HTML5 zwischen Marketing-Hype und Revolution
HTML5 ist heute ein Synonym für den Einsatz moderner Technologie im Internet. Das birgt die Gefahr, dass der Begriff zum Marketing-Hype verkommt, der die dahinterliegende Technologie überschattet. Was verbirgt sich hinter der Fassade von HTML5?
Schaut man sich die HTML5-Spezifikation des W3C genannten World-Wide-Web-Konsortiums an, so sieht man sich mit 1100 Seiten Beschreibung über die empfohlenen HTML- und XHTML-Tags sowie die dazugehörigen Programmierschnittstellen (APIs – Application Programming Interfaces) konfrontiert.
Alles, was heute unter dem Begriff «HTML5» zusammengefasst wird, setzt sich aus dutzenden solcher Spezifikationen verschiedener Arbeitsgruppen des W3C in den Bereichen HTML, CSS, Webapplikationen/ APIs, SVG oder Geo-Location und von ECMA Script 262 des ECMA-Konsortiums zusammen. Viele dieser Spezifikationen sind heute noch in einer frühen Arbeitsphase.
So befindet sich die HTML5-Spezifikation heute im «Working Draft» genannten Stadium und wird im Mai 2011 den «Last Call» erreichen. Ein wichtiger Schritt, ist der Last Call doch der Zeitpunkt, zu dem keine neue Funktionalität mehr hinzugefügt wird, sondern die bestehende Spezifikation stabilisiert und Fehler ausgemerzt werden.
Laut einer Pressemittelung des W3C vom Februar dieses Jahres wird HTML5 erst im Jahr 2014 zur «Recommendation», also zur fertigen Empfehlung.
Was sind die Neuerungen?
Viele der Erweiterungen in HTML5 sind klein und werden auf Anhieb vom Benutzer wahrscheinlich nicht wahrgenommen. Im Browser sieht ein klassisches div id="navigation" mit zugehöriger Formatierung durch CSS gleich aus wie ein neues HTML5-nav-Element. Das soll es ja auch. Betrachtet man aber das semantische Web, so verbessern viele der neuen HTML5-Elemente die Lesbarkeit von Webseiten für Maschinen enorm – Screen-Reader für Sehbehinderte oder Aggregationsdienste, die Seiten nach interessanter Information absuchen.
Andere Elemente wie video, audio oder canvas hingegen sind viel auffälliger. Sie erlauben es, Multimedia-Inhalte in Webseiten einzubetten und interaktive, animierte Applikationen ohne den Einsatz von Plug-ins wie Flash, Silverlight oder Quicktime zu realisieren. Ein wichtiger Schritt gerade heute, wo sich ein Teil des Webkonsums weg vom Computer auf mobile Geräte wie Tablets oder Smartphones verlagert, auf denen oft keine Unterstützung für die genannten Plug-in-Technologien vorhanden ist.
Das Zauberwort heisst «Same Markup»
Fast alle Hersteller von Webbrowsern haben die Wichtigkeit der neuen Standards für sich entdeckt und unterstützen diese in den aktuellen Versionen ihrer Browsersoftware. Als problematisch stellt sich dabei heraus, dass viele der Spezifikationen nicht eindeutig definieren, wie ein Element genau dargestellt werden soll. Das lässt ungewollten Spielraum und kann dazu führen, dass eine Webseite in der Darstellung auf verschiedenen Browsern variiert, obwohl alle Browser die Elemente «richtig» interpretieren. Ein unerwünschter Effekt, sowohl für Entwickler als auch für Konsumenten, und das könnte im schlimmsten Fall zur Renaissance der «Best viewed in Browser X (Version Y)»-Badges führen.
Auch sind viele der unter HTML5 zusammengefassten Technologien heute noch im Umbruch. Man kann und muss von allen Spezifikationen, die noch nicht mindestens im «Last Call»-Stadium sind, erwarten, dass sie sich zum Teil noch erheblich ändern oder im Extremfall sogar wieder ganz verschwinden. Trotzdem findet man heute schon Browser, die frühe Spezifikationen implementieren, wie zum Beispiel Web Sockets (die Möglichkeit, über binäre Protokolle mit dem Backend zu kommunizieren), die Index-DB (eine einfache, clientseitige Datenbank) oder Web Workers Workers (asynchrone, clientseitige Prozesse). Zu Testzwecken ist das sicher sehr interessant, es kann aber dazu führen, dass Webseiten zu früh auf neue Spezifikationen setzen, und ein enormer Aufwand betrieben werden muss, um diese Seiten mit den sich ändernden Spezifikationen kompatibel halten zu können.
Solange aber noch so viele alte Versionen von Webbrowsern im Einsatz sind wie heute, werden Webseiten nicht exklusiv auf diese neuen Standards setzen können, sondern über Feature Detection bei jedem der neuen Elemente feststellen müssen, ob der aktuelle Browser dieses unterstützt und alternativ eine Fallback-Variante anbieten. Glücklicherweise gibt es hier Helfer wie zum Beispiel Modernizr, eine Javascript-Bibliothek, die eingebunden in eine Webseite einen grossen Teil dieser Kompatibilitätschecks anbietet und die nötigen Fallback-Alternativen oft gleich mit.
Die Ära der ewigen Beta-Browser?
Unter diesem Gesichtspunkt drängt es sich auf, dass Browserhersteller laufend neue Versionen ihrer Browsersoftware auf den Markt bringen, um mit den sich ändernden Spezifikationen mithalten zu können – eine permanente «Betaversion» also. Was für den Benutzer nützlich ist, würde für Unternehmen jedoch den firmeninternen Rollout einer Browserversion beinahe unmöglich machen.
Für welche Betaversion würde man sich entscheiden? Gerade im Hinblick auf Kompatibilitätstests mit internen Applikationen, die oft Monate in Anspruch nehmen können, sind «grosse» Releases von Webbrowsern unumgänglich. In einer perfekten Welt, in der alle Browser alle Webinhalte richtig und gleich darstellen, wäre es dem Benutzer wohl egal, welchen Browser er verwendet. Für Browserhersteller stellt sich da natürlich die Frage, wie sie sich von der Konkurrenz abheben und die Benutzer dazu bewegen können, sich für ihren, zweifellos den «besten» aller Browser, zu entscheiden.
Anfänglich wurde die Differenzierung über das «Browser User Interface» gemacht, das möglichst pompös mit möglichst vielen, erweiterbaren Toolbars und Add-ons daherkam. Dieser Trend führte aber zu langsam startenden Browsern, die einen viel zu grossen Teil des Platzes für ihr eigenes User Interface verwendeten, das die darzustellenden Webseiten regelrecht verdrängten.
Schaut man sich die neuesten Browser an, stellt man zum Glück genau den gegenteiligen Trend zu einem minimalistischen Browser-User-Interface fest, bei dem der Webinhalt möglichst in den Vordergrund rückt, eingeläutet von Google Chrome, heute von allen Herstellern umgesetzt. Geschwindigkeit und Sicherheit gehören auch seit jeher zu diesen Differenzierungen, hochperformante Javascript Engines und hardwarebeschleunigte Darstellung von Inhalten sind heute in einigen Browsern zu finden. Ein wichtiger Aspekt, ohne den viele der Neuerungen in HTML5 wie canvas, video, aber auch CSS-2-D-Transformationen (und bald auch 3-D) und Animationen nicht einsetzbar wären.
Daneben existieren aber auch andere, innovative Differenzierungen wie Browser-Tab und Bookmark-Synchronisation von Firefox, Googles Chrome Web Store oder das «Pinned Site»-Feature im Internet Explorer 9, das mit wenigen meta-Tags erlaubt, Webseiten wie Applikationen mit Kontextmenus in der Windows-7-Taskbar zu verankern und das Aussehen des Browsers dem Design der Webseite anzupassen.
Plug-in- oder HTML5-Lösung?
Ist mit HTML5 der Untergang der Plug-in-Technologien besiegelt? Keinesfalls. In einigen Bereichen ist die Zeit reif, dass Plug-ins abgelöst werden. So kann man heute von einem Webbrowser erwarten, dass er multimediale Inhalte abspielen kann, ohne dass der Benutzer extra ein Plug-in dafür installieren muss. Auch führt im genannten Fall von Smartphones und Tablets oft kein Weg an HTML5 vorbei, wenn diese keine Plug-ins unterstützen.
Die Entwicklung von Rich Internet Applications auf der einen Seite, die dynamisch Daten vom Server nachladen, diese offline zwischenspeichern und interaktiv auf Benutzergruppen reagieren können, und die Entwicklung von Javascript auf der anderen Seite, das auch in HTML5 die verwendete Programmiersprache ist, gestaltet sich sehr aufwendig. Hier werden die Plug-in-Technologien in Zukunft an Relevanz gewinnen.
Sie haben mit ihren wachsenden Fähigkeiten in Bereichen wie Printing, Zugriff auf systemnahe Funktionen und Peripherie, Offline-Caching, Datenzugriff in mehrschichtigen Architekturen oder mächtige Data-Grid-Controls sogar das Potenzial, viele bestehende «Fat Client»-Applikationen zu verdrängen, da sie plattformübergreifend sind, keine Installation benötigen und so in Sachen Management viel effizienter sind.
Wer heute dennoch logikintensive HTML5-Seiten bauen will, dem stehen einige Javascript-Bibliotheken zur Verfügung, die helfen, Standardszenarien zu vereinfachen. An dieser Stelle ist jQuery zu nennen, eine Bibliothek, die das Auffinden von Elementen aus Code, Eventhandling und Animationen erleichtert, oder die Easel.js-Bibliothek, die Konzepte der Spieleprogrammierung wie Sprites oder Sparkles anbietet.
HTML5 als Lösung aller Probleme im heterogenen Smartphone-Markt?
Speziell Entwickler von Smartphone-Applikationen leiden heute unter der Heterogenität der Plattformen. Will man seine Lösung auf iOS, Android, Blackberry und Windows Phone 7 anbieten, muss man sie für jede der Plattformen neu schreiben. HTML5, zu dem ja beispielsweise auch ein Geolocation- API gehört, bietet sich für den Einsatz als systemübergreifende, mobile Applikationsplattform geradezu an. Trotzdem sieht man heute hauptsächlich installierte Apps im Einsatz auf den Mobilgeräten.
Zum einen sicher, weil die App über den App Store oder Marketplace einfacher gefunden werden kann, sicherlich aber auch weil die User Experience der App oft besser ist als die einer HTML5-Lösung. Dazu gehören der schnellere Start, die für Touch-Benutzerinterfaces optimierten Frameworks und die direktere Interaktion, die eine lokale Lösung bietet.
Interessanterweise gibt es heute erste Frameworks, die es erlauben, automatisch aus HTML5-Lösungen Apps auf verschiedenen mobilen Plattformen zu generieren. Heute wirken aber auch diese Lösungen in der Benutzung noch um einiges «träger» als ihre App-Pendants.
Das Internet der Zukunft
Es wird noch lange dauern, bis HTML5 ein gefestigter Standard sein wird, und noch viel länger, bis man davon ausgehen kann, dass der Webbrowser, mit dem der durchschnittliche Benutzer das Internet besucht, auch HTML5-fähig sein wird.
Jedem Entwickler ist dennoch zu empfehlen, sich schon heute mit HTML5 auseinanderzusetzen und für sich zu evaluieren, welche der darin enthaltenen Komponenten für seine Projekte von Interesse sein könnten. HTML5 wird zweifellos der Grundbaustein des Internets der Zukunft sein.
Wenn man aber kurz- oder mittelfristig HTML5 als den Untergang aller Browser-Plug-in-Technologien oder Smartphone- und Tablet-App-Plattformen bezeichnet, so ist das eher dem HTML5-Marketing-Hype als einer realistischen Sicht der heutigen Situation zuzuschreiben.

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