Finance

Ansatzpunkt in der Praxis: Wie der HUB-Gedanke oder der Aufbau von Ökosystemen die Triebfedern des technologischen Fortschritts sind

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von Marc-André Dumont, Leiter Produktmanagement, Crealogix

Die notwendigen Veränderungen für Banken sind gravierend. Ein grundlegendes Umdenken mit schrittweisen Innovationen, die Technologien mit dem Faktor Mensch verbinden, kann hier mit Evolution statt Revolution zum Ziel führen.

Marc-André Dumont, Leiter Produktmanagement, Crealogix. (Quelle: Crealogix)
Marc-André Dumont, Leiter Produktmanagement, Crealogix. (Quelle: Crealogix)

Die Barclays Bank macht es vor. Sie bezeichnet sich selbst als eine "technological company offering financial services". Dieses Selbstverständnis einer Bank zeigt den Wandel und die neue Rolle der Technologie. Sie ist nicht in einer Abteilung abgekapselt und dient nur zur Bereitstellung der eigentlichen Dienstleistung, sondern ist die zentrale Grundlage für die Wertschöpfung, der Dreh- und Angelpunkt und am Kunden-Frontend für das positive Banking-Erlebnis des Kunden zuständig.

Hub-Gedanke: Skalierbarkeit der Technologie als Fortschritt

Im technologischen Fortschritt liegt die Triebfeder der Veränderungen des Bankings. Digitale Vertriebskanäle haben das Angebot der immateriellen, leicht kopierbaren und über digitale Medien mit vergleichsweise geringem Aufwand zu vertreibende Bankleistungen deutlich verändert. Technologie ist nicht einfach der Bereich, der das Angebot der Bankdienstleistung ermöglicht, verschlankt, rechtssicherer oder effizienter bewerkstelligt, sondern ein grosser Teil der Daseinsberechtigung der Angebote wird zukünftig durch Technologie begründet. Für die Barclays Bank steht eine skalierbare IT im Zentrum all ihrer Aktivitäten. Von diesem Erfolgsmodell kann man lernen.

Die veränderte Rolle der IT

Aufgrund der neuen Rolle des Kunden und der wachsenden Bedeutung der Technologie müssen Prozesse in Banken entsprechend neu ausgerichtet werden. Bei dieser Neuausrichtung ist unbedingt zu beachten, dass diese Prozesse vom Kunden her gedacht werden. Dafür müssen zunächst die Kernprozesse des Unternehmens tatsächlich auf den Kunden ausgerichtet werden, was auch bedeutet, dass IT-Strukturen nicht allein aus Kosten- und Effizienzgesichtspunkten betrachtet werden. Dies erfordert in hohem Masse Flexibilität und Skalierbarkeit. Denn wenn Prozesse nicht mehr so gestaltet werden, dass sie am besten zu den internen Strukturen der Bank passen, sondern so, wie sie am besten dem Verhalten des Kunden entsprechen, dann müssen sie auch die Sprunghaftigkeit des Kunden berücksichtigen.

Die IT spielt nicht mehr eine primär intern wirkende, prozess­unterstützende Rolle wie im klassischen Bankprozessverständnis, sondern wird zum zentralen Element in Richtung Kunde, also extern. Offene Schnittstellen und eine generelle Öffnung der Strukturen sind nötig, um neue externe und bankeigene Anwendungen an das vorhandene System anzubinden und so in puncto Schnelligkeit zu gewinnen.

Die IT der zwei Geschwindigkeiten

In der von Gartner und anderen führenden Technologie-Forschungsunternehmen forcierten "IT der zwei Geschwindigkeiten" liegt hierbei eine Chance für die Banken. Die Systematik ist eine Antwort darauf, mit der erhöhten Geschwindigkeit der Digitalisierung, den rechtlichen Anforderungen und gleichzeitig mit den Bedürfnissen der hybriden Kunden zurechtzukommen. Da sich die Anforderungen im Backoffice nicht so schnell ändern wie die des Marktes, sollte das Backoffice als stabiler Kern unangetastet bleiben, um die Integrität der internen Prozesse nicht zu gefährden.

Darüber wird ein agiler "Layer" gespannt, der die markt- und kundennahen Prozesse abbildet. So kann auf die unterschiedlichen Anforderungen eingegangen werden, die je nach Blickrichtung (interne/externe Ausrichtung) entstehen. Um Interoperabilität und Systemstabilität sicherzustellen, wird die Kern-IT so in grösseren Abständen aktualisiert, während neue Anwendungen etwa über eine Middleware-Plattform, Layer und APIs angebunden werden.

IT ist in der beschriebenen Gesamtproblematik nicht gleichzusetzen mit Digitalisierung, da die Digitalisierung mit neuen Handlungs- und Denkmustern einhergeht und weit mehr bedeutet als nur die Einführung offener Schnittstellen.

API und offene Architekturen

Marc Andreesen hat vor über zehn Jahren bereits sehr treffend die veränderte Sicht auf Technologie beschrieben. "Software is eating the world" beschreibt die Rolle der IT, die nicht abgekapselt zu verstehen ist (Vgl. auch Roland Berger 2015, S. 11).  Vielmehr dringt Technologisierung und Digitalisierung in jeden Bereich unseres Lebens ein und verändert es zum Teil massgeblich. Die Kunden nehmen Apps, die sie bequem über ihr Smartphone nutzen können, als Instrumente zur Erleichterung ihres Alltags wahr. Hier können Banken ansetzen. APIs werden diese Entwicklung beschleunigen.

Für Banken bietet sich mit dieser Entwicklung die Chance, auf die veränderten Kundenbedürfnisse zu reagieren. Credit Agricole bot bereits 2013 APIs an und öffnete sich für Co-Creation, daraus entstanden diverse nützliche Applikationen. Auch die Fidor Bank schlug mit dem Pirate Banking-Tag diesen Weg ein.

Die möglichen Vorteile des API-Bankings liegen vor allem in den Bereichen Innovationsgeschwindigkeit und Flexibilität. Es bietet die Möglichkeit, die wartungsintensiven Bestands- und Legacy-Systeme über Middleware-Plattformen von den Bereichen zu trennen, die für die Kundeninteraktion essenziell sind. So erreichen Banken trotz der alten Bestandssysteme und einer eher monolithischen Architektur mit diesen Schichtenmodellen eine technologische Ausgangsbasis, um den Kundenanforderungen der digitalisierten Kunden zu entsprechen. Sie liefert ausserdem die Grundlage für ein offenes System, das viel stärker die Prinzipien der Community berücksichtigt, als Banken dies bisher tun.

Diese Tendenz findet sich aber nicht nur in der IT der zwei Geschwindigkeiten, wie bereits beschrieben. Agilere Entwicklungsmethoden und Vorgehensmodelle bei der Durchführung von IT Projekten gehören ebenfalls dazu, da das eine nicht ohne das andere funktioniert. Sie ermöglichen es, flexibel auf Anpassungen zu reagieren, die im Kunden- Frontend notwendig werden und damit schnellere Reaktionszeiten erfordern. Denn auch ein zu zögerliches Anpassungsverhalten im App-Store kann verheerend sein – es reicht nicht, nur einmal eine App zu programmieren und damit nach aussen Modernität zu demonstrieren. Vielmehr müssen auch diese Technik-Versprechen dauerhaft gehalten und die User-Community gepflegt werden.

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