Physiker verkürzen Startzeit

Starthilfe für Quantencomputer

Uhr | Aktualisiert
von David Klier

Forscher der Universität des Saarlandes haben den Startvorgang von Quantencomputern erheblich verkürzt. Mit einer neuen Methode starten diese in fünf Minuten statt wie bisher in sechs Stunden.

Startknopf drücken, Monitor anschalten, Kaffee holen, los geht’s. Computer sind heute für gewöhnlich innerhalb weniger Minuten hochgefahren und betriebsbereit. Bei einem Quantencomputer sieht das allerdings etwas anders aus. Quantencomputer reagieren auf kleinste Unterschiede in der Umgebung. Etwa auf die Temperatur oder den Luftdruck.

Deshalb müssen Wissenschaftler, die mit einem Quantencomputer arbeiten und experimentieren wollen, über mehrere Stunden hinweg dutzende Einstellungen vornehmen. Schon geringe Abweichungen sorgen dafür, dass der Chip nicht läuft. Die Fehlerquote beim Messen der Umgebungsbedingungen darf 0,1 Prozent nicht übersteigen. Bei 1000 Messungen darf also nur ein Fehler passieren.

Frank Wilhelm-Mauch und Daniel Egger haben nun eine Methode entwickelt, mit der ein Quantencomputer innerhalb von fünf Minuten eingestellt und stabil ist. Wilhelm-Mauch ist Professor für Quanten- und Festkörpertheorie an der Universität des Saarlandes, Egger sein Doktorand. Mit einem Algorithmus aus dem Bauingenieurwesen gelang es ihnen die Fehlerquote bei der Kalibrierung auf unter die benötigten 0,1 Prozent zu drücken. Gleichzeitig konnten sie den Kalibrierungsprozess automatisieren und beschleunigen.

Methode von Physikern in Kalifornien bestätigt

Der Quantencomputer startet nun, statt wie bisher in sechs Stunden, innerhalb von fünf Minuten. Und zwar wie ein herkömmlicher Computer auf Knopfdruck. Mussten Forscher bislang jeden Tag aufs Neue stundenlange Vorarbeiten durchführen, können sie jetzt Experimente schneller vorbereiten und haben mehr Zeit, um mit dem Quantencomputer zu arbeiten. Zudem glaubt Wilhelm-Mauch, dass seine Überlegungen skalierbar seien. Damit wären Chips möglich, die mehr als nur fünf Quantenbits für Rechenoperationen verwenden. Der Grösse des Chips seien mit der neuen Methode kaum noch Grenzen gesetzt.

Wilhelm-Mauch und Egger veröffentlichten ihre Arbeit in der Fachzeitschrift Physical Review Letters. In der gleichen Ausgabe erschien ein Aufsatz von Experimentalphysikern der University of California. Sie bestätigten die Methode von Wilhelm-Mauch und Egger in einem Experiment.

Hintergrund der Quantentechnologie

Die Quantentechnologie basiert auf dem Prinzip, dass ein Teilchen – beispielsweise ein Atom, Elektron oder Lichtteilchen – zwei Zustände gleichzeitig einnehmen kann. Diese Zustände nennt man auch Überlagerungszustände. Auf die Computertechnologie übertragen bedeutet das, dass die Bits, die sonst die bei Computern die Zustände 1 oder 0 haben können, auf einem Quantencomputer die Zustände 1 und 0 gleichzeitig und in jeder beliebigen Kombination einnehmen. Solche Quantenbits oder Qubits sind die Grundlage eines Quantencomputers.

Rechnen kann man beispielsweise mithilfe von Atomen als Speichereinheit, indem man sie mit Laserlicht anregt und ihren Quantenzustand gezielt manipuliert. Eine Rechenoperation kann nun auf beiden Anteilen des Überlagerungszustandes (1 und 0) gleichzeitig oder parallel stattfinden. Ein Quantencomputer kann in derselben Zeit, in der ein herkömmlicher 32-Bit-Rechner einen seiner 2^32 möglichen Zustände verarbeitet, parallel alle diese Zustände verarbeiten. Der Quantencomputer rechnet also um ein Vielfaches schneller als ein normaler Computer. Diese hohe Rechenleistung lässt sich allerdings nur für spezielle Probleme ausnutzen, für die Rechenvorschriften (Algorithmen) entwickelt wurden.

Bei vielen der Überlagerungszustände befinden sich die Quantenbits in einem "verschränkten Zustand", das bedeutet, sie lassen sich als Ganzes, nicht aber als unabhängige Teilchen beschreiben. Sowohl verschränkte Zustände als auch Überlagerungszustände sind allerdings sehr empfindlich auf jede Wechselwirkung mit ihrer Umgebung und verlieren schnell ihren Quantencharakter.

Für einen Quantencomputer bedeutet dies, dass man einen grossen Aufwand für die Abschirmung von Umwelteinflüssen betreiben muss – ein anderes Gebiet der Quantentechnologien nutzt aber genau diese Tatsache aus: in der Quantenkommunikation können geheime Nachrichten in verschränkten oder Überlagerungszuständen kodiert werden. Versucht ein Spion Kenntnis der Nachricht zu erhalten, zerstört er den Quantenzustand und der Abhörversuch fliegt auf.