bereits verabschiedeten Standards lassen sich jedoch diese Leistungskenngrössen weniger leicht wenn überhaupt quantitativ erfassen. The Conclave unterscheidet daher diese Social-Media-Kenngrössen von klassischen Leistungskenngrössen der quantitativen Marktforschung. Letztere eignen sich laut The Conclave besser, um Hypothesen zu testen, bestehendes Wissen zu bestätigen und kausale Beziehungen zu identifizieren. Social-Media-Kenngrössen wie Opinion & Advocacy sind gemäss The Conclave hingegen besser für explorative Vorhaben geeignet. Sie sollen helfen, neue Ideen zu entwickeln und ungenutztes Potenzial zu erkennen. Auch lassen sich damit gemäss The Conclave besser Zielgruppen und Meinungsführer identifizieren.
Irène Messerli, Co-Geschäftsleiterin und Mitinhaberin der Zürcher Kommunikationsagentur Bernet PR, teilt die Ansicht, dass sich Erhebungen aus Social Media vor allem dafür eignen, die definierten Ziele zu überprüfen und die angepeilten Zielgruppen besser zu verstehen: "Wenn man zuhört, erfährt man viel, beispielsweise beim Lesen der Kommentare. Auch bietet das Zielgruppen-Feedback die Möglichkeit einer weiteren Interaktion wie die Dialogführung." Die vorgeschlagenen Standards stellen für Messerli vor allem ein gutes Mittel dar, eine Diskussion über die Möglichkeiten von Social Media zu führen. Dass die vorgeschlagenen Definitionen zu international verbindlichen Standards avancieren könnten, zweifelt Messerli an, findet die Ansätze aber gut. "Social Media wird sich weiter wandeln und noch stärker Teil der Onlinekommunikation werden. Der Begriff Social Media wird verschwinden. Die Praxisvorschläge zu den Standards erscheinen daher sinnvoll. Sie geben Orientierung und der breite Katalog ermöglicht die Überprüfung bei der Zieldefinition."
Hürden sieht Messerli bei der internationalen Durchsetzung der Standards: "In der Kommunikation über Social Media geht es auch um Austausch, Dialog und Sprache. Und dabei spielt beispielsweise die Kultur eines Landes eine Rolle. Ich kann mir also vorstellen, dass die Definitionen der Kenngrössen und Zielsetzungen international variieren. Kommunikationsziele sind häufig nicht einfach in Zahlen messbar. Die Beurteilung des Werts eines Dialogs lässt sich in Worten differenzierter ausdrücken als wenn man sagt: 'meine Gefühle sind Nummer 3'."

Kreditkarten-Phishing auf Kleinanzeigenplattformen nimmt zu

KI ermöglicht Wildtierforschung in den Schweizer Alpen

Mit Daten wirksam steuern und Ziele sichtbar machen

Warum Behörden mit Standardsoftware besser fahren

Personalisierte Werbung auf Whatsapp erntet Kritik

Economiesuisse fordert Selbstregulierung statt staatlichen Zwangs bei Cybersicherheit

SCC Schweiz und Plus-IT bündeln Kräfte im SAP-Bereich

Rap Battle unter Märchenprinzessinnen

"Kühlung rückt in den Fokus"
