IT-Beschaffungskonferenz

"Wir beschaffen IT wie Ziegelsteine"

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An der fünften IT-Beschaffungskonferenz haben zahlreiche Referenten über die Trends im Beschaffungswesen informiert. Mehr als 300 Gäste kamen zur Tagung nach Bern. Nationalrat Franz Grüter stellte positive Entwicklungen fest und benannte Verbesserungspotenziale.

Am 24. August ist die fünfte IT-Beschaffungskonferenz über die Bühne gegangen. Veranstaltet wurde der Event von der Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern. Der Event trug das Motto "Schlanke und flexible Beschaffung". Laut den Veranstaltern kamen rund 350 Personen an den Event, der im Von Roll Areal der Uni Bern stattfand.

Nationalrat Franz Grüter eröffnete die Veranstaltung. In seinem Vortrag fasst er nicht nur die aktuellen Missstände in der Beschaffung zusammen, sondern stellte auch einige Anregungen für Verbesserungen in den Raum.

Bund als grosser Auftraggeber

Grüter sprach sowohl in der Rolle als Unternehmer wie auch als Nationalrat, wie er gleich zu Anfang betonte. Er befinde sich aber in keinem Interessenkonflikt, da er mit Green.ch keine öffentlichen Aufträge habe. Grüter ist zudem Mitglied der Finanzkommission, zu deren Aufgabe unter anderem die Prüfung von öffentlichen Aufträgen gehört.

Er betonte, dass die IT-Projekte der öffentlichen Hand keine kleinen Brocken seien. Laut Grüter geben Bund, Kantone und Gemeinden im Jahr zwischen 2 bis 2,5 Milliarden Franken für die IT aus, sowohl für Beschaffung wie auch den Betrieb. Allein beim Bund summieren sich die Ausgaben auf 1 Milliarde Franken.

Somit ist der öffentliche Bereich auch einer der wichtigsten Arbeitgeber der Schweizer IT-Branche. Gleichzeitig steuert der Bund laut Grüter damit das Profil der IT und ist eine wichtige Antriebsfeder für die Branche. "Die öffentliche Hand kann Innovationen fördern oder auch verlangsamen", sagte Grüter weiter.

Im Vergleich zur sehr dynamischen IT stammen die "Strukturen der Beschaffung noch aus dem letzten Jahrhundert", hob Grüter hervor. "Wir beschaffen IT wie Ziegelsteine", was auch darin zum Ausdruck komme, dass die Beschaffung dem Bundesamt für Bauten zugeordnet sei. Diese Vorgaben seien aber nicht mehr zeitgemäss, sagte Grüter weiter.

Des Weiteren kritisierte er den oft zu eng und starr gefassten Katalog an Anforderungen und Spezifikationen, die mit den Ausschreibungen in der IT einhergingen. "Innovationen und Variationen werden dadurch ausgebremst", betonte Grüter. Ganz zu schweigen davon, dass dies sehr viele IT-Spezialisten auch beim Bund allein für die Ausschreibungen binde.

Zu viele Freihänder sind ein Problem

Grüter widersprach der Aussage, dass es beim Bund nur Probleme mit IT-Projekt gebe. Die Liste der IT-Projekte sei sehr lang, aber im Grossen und Ganzen laufe sehr viel gut und es gebe viele erfolgreiche Projekte. Aber von diesen höre man in der Regel nichts, betonte Grüter.

Kritik äusserte Grüter beim Trend hin zu mehr freihändigen Vergaben von IT-Aufträgen. Laut ihm gibt es durchaus Gründe für dieses Vorgehen, "aber dass 60 Prozent so vergeben werden, ist zumindest zu hinterfragen“. Zudem seien die freihändigen Entscheidungen für den Bürger häufig nicht nachvollziehbar. Freihändige Vergaben seien zwar nicht per se schlecht, sie müssten aber deutlich reduziert werden, forderte Grüter. Dies führe letztlich auch zu mehr Transparenz und Akzeptanz.

Politik in der Verantwortung

Die Schuld könne jedoch nicht nur bei den Beschaffungsstellen gesucht werden, sage Grüter weiter. Denn die Politik sei in der Pflicht, Projekte zu hinterfragen und damit die Interessen der Bürger zu vertreten. "Leider wird die ICT in der Politik aber noch stiefmütterlich behandelt", sagte er. Dies komme auch in der fehlenden Lobby für diesen wichtigen Schweizer Wirtschaftszweig zum Ausdruck. Auch litten die Anbieter darunter, dass in der Schweiz keine aktive ICT-Politik betrieben werde.

Als Bremsklotz bezeichnete er auch den Trend, dass der Bund mehr Arbeit auf Abruf vergebe. Den Behörden bringe dies zwar mehr Flexibilität. Im Gegenzug führe dies bei den Anbietern aber dazu, dass sie hochqualifizierte Mitarbeiter auf Abruf bereithalten müssten. Dies erschwere nicht nur die Ressourcenplanung und erhöhe die Kosten, auch die Nachwuchsförderung werde damit geschwächt. Das Motto sollte daher lauten: "Werke statt Arbeit auf Abruf", forderte Grüter.

Dialogverfahren als Alternative

Als eine Alternative für die traditionellen Ausschreibungen brachte Grüter das Dialogverfahren ins Spiel. Seiner Ansicht nach müsste viel mehr mit diesem Instrument gearbeitet werden. Beim Dialogverfahren werden nur grobe Zielvorgaben definiert und die verschiedenen Anbieter können in Abstimmung mit den Auftraggebern ganz unterschiedliche Lösungen entwickeln.

Dies bedeute jedoch ein grösseres Risiko für den Bund, da nicht alles im Detail festgeschrieben ist, wie Grüter erklärte. Auch erfordere es Mut von den Auftraggebern, da ein erhöhtes Risiko für Fehlschläge bestehe. Aber nur so könnten Anbieter wirkliche innovative Lösungen einbringen, was der gesamten Branche zugute komme. Die Anbieterseite würde mehr Dialogverfahren durchaus begrüssen, zeigte sich Güter überzeugt.

Auch Thomas Fischer, Vorsitzender Beschaffungskonferenz des Kantons Bern, ging in seinem Vortrag auf das Dialogverfahren ein. Dieses erlaube es den Anbietern, den Leistungsgegenstand vor der Einreichung der Offerte zu konkretisieren, sagte er. Damit könnten die Anbieter direkter eingebunden und Innovationen gefördert werden. Dennoch beurteilt er das Verfahren eher als exotisch. Denn es sei sehr zeitintensiv und komplex. Seiner Meinung nach eigne es sich eher für Grossprojekte als für die gängige Ausschreibungspraxis.

Qualität geht über den Preis

Marc André Hahn vom Beratungsunternehmen Sieber und Partners beleuchtete in seinem Vortrag den Qualitätsaspekt bei der Softwarebeschaffung. Seiner Meinung nach würde dieser bei den Beschaffungsprozessen vernachlässigt. Dabei habe die Qualität starke Auswirkungen auf die späteren Wartungs- und Betriebskosten. Auf lange Sicht treibe schlechte Softwarequalität die Kosten in die Höhe, sagte er. Denn schlechte Qualität im Quellcode erschwere die Wartbarkeit von Anwendungen. Auch Weiterentwicklungen und Anpassungen hätten einen erheblichen Mehraufwand zur Folge.

Jedoch muss gute Qualität nicht zwangsläufig auch teurer sein. "Gute Qualität ist billiger und günstiger zu produzieren als schlechte Qualität", sagte er. Dabei soll jedoch nicht auf den Stundensatz alleine geschaut werden, sondern auf den gesamten Lebenszyklus.

Für die Bewerbung der Qualität stellte er das in Deutschland entwickelte Sternesystem von IT-TÜV vor. Anhand internationaler Standards bewertet der TÜV die Qualität von Sourcecode. Dabei bedeuten fünf Sterne, dass die Qualität des Codes zu den besten 5 Prozent gehört. Entsprechend wird abgestuft. Mit diesem System sei es möglich, das Produkt nach der Qualität zu bewerten. Damit könnte der Kunde vom Hersteller etwa fordern, eine Qualität von vier Sternen abzuliefern. Entsprechend besserer Code könnte auch mit Boni belohnt werden. So könnten Kunden langfristig höhere Kosten vermeiden.

Bisher sei solch ein Vorgehen in der Branche jedoch nur selten vorzufinden: "Man guckt nur auf die Kosten und nicht auf die Qualität", sagte Hahn. Dies sei so in kaum einer anderen Branche vorzufinden. Für ihn ist dieses Vorgehen fahrlässig. Er sieht aber einen Trend hin zu mehr Gewichtung dieses Aspekts. Initiativen für Schweizer Qualitätslabels seien ihm aber bisher nicht bekannt.

Fortsetzung im nächsten Jahr

Auf zahlreichen weiteren Panels konnten sich die Anwesenden noch weiter in die neuesten Entwicklungen im Beschaffungswesen vertiefen. Vor allem die Pausen wurde für den regen Austausch genutzt. Für Interessierte bietet die Uni Bern zudem auch einen CAS in "ICT-Beschaffungen" an, der das grundlegende Wissen vermitteln soll.

Der Termin für die nächste Beschaffungskonferenz steht auch schon fest. Am 15. August 2017 soll diese wieder im Von Roll Areal stattfinden, sagte Organisator Matthias Stürmer zum Abschluss. Der Event klang mit einem Apéro aus, der von den Gästen intensiv zum Networking und zur Verarbeitung der Inputs genutzt wurde.

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