Nachgefragt

"Digitales Bargeld vereint die Vorteile aus beiden Welten"

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von Barbara Kalhammer

Die digitale Transformation hält in immer mehr Bereichen Einzug und macht auch vor dem monetären System nicht halt. Vorreiter Schweden will schon bald auf Bargeld verzichten, und hierzulande wird ein Verbot von Geldnoten diskutiert. Ob damit wirklich die richtigen Anreize für digitale Bezahl­formen geschaffen werden, beantwortet Andrei Martchouk von Yacuna.

Andrei Martchouk, CEO und Gründer, Yacuna. (Quelle: Yacuna)
Andrei Martchouk, CEO und Gründer, Yacuna. (Quelle: Yacuna)

In der Schweiz wird über das Verbot von Bargeld diskutiert. Ist eine bargeldlose Welt realistisch?

Andrei Martchouk: Die Welt ist nicht schwarz oder weiss, also mit Bargeld oder ohne. Es gibt auch elektronisches Bargeld wie etwa Bitcoin und andere Kryptowährungen. Diese zählen eher zum Bargeld als zum Buchgeld. So gesehen ist eine Welt ohne Papier und Metallgeld durchaus realistisch, das ist genau die gepriesene digitale Transformation, die in den monetären Systemen noch ansteht beziehungsweise erst am Anfang steht.

Was sind die wichtigsten Unterschiede zwischen Buch- und Bargeld?

Giralgeld, auch Buchgeld genannt, wird bereits heute bei Geschäftsbanken und Privatkonten verwendet. Es ist nur eine virtuelle Verrechnungseinheit, für die es keine physikalischen Beschränkungen etwa beim Transfer gibt. Giralgeld ist jedoch ausfallgefährdet: Im Fall einer Bankenpleite kann es weg sein. Das Bargeld steht quasi im Gegensatz dazu, es ist eine greifbare Einheit. Besonders in unsicheren Zeiten wird seine Funktion als sicherer Hafen geschätzt.

Und was ist digitales Bargeld?

Es vereint die Vorteile aus beiden Welten. Jene des Bargeldes, weil es sicherer ist, da es kryptografisch gesichert ist. Jene des Giralgeldes, weil es rein digital ist, also ohne physikalische Beschränkungen.

Wie sieht der Weg in die digitale Geldwelt aus?

Es gibt verschiedene Wege. Geht es um bargeldlose Bezahlung, so arbeiten Google, Apple und auch Facebook auf Hochtouren. Künftig wird sogar der Weg zur Kasse wegfallen, Bezahlung wird automatisch beim Verlassen des Ladenlokals stattfinden. Zahlreiche Unternehmen arbeiten an Lösungen, die in diese Richtung gehen. Der veränderte Umgang mit Bargeld kommt also nicht durch ein Verbot, sondern durch die Einfachheit der Systeme und den grossen Nutzen für die Kunden.

Also verschwindet nicht nur das Bargeld, sondern auch die Kasse?

Genau, physikalische Anwendungen werden aus dem Prozess ausgeschlossen. Sich an der Kasse anstellen, wird der Vergangenheit angehören. In einigen Jahren werden wir mit unserer Identität bezahlen. Und das Geschäft weiss auch, wie viel Geld man ausgeben kann oder für wie viel Kredit man gut ist. Darum engagieren sich vor allem Identitätsprovider wie Facebook, Google und Apple auf diesem Gebiet.

Liefert ein Verbot nicht falsche Impulse?

Absolut. Durch Bestrebungen in diese Richtung könnte Bargeld eher an Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus greift es zu kurz, nur über eine Umsetzung in der Schweiz zu sprechen. Durch die neuen Technologien werden die Landesgrenzen künftig immer transparenter werden. Konzerne wie Apple oder gar virtuelle Währungen sind nicht in Landesgrenzen zu halten.

Schweden will bis 2030 bargeldlos sein. Wie sieht die konkrete Umsetzung aus?

Dem Land geht es nicht um ein Bargeldverbot, wie es aktuell hierzulande Thema ist. Das Ganze folgt einem Optimierungsgedanken. Bargeld ist einfach zu teuer: In­frastruktur, Versicherung, Transport und Lagerung. Das fällt vor allem für kleinere Unternehmen ins Gewicht. Seit Jahren gibt es eine starke Abdeckung mit technischen Mitteln. In Schweden kann mittlerweile an jedem Kiosk mit der Karte bezahlt werden. Der nächste Schritt ist das Bezahlen per Smartphone.

Wie sieht dieser Prozess in der Schweiz aus?

Bargeld hat, nicht nur in der Schweiz, einen sehr hohen Stellenwert. Besonders in wirtschaftlich unsicheren Phasen gewinnt es an Bedeutung, wie aktuell am Beispiel Griechenland ersichtlich ist. Eine schnelle Umsetzung ist nicht möglich, weil sich das derzeitige Geldsystem mit Politik, Zentralbanken und Banken zu einer Lebensader unserer Gesellschaft entwickelt hat. Nur eine Unterstützung aus diesen Bereichen ermöglicht eine Veränderung des Systems.

Was wären ausser tieferen Kosten weitere Vorteile einer bargeldlosen Gesellschaft?

Zentral sind politische Faktoren wie Geldwäsche- und Terrorismusbekämpfung. Bargeld ist besonders geeignet, um Dinge zu tun, die ein Dritter nicht kontrollieren soll.

Was ist das Problem von digitalem Bargeld?

Aus Sicht der Politik wäre es ein Nachteil, dass es noch einfacher transportierbar und verteilbar wäre. Auf den ersten Blick würde damit dem Verbrechen Tür und Tor geöffnet. Das ist auch der Grund, warum Regulierungsbehörden dem Thema Bitcoin so kritisch gegenüberstehen. Dabei bedenken sie nicht, dass die Transaktionen durch Bitcoin viel transparenter und nachvollziehbarer werden. Digitales Bargeld bietet die Möglichkeit, Geldströme zu auditieren.

Ist es sinnvoll, illegale Aktivitäten durch ein Bargeldverbot unterbinden zu wollen?

Nein, das ist nur ein Herumdoktern an den Symptomen. Viel sinnvoller wäre es, das System durch eines zu ersetzen, das diese Möglichkeit gar nicht erst einräumt. Ein Bargeldverbot hätte zudem den Nachteil, dass der Konsument völlig überwacht werden könnte. Sicherlich. Doch genau darauf zielen die ganzen Produkt­anbieter ja ab. Wenn sie das Einkaufsverhalten der Kunden kennen, können sie ihnen jederzeit weitere passende Angebote offerieren. Diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten.

Welche Wege stehen der Schweiz offen?

Zum einen das klassische schwedische Modell mit einer höheren Kartenakzeptanz. Zum anderen mehr Akzeptanz­stellen für Smartphones und damit vermehrte mobile Bezahlung. Parallel entwickelt sich auch der innovative Strang der digitalen Währungen. Doch noch kann man nicht sagen, welche sich durchsetzen wird.

Könnte die Schweiz überhaupt auf Bar- oder Giralgeld völlig verzichten?

Nein, denn sowohl Bargeld als auch Giralgeld sind so stark verankert, dass heute die Welt ohne sie einfach nicht mehr bestehen könnte.

Hat Bitcoin überhaupt Zukunftschancen?

Bitcoin war der erste Schritt und hat sozusagen den Beweis erbracht, dass eine Währung mit einer öffentlichen Transaktionsdatenbank und Kryptografie möglich ist. Die dahinterstehende Technologie Blockchain ermöglicht der Finanzbranche den Transfer der Werte. Daraufhin sind weitere Internetprotokolle entstanden wie etwa Ripple, mit dem global Überweisungen von realen und virtuellen Zahlungen in Echtzeit abgewickelt werden können. Das sind nur wenige Beispiele, was mit Blockchain umsetzbar ist. Wir sind überzeugt, dass das Giralsystem früher oder später durch neue technologische Konzepte abgelöst wird.

Wird sich auch bei normalen Überweisungen etwas ändern?

Ja, denn auch da eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten. Landesgrenzen werden durchlässig, das Geld bekommt eine neue Form und kann etwa per E-Mail in Echtzeit ins Ausland versendet werden.

Welche Rolle spielen Sicherheitsaspekte?

Eine zentrale. Das war schon bei der Kreditkarte und somit beim Giralgeld so. Die Menschen haben grosse Angst vor Missbrauch.

Wird sich das beim digitalen Bargeld ändern?

Je moderner ein Verfahren ist, desto moderner sind auch die Sicherheitsmassnahmen. Aber natürlich besteht die Gefahr, mit ausreichend Kreativität auch bei digitalem Bargeld ein Schlupfloch zu finden. Genau wie bei einem Safe benötigt man einen Schlüssel, um auf das Geld zuzugreifen. Nur dass dieser Schlüssel geknackt statt gestohlen werden kann.

Sieht es ausserhalb der Schweiz anders aus?

Japan und insgesamt die asiatischen Länder sind bei der mobilen Bezahlung sehr weit, ebenso Afrika. Hier liefen die Entwicklungen aber nicht über Verbote, sondern wurden von der Einfachheit und Nutzerfreundlichkeit getrieben.

Das Smartphone wird also zum Portemonnaie?

Genau. Das Smartphone ist aber nicht nur ein Terminal zum Bankkonto, es wird selbst zum Bankkonto. Dieses Geld wird als Bargeld gelten, so wie physisches Bargeld heute.

Aus dem Wirtschaftsmagazin «PUNKT» – «Du bist Wirtschaft» Ausgabe 4, 2015 | www.punktmagazin.ch 
 

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