Finance

Zukunftsfähiges Banking im Spannungsfeld zwischen Mensch und Technologie

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von Kommunikation/Geschäftsfeldentwicklung/Portfoliosteuerung Financial Advisory, Crealogix

Um wettbewerbsfähig zu bleiben und den Fintechs die Stirn bieten zu können, müssen Banken ihre bisherigen Prozesse, Strukturen und Denkweisen auf den Prüfstand stellen und den modernen, hybriden Kunden in den Mittelpunkt rücken.

Stephanie Wissmann, Leiterin Marketing und Kommunikation/Geschäftsfeldentwicklung/Portfoliosteuerung Financial Advisory, Crealogix. (Quelle: Crealogix)
Stephanie Wissmann, Leiterin Marketing und Kommunikation/Geschäftsfeldentwicklung/Portfoliosteuerung Financial Advisory, Crealogix. (Quelle: Crealogix)

Verändertes Kundenverhalten und der wachsende Einfluss von digitalen Technologien scheinen die zwei stärksten Pole zu sein, von denen der Wandel – nicht nur in der Finanzbranche – getrieben wird. Die Pole sind selbst in Bewegung. Sie beeinflussen und verstärken sich gegenseitig, sie üben ihre Anziehungskraft auf unterschiedliche Elemente aus. Und in deren gelungenem Zusammenspiel, in ihrem harmonischen "Takt" liegt gleichzeitig die Antwort.

In der öffentlichen Wahrnehmung scheint die Technologie ein Grund dafür zu sein, dass sich Kunden von der persönlichen Bankberatung abwenden und neuen Mitspielern im Markt eine Chance geben, ihr Geld zu verwalten. Das Internet hat die Vergleichsmöglichkeiten erhöht und verändert damit auch den Zugang zu Produkten und Beratung.

Durch die verstärkte Nutzung von Mobile- und Onlinebanking gehen auf den ersten Blick immer mehr persönliche Kontaktpunkte zur Bank verloren. Das bestehende Geschäftsmodell, die Art und Weise, wie Banken über Jahrzehnte funktioniert haben, beginnt zu erodieren. Auf der Suche nach einem Schuldigen werden teilweise traditionelle Beratung und Online-Finanzdienstleistungen gegeneinander ausgespielt (als sich abstossende Pole bezeichnet). Neidisch blickt man auf Fintechs, die mit ihrer vermeintlichen Innovationskraft und ihren technologisch ansprechenden Lösungen den Finanzmarkt aufzurollen und teilweise sogar überrollen zu scheinen.

Dabei wird übersehen, dass viele Fintechs etwas anstreben, was die Banken bereits haben: eine breite Kundenbasis. Diese zu nutzen, durch eine intelligente Verbindung von Technik und Mensch verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen sowie die Bindung zu ihren Kunden nachhaltig zu stärken – darin liegt der Schlüssel für ein zukunftsfähiges Banking.

Grundlegende Prozesse, Arbeitsweisen und Strukturen müssen hinterfragt beziehungsweise vollkommen neu gedacht werden. Nur wenn die bislang vorherrschenden Verhaltensmuster – sowohl in der Art und Weise der Kundenansprache als auch in der internen Organisation der Banken – und technologischen Prozesse vom Kunden und von innovativeren, technologischen Möglichkeiten her konzipiert werden und sie nicht rein auf operative Exzellenz oder Kostenprozessoptimierung abzielen, ist ein zukunftsfähiges Banking möglich.

Die Basis hierfür liegt in kundenorientierten Frontends, kostengünstigen und flexibleren Betriebsmodellen und Prozessen, die digital konzipiert wurden. So kann es gelingen, den veränderten Anforderungen des hybriden Kunden von morgen in Finanzfragen bei Finanzentscheidungen zu entsprechen.

Die Antwort: Technologie als Kosten- und Effizienzwerkzeuge

Technologie könnte hier eine Antwort liefern. Technologisch basierte Banking-Angebote bieten bessere Kostenstrukturen sowie schnellen Service und Zugriff, zudem sind sie nicht an Öffnungszeiten gebunden. Allerdings werden eine Durchdringung der Nutzung des Onlinebankings von lediglich 50 Prozent und die vergleichsweise niedrige Zahl der online getätigten Abschlüsse bei Finanzprodukten immer wieder als Argumente gegen ein digitalisiertes Banking genannt. Zwar werden diese Stimmen leiser, angesichts der wachsenden Zahl der Fintechs, die mit reinen digitalen Angeboten neue Kunden gewinnen. Doch die Meinung, dass Finanzberatung einer menschlichen Komponente bedarf und Self-Service-Angebote nur begrenzt genutzt werden, herrscht weiterhin vor.

Allerdings greift dies zu kurz. Die bisherigen digitalisierten Bankprozesse in Form von Onlineangeboten treffen vielleicht deshalb noch auf wenig Zuspruch, weil sie auf die Marktanforderungen der digitalen Nutzergruppen keine adäquate Antwort liefern. Denn sie basieren auf einer IT-getriebenen Wertschöpfungskette, die vor allem aus Unternehmensinnensicht heraus effizient organisiert ist und noch immer strikt zwischen Produktion und Vertrieb trennt. Statt eines ansprechenden Kundenfrontends dominieren Abfragemasken, die den Backend-Bearbeitungsprozess oder Onboarding Vorgänge bankintern zwar beschleunigen, aber auf Kosten des Kundenerlebnisses gehen. Fintech-Anbieter, die eine Girokontoeröffnung komplett mobil und innerhalb von wenigen Klicks ermöglichen, lassen etablierte Banken oft (im wahrsten Sinne des Wortes) alt aussehen.

Vor der Lösung: die wahren Problemfelder identizifizeren

Langsam scheinen die Banken die komplexe Problematik und die Verbindung zwischen den beschriebenen Polen zu erkennen. Doch der Einführung neuer Denkmuster unangepasster Geschäftsmodelle stehen viele Hemmnisse entgegen. Zu den am schwierigsten veränderbaren Elementen zählen dabei die Strukturen innerhalb der Banken.

Banken sind an Systeme gefesselt, die sehr oft bereits viele Jahre (in Teilen sogar Jahrzehnte) im Einsatz sind. Vielfach ist die verwendete Technologie veraltet und über die Jahre stückweise erweitert worden. Es finden sich noch fast überall in die Jahre gekommene Programmiersprachen und verzweigte, isolierte Datenbankstrukturen. Auf deren Basis lassen sich heute kaum innovative Softwareanwendungen entwickeln, mit denen flexibel und schnell auf Marktanforderungen reagiert werden kann. In diesem Punkt haben die neuen Player am Markt einen klaren Wettbewerbsvorteil, weil sie mit ihrer Technologie und IT auf der grünen Wiese beginnen und diese gleich skalierbar aufsetzen können. Sie nutzen moderne, agile Entwicklungsmethoden und müssen aufgrund ihres Frontend-Ansatzes weniger Lasten durch umfangreiche Legacy-Systeme tragen.

Traditionelle Banken müssen dagegen oft Veränderungen "am offenen Herzen" vornehmen, also mögliche Innovationen in den laufenden Betrieb einbauen. Die veralteten IT-Strukturen fördern zudem das Silodenken, das in den Abteilungen herrscht. Fach- und IT-Abteilung sind oft quasi entkoppelt. Interdisziplinäres Arbeiten zwischen einzelnen Sektionen ist die Ausnahme, nicht die Regel, auch aus Gründen der Compliance. Prozesse sind vielfach an die gewachsene Hierarchiestruktur gebunden und greifen nicht genug ineinander. Die bestehenden Technologielösungen sind ein Abbild dieser Strukturen, in denen Features und Anforderungen von Fachabteilungen gesammelt, und anschliessend von der IT umgesetzt werden. So entstehen Anwendungen, die nicht den Kern treffen, auf den sie eigentlich abzielen sollten – das Bedürfnis des Bankkunden.

Denkanstösse

  • Differenzierung über platte Werbebotschaften verliert mehr und mehr an Wirksamkeit.
  • Personal Finance Management ist ein Schritt, Dienstleistung als solche zu verpacken und sich als Ansprechpartner für alle Finanzfragen zu qualiizieren.
  • Die Digitalisierung von Dienstleistungen und Prozessen kann zu einem besseren Kundenerlebnis führen und bietet enorme Chancen in der Kundenbindung.
  • Prozesse vom Kunden her zu denken ist vielleicht der einzige Ausweg, um auf geänderte Anforderungen und
  • Kundenbedürfnisse zu reagieren.
  • "Banking is necessary" hat Bill Gates gesagt. Wenn Banken es schaffen, sich für Kunden attraktiv zu machen,
  • bleiben sie auch weiter notwendig.
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