Interview mit Arnold Weissman

Arnold Weissman: "Kultur zu managen ist der Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln"

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von Urs Prantl, KMU Mentor und Partner von Focus on Future

Am 14. Januar 2019 spricht Arnold Weissman bei Focus on Future in Baden über Digital Leadership. Im Zentrum seines Referats steht die Feststellung, dass die Digitalisierung alle Unternehmen trifft, und dass sie weit mehr mit Führung als mit Technologie zu tun hat. Wieso das so ist, und wie diese Führung aussehen könnte, erklärt Arnold Weissman im Interview.

Arnold Weissman, Gründer der WeissmanGruppe
Arnold Weissman, Gründer der WeissmanGruppe

Die Digitalisierung wird zur Hauptsache als technologische Herausforderung verstanden. Welche Rolle spielt hier Leadership?

Arnold Weissman: Die Digitalisierung wird Wirtschaft und Gesellschaft gravierend verändern. Wissen ist überall verfügbar, die Technologie ermöglicht radikal veränderte Geschäftsmodelle. Zeiten starker Veränderungen brauchen starke Führer, die Menschen durch diese Veränderungen begleiten, die ja auch mit erheblichen Schmerzen verbunden sein können. Je grösser die Umbrüche, umso wichtiger wird eine starke wertebasierte Führung. So verstanden steht Leadership ganz im Zentrum des digitalen Wandels.

Wenn wir von "Digital Leadership" sprechen. Was bedeutet dann für Sie Leadership und was daran ist digital?

Führen, beziehungsweise Leadership, bedeutet für mich "Andere emporheben", Menschen zu befähigen, auf ein höheres Niveau zu kommen. Führen bedeutet "in Resonanz" mit Menschen zu sein. In einer digitalisierten Welt, in der Menschen arbeiten, wann, wo und mit wem sie wollen, verliert sich die "alte" Kontrolle und muss ersetzt werden durch eine Kultur des Vertrauens. Vertrauen ist die zentrale Voraussetzung, um die durch die Digitalisierung entstehende Komplexität managen zu können.

Wandel und Führung sind ja nichts Neues. Wieso soll es für den digitalen Wandel eine andere (neue) Führung brauchen?

Das vermutlich älteste Buch der Welt ist das chinesische Weisheitsbuch I Ging, das Buch der Wandlungen. Heraklit, der Vorsokratiker, sprach von Panta Rhei. Alles fliesst, alles ist in Bewegung, alles verändert sich. Wandel ist sicher kein Privileg unserer Zeit. Was sich durch die Digitalisierung allerdings verändert hat, ist die Geschwindigkeit der Veränderung. In der Welt von Industrie 1.0 bis 3.0 konnte man Systeme beherrschen, waren traditionelle Hierarchien geeignete Organisationsmuster. In der vernetzten, virtuellen, digitalen Welt machen diese Systeme sich aber mehr und mehr überflüssig, ja sie werden sogar kontraproduktiv. Wir brauchen also definitiv eine neue Führung, wollen wir den digitalen Wandel erfolgreich gestalten.

Wie muss Führung in einem digitalen Unternehmen praktiziert werden und wodurch unterscheidet sie sich von herkömmlicher Führung?

Wenn sich die Rahmenbedingungen immer schneller verändern, verlieren Systeme an Stabilität. Entscheidungen müssen unter hoher Unsicherheit getroffen werden. Und, sie müssen schnell getroffen werden. Dafür braucht es vernetzte, selbstlernende, agile Strukturen, in denen sich Führungskräfte wie Unternehmer am Arbeitsplatz verhalten. Sie müssen Verantwortung übernehmen und diese Kultur der Übertragung von Verantwortung in die ganze Organisation tragen.

Was müssen Unternehmer und Führungskräfte in KMU konkret bei ihrem Führungsverhalten ändern, damit sie den digitalen Wandel erfolgreich gestalten können?

Im Grunde ist es für Unternehmer in KMU tendenziell leichter, denn sie sind ja allein schon durch ihre Grösse und durch ihre persönliche Nähe natürlich viel schneller und agiler als die grossen Konzerne mit ihren Bürokratien. Dort gilt das Motto: "Teaching Elephants to Dance!" KMU haben aus meiner Sicht alle Chancen, den digitalen Wandel zu bewältigen, ihn zu gestalten, wenn sie sich auf ihre natürlichen Stärken besinnen. Mehr denn je gilt in der digitalen Welt: Es gewinnen nicht die Grossen gegen die Kleinen, sondern die Schnellen gegen die Langsamen!

Welches sind die besonderen Herausforderungen in inhabergeführten KMU, wenn es um die Führung im digitalen Wandel geht?

Manche Inhaber verstehen sich heute noch als Patron, bei dem alle Entscheidungen getroffen werden. Der Inhaber trägt ja auch das finanzielle, unternehmerische Risiko. Wenn Eigentümer es aber nicht verstehen, Verantwortung zu delegieren, haben sie die gleichen Probleme wie die grossen Unternehmen auch.

Welche Rolle spielen die Inhaber selbst bei der digitalen Transformation ihrer Unternehmen?

Sie müssen sich an die Spitze der Veränderung stellen und "Digital Readyness" zur Chefsache machen. Und sie müssen akzeptieren, dass sie dafür Unterstützung brauchen, intern wie extern. Für viele wird die digitale Transformation zur grössten Veränderung in ihrer bisherigen Unternehmensgeschichte. Banken, Versicherungen, Gross- und Einzelhändler, Zulieferer und auch IT- und Tech-Unternehmen. Sie alle stehen vor der Aufgabe, ihr Geschäftsmodell und ihr Unternehmen transformieren zu müssen, um es zukunftsfähig zu machen. In manchen Bereichen spricht man ja schon von der "Amazonisierung" der Märkte. Inhaber brauchen den Mut, ihre eigene Transformation zu betreiben – und sie müssen als "Er-Mutiger" ihre eigenen Mitarbeiter stärken, mitnehmen, begleiten.

Welche hauptsächlichen Fehler beobachten Sie in der Praxis, wenn das mit dem digitalen Wandel nicht so richtig klappen will?

Viele machen den Fehler, den digitalen Wandel ausschliesslich als technologische Herausforderung anzusehen. Er ist aber vor allem eine kulturelle Herausforderung. Auch wenn die Strategie und die Business-Pläne stehen, ist ja die Umsetzung keineswegs gesichert. Wie heisst es doch so schön bei Peter Drucker: "Culture eats Strategy for Breakfast". Digitale Transformation ist vielmehr eine kulturelle als eine technologische Herausforderung. Und jetzt kommt das Problem: Kultur zu managen ist der Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln! Für traditionell geprägte Manager ist dies natürlich eine besondere Herausforderung, zu akzeptieren, dass Kultur nicht nur so wichtig ist, sondern auch, dass sie nur durch Vorleben geprägt und verändert werden kann. Und dies braucht – bei aller Veränderungsgeschwindigkeit – Zeit. Eine wirklich schwierige Herausforderung für ungeduldige Manager.

Können Sie uns abschliessend noch ein paar Stichworte zu Ihrem Referat vom 14. Januar 2019 in Baden verraten?

Mir geht es darum, aufzuzeigen, welche Veränderungen (wahrscheinlich) auf uns zukommen werden und wie wir am besten damit lernen umzugehen. Wir werden darüber sprechen, wie wir den Kunden wirklich in den Mittelpunkt stellen (Customer Centricity), wie wir unsere Geschäftsmodelle anpassen müssen, was dies für unsere Organisationen bedeutet – und wie wir es schaffen, die Menschen, die in unseren Unternehmen arbeiten, auf diese Reise mitzunehmen.

Zur Person

Prof. Dr. Arnold Weissman gründete 1987 das renommierte Beratungs- und Weiterbildungsunternehmen die WeissmanGruppe, welche 2017 für ihre hohe Kompetenz und Beratungsleitung für den Mittelstand mit dem Qualitätssiegel "TOP CONSULTANT" ausgezeichnet wurde. Die WeissmanGruppe ist international aufgestellt, mit Büros in Nürnberg, Innsbruck, Zürich und Lana. Prof. Dr. Arnold Weissman lehrt ausserdem Unternehmensführung speziell für Familienunternehmen sowie Marketing an der OTH (Ostbayerische Technische Hochschule) Regensburg, ist Kompetenzbereichs- Leiter für Strategie an der Zürich International Business School (ZIBS) und externer Dozent an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Ausserdem ist er Autor zahlreicher Wissensbücher und praxisorientierter Fachartikel. Als gefragter Referent und Redner spricht er auf mehr als 120 Veranstaltungen jährlich.

Hinweis: Arnold Weissman spricht am Montagabend, 14. Januar 2019, bei Focus on Future in Baden über Digital Leadership und die Kunst des Führens im digitalen Wandel. Weitere Infos und Anmeldung unter focus-on-future.ch.

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