Ein Votum für Agile Service Management
Ist Agile Service Management nur ein "Me too", weil es die Entwickler mit DevOps/Scrum schon lange vorleben, oder ist es tatsächlich der Weg in ein neues Service-Management-Zeitalter?
Es ist schon so: Während bei der Softwareentwicklung agile Prinzipien und Vorgehensmodelle wie Scrum seit Längerem etabliert sind, agieren die meisten Service-Management-Verantwortlichen noch klassisch konservativ. Obwohl alle lautstark "Continuous Service Improvement" in den Raum rufen, hapert es bei der kontinuierlichen Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Services dann doch meist beträchtlich. Schliesslich müssen komplexe Prozesse und Abläufe mit einer ausgiebigen Dokumentation eingehalten werden.
Wie sehnen wir uns doch nach der Fähigkeit, Anforderungen schnell und einfach umzusetzen, effektiv Probleme zu lösen (sodass sie zukünftig nicht mehr auftreten mögen) und neue Ideen und Prozesse zu entwickeln, für die wir heute gar keine Zeit haben, obwohl die Kunden vor allem bei Cloud-Services drängen. Aber besteht nicht die Gefahr, dass der Betrieb instabil wird, wenn die bewährten Prozesse gekürzt oder nur "just enough" in die Produktion gehen?
Diese Fragen können mit einem klaren "Nein" beantwortet werden, denn Agile Service Management bedeutet nicht Chaos oder esoterische Gruppendynamik, auch wenn es keine allgemeingültigen Definitionen und Vorgaben bei agilen Ansätzen gibt, wie sie zum Beispiel bei Frameworks wie ITIL oder Cobit anzutreffen sind. Im Gegenteil.
Agile Service Management und das Agile Manifesto
Das Agile Manifesto sagt unter anderem, dass kundenzentrierte Aktionen und kurze, direkte Feedbackzyklen mit Kunden eine hohe Priorität haben. Die Zusammenarbeit mit dem Kunden ist also wichtiger als langwierige Vertragsverhandlungen oder das seitenlange Abarbeiten von Plänen und Checklisten, die meist schon längst nicht mehr den Anforderungen genügen. Zudem sei jeder Anwender gewarnt: Agile Service Management setzt selbst strikt einzuhaltende Prozesse und Events wie Daily Scrums, Process Planning Meetings oder Sprint Reviews voraus, damit die gewünschten Ziele erreicht werden können. Und gerade die Kürze der Sprints von zwei bis maximal vier Wochen zwingt einen, in kleinen Etappen zu denken und somit umfangreiche Anforderungen (Epics) in umsetzbare und verständliche Nutzer-Storys aufzuteilen. Das ist nicht so simpel, wie es klingt und dabei darf das vereinbarte Ziel nie aus den Augen gelassen werden. Zu Beginn muss klar und für jeden verständlich das "Done" definiert werden. "Done" bestimmt in diesem Zusammenhang, wann eine Aufgabe wirklich fertig ist. Und auch das ist nicht so einfach, wie es klingt.
Ein Fall aus der Praxis
Ein Unternehmen hatte das Ziel, per Mitte 2018 eine neue ITSM-Lösung einzuführen. Die bestehende Lösung war schlichtweg nicht mehr aktuell, sehr komplex und neue, von Kunden geforderte Funktionalitäten fehlten. Zudem waren die Prozesse komplex und wurden nur rudimentär gelebt. In einem umfassenden Evaluationsprozess wurde die geeignete Cloud-Lösung gefunden, die Umsetzung konnte gemäss Plan Anfang des Jahres starten. Der Auftraggeber erstellte einen in seinen Augen ausführlichen Projektauftrag und übergab die Umsetzung an einem Kick-off-Meeting dem Team, das genügend Budget erhielt, was auch nicht selbstverständlich ist. Die Aufgabe war einfach: prüfen, ob die Out-of-the-Box-Prozesse der Lösung zum Unternehmen passen, wenn nein, anpassen; anschliessend Tests durchführen, die Kunden migrieren und informieren und dann ab in die Produktion. Klingt einfach, ist agil und zudem "lean", wie man es sich bei der Einführung eines Cloud-Services wünscht.
Fazit: Die Lösung wurde erst im September eingeführt, totales Chaos herrschte und Feuerwehrübungen waren an der Tagesordnung.
Doch was lief schief? Das Team hatte die fachliche Kompetenz, ausser Frage. Was fehlte, waren klare Zuständigkeiten und Kompetenzen, eine verständliche Definition der Ziele und Events mit einer zielführenden Agenda.
Die Organisation – das Kernelement
Doch das allein genügt nicht: Viele IT-Organisationen (insbesondere im Betrieb) sind starr bürokratisch und hierarchisch organisiert. Agilität bedingt jedoch ziel- und resultatorientierte Organisationen mit klaren Zuständigkeiten und Kompetenzen. Zudem sind Selbstorganisation und Selbstregulation ein Muss.
Die Zeiten sind vorbei, in denen Teams nur nach Auftrag arbeiteten. Raum für Flexibilität und Kreativität muss gegeben werden. Denn die besten Lösungen kommen von Teams, die über den Tellerrand hinausschauen und die innerhalb der definierten Grenzen der Organisation frei arbeiten können.
Vor der angeordneten Agilität muss die Organisation also grundlegend über die Bücher. Und das beginnt gemäss dem Bienenhirtenmodell von Rini van Solingen mit der persönlichen Veränderung im Management (nicht operativ, sondern ergebnisorientiert führen), über das Vertrauen und Loslassen bis zum Lernen und Verbessern. Auch in diesem Lösungsansatz wird Selbstorganisation nicht mit Anarchie gleichgestellt: Für das Ego gibt es keinen Raum, die Richtung und die Einhaltung der Rahmenbedingungen muss sichergestellt werden. Nur so können Teams unabhängig voneinander, flexibel, effizient und effektiv arbeiten. Und es muss experimentiert und aus Fehlern gelernt werden dürfen. Das heisst: Agilität muss zuerst in der Organisation verstanden werden! Und das heisst auch, dass man nicht von heute auf morgen ein funktionierendes Agile Service Management umsetzen kann, sondern besonnen Schritt für Schritt den Weg ebnen muss. Denn eines ist klar: Die Kunden erwarten, dass dynamisch und schnell auf neue Anforderungen und Technologien wie Cloud-Services reagiert wird. Denn sie haben denselben Druck, müssen auch Kosten sparen, transparent sein und ihre Lösungen und Services dynamisch und schnell ihren Kunden zur Verfügung stellen.
Die Fokussierung auf den (internen oder externen) Kunden heisst, dass Services mit hoher Qualität geliefert werden müssen und somit eine nachhaltige Bindung erreicht wird, damit der eigene Geschäftserfolg sichergestellt wird. Aufgaben müssen priorisiert und innerhalb der vorgegebenen Zeit abgeschlossen werden – das ist der kritische Erfolgsfaktor. Denn viele Teams haben mehr Arbeit, als sie tatsächlich stemmen können und verlieren die Fokussierung auf das Wesentliche.
Fazit
Agile Prinzipien bereichern klassisches ITSM. Agile Prinzipien ermöglichen es, Cloud-Services schnell und in der geforderten Maturität einzuführen. Organisationen werden effizienter und effektiver, wenn sie sich dem "Mind Change" der Agilität stellen und sich nicht davor scheuen, die Organisation selbst mit zeitgemässen Ansätzen zu verändern. Geben Sie Ihrem ITSM-Team Raum mit Rahmenbedingungen und keinen vorgelagerten Kontrollapparat. Denken und gehen Sie in kleinen, aber verständlichen Schritten, die auch erfüllbar sind.
Setzen Sie auf agile Prinzipien und vertrauen Sie Ihrem Team – Sie werden Ihre Kunden verblüffen und die Ergebnisse werden folgen.