App-Projekt "One Health"

Mobile Früherkennung von Zoonosen

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von Edith Maier, Professorin für Wirtschaftsinformatik, und Sandro Emmenegger, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Informations- und Prozessmanagement, FHS St. Gallen

Zoonosen sind Krankheiten und Infektionen, die zwischen Tier und Mensch übertragen werden. In einem Forschungsprojekt arbeiten Experten aus den Bereichen Mensch- und Tiergesundheit, Ernährung, Mobiltechnologie und Datenanalyse zusammen, um Zoonosen frühzeitig erkennen und bekämpfen zu können.

Edith Maier, Professorin für Wirtschaftsinformatik und Sandro Emmenegger, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Informations- und Prozessmanagement, FHS St. Gallen (Source: zVg)
Edith Maier, Professorin für Wirtschaftsinformatik und Sandro Emmenegger, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Informations- und Prozessmanagement, FHS St. Gallen (Source: zVg)

Das neu gestartete Projekt (am von Swiss Universities geförderten Projekt sind neben dem Institut für Informations- und Prozessmanagement der FHS St. Gallen das Human Nutrition Lab der ETH Zürich, das Schweizerische Tropen- und Public-Health-Institut der Universität Basel (TPH) und Universitäten in Kenia, Äthiopien und Peru beteiligt) hat einerseits zum Ziel, Grundlagen zu "One Health", das heisst der engen Verknüpfung von Mensch- und Tiergesundheit, mittels eines "Massive Open Online Course" zu vermitteln, andererseits die Voraussetzungen für ein effizientes Monitoring-System zu schaffen, um die Verbreitung von Krankheiten zu verhindern. Dafür soll ein auf mobiler Technologie basiertes Notfall- und Überwachungssystem in den Partnerländern Kenia, Äthiopien und Peru aufgebaut werden. Dorfbewohner, aber auch Nomaden mit ihren Tieren, sollen über mobile Geräte mögliche kritische Vorfälle an eine zentrale Stelle melden und gleichzeitig Zugang zu medizinischer Hilfe erhalten.

In der Entwicklung arbeiten wir eng mit Kollegen und Studierenden von Partneruniversitäten zusammen, um deren Präferenzen und Erwartungen in puncto Design, Funktionalität und Support zu eruieren. Während bei dieser Zielgruppe gute Computer- und Englischkenntnisse vorausgesetzt werden können, trifft dies auf die Endanwender des Notfallsystems weniger zu. Dazu zählen auch (Fast-)Analphabeten, weshalb zur Informationsvermittlung die Verwendung von Bildern oder Bildgeschichten geprüft wird. Zudem soll untersucht werden, inwieweit auch neuere Technologien wie "Conversational Interfaces" (wie Amazon Echo) eingesetzt werden könnten.

Anpassung an lokale Infrastruktur

Wichtig ist, im Vorfeld die technischen Rahmenbedingungen wie etwa die Netzabdeckung oder Verfügbarkeit mobiler Technologie sowie geeignete Indikatoren zur Früherkennung von Seuchen und zu deren Verbreitung im Vorfeld zu eruieren. Gleichzeitig wird untersucht, inwieweit sich vorhandene Lösungen (z. B. www.epitrack.tech) für unsere Zwecke anpassen, beziehungsweise ob sich aus bisherigen Projekten Empfehlungen ableiten lassen. Eine rudimentäre Prototypentwicklung für das Notfall- und Überwachungssystem zeigt die Grafik.

Mobiles Notfall- und Überwachungssystem

Die Mobilkommunikation wächst in keiner Region so schnell wie in den Ländern südlich der Sahara. Für eine Notfallanfrage wird daher eine App eingesetzt, die in ihrer einfachsten Form einen Notruf für ein Mensch- oder Tierproblem absetzt und dabei die GPS-Standortdaten sowie die Telefonnummer zur Identifikation übermittelt. Auf dem Health System Server wird für jeden eingegangenen Notruf automatisch ein Fall eröffnet und einer Fachperson oder Gruppe zugeordnet. Die Fachperson im nationalen Gesundheitszentrum ruft darauf auf die Mobilnummer zurück, klärt das Problem genauer ab, erfasst zusätzliche Angaben im System und entscheidet über das weitere Vorgehen. Das heisst, dass entweder ein Arzt beziehungsweise Tierarzt einen Besuch vor Ort abstattet, die Patienten an ein Krankenhaus oder eine Tierklinik vermittelt oder Proben für weitere Abklärungen anfordert.

Technisch soll das System Geräte und Netzwerke verschiedener Mobilfunkgenerationen berücksichtigen. Obwohl Abdeckung und Verfügbarkeit von Geräten der 4. und vor allem 3. Mobilfunkgeneration in den Zielländern stark zunehmen, läuft noch viel über das GSM-Netz der 2. Generation. In diesem Fall erfolgt die Datenübermittlung im Hintergrund automatisch mittels SMS. Erste Feldversuche des Swiss TPH in Tschad im Rahmen einer studentischen Arbeit haben die Machbarkeit bereits bewiesen (Jean-Richard, Vreni; Crump, Lisa; Moto Daugla, Doumagoum; Hattendorf, Jan; Schelling, Esther; Zinsstag, Jakob (2014): The use of mobile phones for demographic surveillance of mobile pastoralists and their animals in Chad: proof of principle. In: Global Health Action 7 (1).)

Im Sinne einer nachhaltigen Nutzung des geplanten Systems ist es auch wichtig zu überlegen, welche Anreize ("Nudges") dazu beitragen könnten, dass Menschen kritische Vorfälle überhaupt melden. Denn nur wenn möglichst viele aktiv mitmachen, kann ein solches Monitoringsystem langfristig die Verbreitung von Krankheiten verhindern oder zumindest behindern. Hier können wir auf unseren eigenen Vorarbeiten im Bereich "Nudging" aufbauen (Maier & Reimer, 2015).

Referenzen

  • Maier, Edith und Reimer, Ulrich (2015) E-Nudging – Motivationshilfe in der Prävention und im Umgang mit chronischen Erkrankungen im Alltag, Clinicum 6-15, 66-74.

  • Toda, Mitsuru; Njeru, Ian; Zurovac, Dejan; Kareko, David; O-Tipo, Shikanga; Mwau, Matilu; Morita, Kouichi (2017): Understanding mSOS: A qualitative study examining the implementation of a text-messaging outbreak alert system in rural Kenya. In: PloS One 12 (6).

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