Wild Card

Wie der Banker zum Programmierer wird

Uhr | Aktualisiert
von Patrick Püntener

Innovation kennt keine Sommerpause – auch nicht, wenn das Wetter so aussergewöhnlich ist wie in diesem Jahr. Steten Schrittes wird ein Markt nach dem anderen digitalisiert, teils mit spürbaren Vorteilen, teils mit drastischen Folgen.

Patrick Püntener, Mitgründer und Mitglied der Geschäftsleitung der Colygon AG
Patrick Püntener, Mitgründer und Mitglied der Geschäftsleitung der Colygon AG

Es gibt drei Arten von Innovationen: Man kann etwas vereinfachen, um Kosten oder Zeit zu sparen, etwas verbessern, um die Nachfrage zu steigern, oder etwas verändern, um damit den Markt aufzumischen. Die Digitalisierung unserer Welt vereinfacht zwar vieles und führt sicher zu einigen Verbesserungen. Sie ist aber in erster Linie disruptiv – das heisst, sie verändert alles grundlegend und in sehr kurzer Zeit.

Wo wir früher eine CD gekauft haben, öffnen wir heute Apple Music. Statt zum Videoverleih zu gehen, stöbern wir in Netflix. Und Bücher laden wir auf den Kindle, während sich in unseren Regalen im Wohnzimmer die Leere breitmacht. Man könnte auch sagen, dass der Raum grösser und der Ballast weniger wird. Eine andere Folge ist, dass dadurch viele weniger qualifizierte Jobs verschwinden. Stattdessen braucht es immer mehr Informatiker.

Von der Hardware zur Software

Ähnliches spielt sich zurzeit in der Automobilindustrie ab. Während im Zeitalter der Benzinmotoren in erster Linie die Hardware im Vordergrund stand, rückt mit den Elektroautos die Software in den Fokus. Autobauer müssen zu Programmierern werden. Das Gleiche gilt auch für andere Zweige des produzierenden Gewerbes – vom Energielieferanten bis zum Uhrmacher.

Noch extremer wird es, wenn es um Dienstleistungen geht. Uber, sozusagen das grösste Taxiunternehmen der Welt, fährt selbst kein einziges Auto. Airbnb bietet weltweit die meisten Übernachtungsgelegenheiten an, ohne auch nur eine Immobilie zu verwalten, geschweige denn zu besitzen. Youtube und Facebook produzieren keine Inhalte, verzeichnen aber Besucherzahlen, von denen Zeitungen und Fernsehsender nur träumen können. Ja, die Youtuber laufen bei der jungen Generation gar gestandenen Hollywood-Grössen und Popstars den Rang ab.

Das digitale Geld ist "smart"

Diesen Trends gemeinsam ist, dass sie sich alle in eine Richtung und zwar weg von der zentralen Kontrolle entwickeln. Und dass sie ohne Informationstechnologie nicht möglich wären. Parallelen dazu gibt es auch in einem anderen Bereich: beim Geld. Die Rede ist von Bitcoin und vergleichbaren Kryptowährungen. Statt von einer zentralen Instanz werden sie dezentral ausgegeben (errechnet) und verwaltet. Die Kon­trolle liegt somit auf der transaktionalen Ebene bei jedem Einzelnen.

Wesentlicher scheint mir aber zu sein, dass das digitale Geld "smart" ist – es basiert auf reiner Informationstechnologie und man kann es programmieren. Das bedeutet, eine Software kann in Zukunft Geld entgegennehmen, besitzen und auszahlen. Die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, sind enorm. Im Prinzip lässt sich jede Transaktion, die auf klaren Regeln beruht (etwa auf einem Vertrag), komplett ohne menschliches Zutun abwickeln. Versicherungen, Börsengeschäfte, Zahlungsverkehr, Crowdfunding, Warenhandel – überall dort, wo heute noch gut bezahlte Broker die hohle Hand machen –, alles würde unter der unbestechlichen Obhut einer Software Peer-to-Peer laufen. Würde? Wird. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Finanzbranche dran ist. Vermutlich wird die letzte Finanzkrise dagegen wie eine sanfte Brise erscheinen.

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