Netzneutralität mit Hintertüren

Europäisches Parlament beschliesst "offenes Internet"

Uhr | Aktualisiert
von Christoph Grau

Das Europäische Parlament hat die Netzneutralität verankert. Zudem beschloss es die Abschaffung der Roaming-Gebühren bis Mitte 2017. Beide Beschlüsse haben aber Hintertüren.

Das Europäische Parlament hat mehrere Entscheidungen für die Telekommunikationsbranche in der EU gefällt. Die Parlamentarier beschäftigten sich mit der Netzneutralität und der Zukunft des Roamings in Europa, wie einer Mitteilung zu entnehmen ist.

Netzneutralität mit Hintertüren

Das Parlament verabschiedete ein Gesetz, dass "die Anbieter von Internetzugangsdiensten verpflichtet, den gesamten Verkehr bei der Erbringung solcher Dienstleistungen gleich zu behandeln". Dabei dürfe es unabhängig von Sender und Empfänger keine "Diskriminierung, Beschränkung oder Störung" geben.

Das Gesetz sieht jedoch vor, dass "Internetanbieter Spezialdienste anbieten dürfen", deren Traffic Vorrang hat. Bei der Erbringung dieser dürfe die "allgemeine Internetqualität" jedoch nicht leiden. Der zuständige EU-Kommissar für die Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Günther Oettinger, begründete diese Ausnahmen in einer Medienkonferenz. Er nannte Notdienste oder kritische Gesundheitsanwendungen als Beispiele für solche Ausnahmen.

Oettingers Ausführungen zufolge sollte dies aber die absolute Ausnahme sein. In einer Medienmitteilung werden aber auch Internet-TV und Videokonferenzen aufgeführt, was den Aussagen widerspricht. Tatsächlich werden die Spezialdienste in der Verordnung nicht genauer definiert.

Diese schwammige Formulierung kritisierte auch Heise in einem Beitrag. Sie sei ein potenzielles Einfallstor für den Missbrauch und ermögliche ein Internet der zwei Geschwindigkeiten in der EU. Heise stellte auch fest, dass der Begriff "Netzneutralität" im Dokument nicht einmal erwähnt wird. Es werde nur von einem "offenen Internet" gesprochen.

Die Gegenvorschläge für eine strengere Auslegung der Netzneutralität aus den Reihen der Grünen, Linken und Liberalen fanden keine Mehrheit. Nur rund 200 der fast 700 Abgeordneten stimmten dafür, schreibt Heise weiter.

Roaming-Gebühren bald Geschichte

Zum 30. April fallen die Raoming-Kosten in der EU erneut. Für Anrufe werden dann maximal 5 Cent berechnet. Eine SMS soll 2 Cent kosten. Für ein Megabyte Daten sollen die Provider höchstens 5 Cent verrechnen dürfen. Am 15. Juni entfallen die Roming-Preise in der EU dann vollständig.

Es gibt aber eine Ausnahme, und zwar wenn die Provider die Kosten nachweislich nicht decken können. Dann können diese bei den zuständigen Behörden eine Ausnahme beantragen, um höhere Beträge zu verlangen. Dies solle jedoch nur die Kosten decken und eine Ausnahme sein, ist der Mitteilung zu entnehmen.

Auch soll eine "Fair use Policy" Missbrauch verhindern. Dies etwa, wenn die SIM-Karte nur im Ausland oder für "dauerhaftes Roaming" verwendet wird. Die Europäische Kommission soll die Details dazu regeln.

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