Wie öffentliche Verkehrsbetriebe in Social Media unterwegs sind
Was taugt Social Seating? Welche Social-Media-Rezepte haben die Transportunternehmen sonst noch in der Schublade? Darüber hat die Netzwoche mit Social-Media-Verantwortlichen der SBB, der VBZ und der Fluggesellschaft Swiss gesprochen.

Soziale Medien sind aus unserem alltäglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Kein Wunder also, dass diese auch unterwegs unsere ständigen Begleiter sind. Ob man sich mittels "Social Seating"-Programmen seine Mitreisenden aussucht oder mal eben wissen will, welche Freunde im selben Zug unterwegs sind, soziale Netzwerke spielen dabei eine zentrale Rolle. Diesen Wert haben auch die öffentlichen Verkehrsbetriebe erkannt.
Im Dezember lancierten die SBB die App "SBB Connect", mit der die Bahn scheinbar einen Nerv getroffen hat. "Soziales Reisen" steht in der Schweiz hoch im Kurs. So erreichte die App, deren Beta-Version von einer breiten Öffentlichkeit getestet wurde, bisher etwa 45 000 Downloads. "Unsere Erwartungen wurden massiv übertroffen", stellt Patrick Comboeuf,Leiter E-Business bei den SBB, fest.
Der erfolgreiche Start der App ist Nährboden für zukünftige Ideen. Neben der Verknüpfung mit weiteren Netzwerken wie Xing oder Foursquare planen die SBB auch einen Gruppenchat. Ausserdem verrät Comboeuf: "Unser wichtigstes Projekt ist sicher 'Social Seating'. Dabei wird der Nutzer aufgrund seiner Interessen automatisch auf andere Menschen im Zug mit denselben Interessen hingewiesen." Via SBB Connect können Zugreisende ihre Verbindung auswählen und sehen, welche Freunde im selben Zug unterwegs sind und sich mit ihnen vernetzen. Die Freundesliste wird aus Facebook oder Twitter übernommen. Zudem kann man durch häufiges Einchecken Punkte und Badges sammeln.
Interaktion der Nutzer steht im Vordergrund
Die Idee hinter SBB Connect erinnert an andere Geolocation-Apps wie etwa Foursquare oder Facebook Places. SBB Connect baue auf diesen Plattformen auf, meint Michael Rüetschli, Projektleiter von SBB Connect. Im Vordergrund stehe aber die Interaktion zwischen den Nutzern, weniger das Einchecken an einem gewissen Ort oder das Bewerten eines Lokals. Das zeige sich auch im Nutzerverhalten, der Chat sei eine sehr beliebte Funktion. Über 5000 Chats verzeichnen die SBB täglich. Aber auch zur Kontaktsuche werde die App regelmässig verwendet. Zudem biete man durch ein Gutschein-Modul einen weiteren Mehrwert für die Kunden und erhöhe durch die hohe Reichweite der Gutscheine wiederum die Attraktivität des Bahnhofs für Ladengeschäfte.
Gleichzeitig stellt das ortsbezogene Gutschein-Modul aber auch eine spezielle Herausforderung dar. Es muss sichergestellt sein, dass eine Person sich auch tatsächlich am eingecheckten Ort befindet. "Im Augenblick können wir den Standort der jeweiligen Person ganz gut überprüfen, es stellt sich allerdings die Frage nach der Grenzziehung", sagt Rüetschli. Also wie nah man dem Bahnhof sein muss, damit ein Einchecken zulässig ist. Auch das Einbetten von Fahrplan-Datenbanken sei technisch nicht ganz einfach gewesen.
Die SBB setzen in Sachen Social Media jedoch nicht nur auf ihre eigene App. Das Unternehmen ist ebenso auf den "klassischen" Kanälen Facebook, Twitter, Youtube und Xing unterwegs. Seit etwa fünf Monaten betreibt die Bahn ausserdem einen eigenen Blog. Dieser kommt laut Rüetschli bei den Lesern sehr gut an, wie sich anhand der vielen Kommentare und Fragen zu Artikeln zeige. Der Blog biete die Möglichkeit, detaillierter auf einzelne Themen einzugehen. Zudem können Besucher den SBB unter der Rubrik "Dr. Bahnsinn" Fragen stellen.
Kein Social Seating bei der Swiss
Auch die Swiss betreibt einen Blog und will damit einen "Blog hinter die Kulissen" gewähren. Hier schreiben Mitarbeiter über ihren Alltag im Flugbetrieb. Mit der Resonanz des Blogs zeigt sich Christian Lüdi, Social-Media-Verantwortlicher der Swiss, zufrieden. Neben relativ hohen Besucherzahlen zeige sich auch eine lange Verweildauer der Leser. "Es stellt zwar einen grossen Aufwand dar, den Blog zu betreiben, es lohnt sich aber", so Lüdi. Zudem ist die Swiss auf Facebook, Twitter, Google+, Youtube, Flickr und Instagram vertreten.
Zwar ist die Swiss auf vielen Social-Media-Kanälen aktiv, besonders experimentierfreudig zeigt sie sich jedoch nicht. Während die SBB bereits ernsthaft über "Social Seating" nachdenkt, gibt es dieses Konzept bei der Swiss nicht, obwohl es ursprünglich aus dem Flugverkehr stammt.
Die niederländische Fluggesellschaft KLM startete vor etwa einem Jahr das Programm "Meet & Seat", bei dem sich Passagiere über bestehende soziale Netzwerke wie Facebook oder Linkedin ihren Sitznachbar auswählen können. Bisher ist "Meet & Seat" auf allen interkontinentalen Flügen von KLM verfügbar sowie für Business-Class-Reisende auf europäischen Flügen. Laut KLM-Sprecherin Lisette Ebeling-Koning haben bereits über 10 000 Passagiere den Dienst genutzt, KLM rechnet mit einem weiteren Andrang. In der Schweiz ticken die Uhren scheinbar anders: "Es herrscht derzeit überhaupt kein Bedarf an Social Seating", meint Lüdi. "Es war ein grosser Hype, als die KLM Social Seating einführte, aber der technische Aufwand ist gross und die Passagiere nutzen es kaum."
Westnetz.ch für ganz Zürich?
Innovativer zeigen sich hier die VBZ, die mit der Quartiersite Westnetz.ch vor einem Jahr einen Blog der etwas anderen Art gestartet haben. Darin dreht sich alles um den Kreis 5, um Veranstaltungen, Geschäfte und Lokale sowie Anekdoten aus dem Quartieralltag. Etwa 500 Besucher täglich und 60 aktive Blogger verzeichnen die VBZ laut Heinz Vögeli, Vizedirektor der VBZ. "Wir haben das Projekt schrittweise entwickelt, zusammen mit der Einführung der Tramlinie Zürich-West." So ist auch die Website gestaltet: Jeder Beitrag ist mit der am nächsten gelegenen Tramhaltestelle verknüpft. So sieht man neben Verbindungen und Abfahrtszeiten auch, was links und rechts der Gleise passiert. Für dieses Projekt erhielten die VBZ Auszeichnungen wie den Best of Swiss Web Award oder den European Design Award.
Vögeli könnte sich durchaus eine Ausweitung des Projekts auf ganz Zürich vorstellen, die nötigen Konzepte fehlen allerdings noch. Ansonsten beschränken die VBZ ihre Social-Media-Aktivitäten auf Facebook und Xing. Während Xing hauptsächlich zum Personalmanagement eingesetzt wird, dient Facebook dem Dialog mit den Kunden.
Lange Wartezeiten vermeiden
So einfach soziale Medien einen Dialog ermöglichen, so schnell kann man genau diesen durch falsche Inhalte oder lange Reaktionszeiten ersticken. Um nicht auf der Strecke zu bleiben, sollten intern möglichst wenige Schritte zur Beantwortung einer Anfrage nötig sein. Die Verkehrsbetriebe verfahren damit unterschiedlich. Die SBB setzen bei Facebook auf feste Servicezeiten, in denen die Seite vom Contact Center betreut wird. Laut Rüetschli werden über 80 Prozent der Beiträge in weniger als einer Stunde beantwortet. Manchmal müssten bestimmte Sachen aber erst intern abgeklärt werden, ergänzt Comboeuf.
Laut Lüdi haben die zuständigen Mitarbeiter bei der Swiss relativ viele Freiheiten. Sie seien Experten auf ihrem Gebiet und würden zusätzlich eine Social-Media-Schulung erhalten. Pauschal könne er aber nicht sagen, wie schnell auf Beiträge von Nutzern reagiert wird, das sei von Fall zu Fall unterschiedlich.
Die VBZ-Auftritte werden durch die Kommunikationsabteilung betreut. "Die Response-Zeiten sind unterschiedlich, je nach Komplexität der Frage", erklärt Vögeli. Prinzipiell versuchen die VBZ jedoch möglichst rasch auf Beiträge einzugehen, in schwierigen Fällen müsse man sich jedoch noch intern besprechen. Hier sei eine stärkere Vernetzung mit dem Kundendienst gefragt, der Erfahrung mit den gängigsten Fragen habe.
Lohnt sich der Aufwand?
Lohnt sich der ganze Aufwand zur Betreibung von Social Media? Für Vögeli stellt sich diese Frage nicht. Social Media seien in der Kommunikationslandschaft bereits ein zu wichtiger Faktor. Ähnlich sieht das auch Rüetschli: "Man muss dem Medienwandel gerecht werden, die Menschen erwarten einfach einen umfassenden Onlineauftritt." Social Media werden laut Vögeli die Unternehmenskommunikation stark verändern. Diese werde zunehmend digital verlaufen. "Entscheidend ist letztlich aber nicht das Medium, sondern die Geschichte, die Sie erzählen wollen."

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