Arbeit im digitalen Zeitalter

Warum Roboter die Produktivität senken und Skills keinen guten Job garantieren

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Lord Adair Turner hat am Gottlieb Duttweiler Institut über Automatisierung, Produktivität und die Arbeitswelt von morgen gesprochen. Der britische Ökonom ging der Frage nach, wie sich Wirtschaft und Gesellschaft durch die Digitalisierung verändern. Er kam zu überraschenden Ergebnissen.

Lord Adair Turner sprach am GDI über Digitalisierung und die Arbeitswelt von Morgen. (Source: Netzmedien)
Lord Adair Turner sprach am GDI über Digitalisierung und die Arbeitswelt von Morgen. (Source: Netzmedien)

Die Welt erscheint heute als Ort der Unsicherheit. Vieles ist in Bewegung, alte Gewissheiten lösen sich auf, die Veränderung beschleunigt sich - politisch, wirtschaftlich und technologisch. Die Automatisierung der Arbeitswelt ist zentraler Teil dieser Dynamik. Wie werden wir morgen Wohlstand schaffen? Wie werden sich Gesellschaft, Arbeit und Ökonomie durch digitale Technik verändern? Über diese Fragen sprach Lord Adair Turner am Gottlieb Duttweiler Institut in Rüschlikon.

 

 

Die Podiumsdiskussion am GDI im Video. (Source: GDI)

 

Turner, ehemaliger Chef der britischen Finanzmarktaufsicht und heute Präsident des Institute for New Economic Thinking, machte gleich zu Beginn klar, dass er eine tiefgreifende Transformation der Arbeitswelt erwartet. Die Welt sei auf dem Weg hin zu einem "robotergetriebenen Kapitalismus", sagte er. So ziemlich alle mentalen und körperlichen Formen menschlicher Arbeit würden sich irgendwann automatisieren lassen.

 

 

 

Mehr Automatisierung bedeutet nicht mehr Produktivität und Wohlstand

Die vergangenen Jahrzehnte haben laut Turner gezeigt, dass sich das digitale Zeitalter von den technischen Revolutionen der Vergangenheit in einem wichtigen Punkt unterscheidet. Im Gegensatz zur Entwicklung des Ackerbaus oder der industriellen Massenproduktion habe die Digitalisierung nicht zu einem markanten Produktivitätsgewinn geführt.

Warum das so ist, dazu formulierte Turner drei Thesen. Erstens sei es nicht nur eine Frage der Technologie, ob eine Form der Arbeit automatisiert werde, sondern auch eine Frage der Ökonomie. Wenn Roboter und künstliche Intelligenz (KI) billiger als Menschen arbeiten, senkten Letztere den Preis ihrer Arbeitskraft. Die mögliche Folge: Die Löhne sinken, die Arbeitszeiten nehmen zu, KI wird als Alternative weniger interessant, die Produktivität wächst nicht - und die Ungerechtigkeit in der Gesellschaft steigt. "Ich mache mir keine Sorgen darüber, dass es irgendwann keine Jobs mehr gibt", sagte Turner. Die Frage laute: Was sind das für Jobs?

Was MIT-Professor Thomas Malone über die Digitalisierung der Arbeitswelt denkt, erfuhren Besucher an der Universität Zürich.

These Nummer 2: Viele der heute geschaffenen Jobs tragen nicht zur Produktivität bei, wie Turner sagte. Die Automatisierung setze zwar Arbeitskraft frei, diese werde aber nicht produktiv eingesetzt. "Nullsummen-Aktivitäten", nannte Turner das. In diesem Zusammenhang sei es auch nur begrenzt sinnvoll, ganz auf die Weiterbildung der Arbeitskräfte zu setzen. Die heutigen Tech-Firmen erwirtschafteten mit sehr geringem Einsatz an Personal extrem hohe Gewinne - und sie seien in ihren Branchen Spitzenreiter. Auch wenn man die Menschen im Durchschnitt besser auszubilden versuche, würden sie zu Google & Co. mit deren Schatz an Technologiewissen und Patenten kaum aufschliessen können. "Bessere Skills können das Problem der wachsenden Ungleichheit nicht lösen", sagte Turner.

 

Der Aussenpolitik-Experte Robert Kagan sprach über die globale Rolle der USA in Vergangenheit und Gegenwart. (Source: Netzmedien)

 

Politik ist gefordert

All dies könne drittens irgendwann zu einer in drei Teile gespaltenen Gesellschaft führen. Eine kleine Gruppe von Mitarbeitern in den grössten IT-Unternehmen der Welt werde in den Metropolen die Technik entwickeln, die den Grossteil des Wohlstands in der Gesellschaft erzeuge. Eine zweite Gruppe werde sich auf die angesprochenen Nullsummen-Aktivitäten konzentrieren: Künstler, Akademiker oder Beamte. Und eine dritte Gruppe werde in relativer Armut Jobs nachgehen, die aus wirtschaftlichen Gründen nicht automatisiert seien. Wie stabil diese Gesellschaft auf lange Sicht sei, dabüber gab es im GDI unterschiedliche Ansichten.

Die Automatisierung ist allerdings keine Einbahnstrasse, wie Turner zum Abschluss seines Referats betonte. Vor allem die Politik könne die Entwicklung mitgestalten und eine Spaltung der Gesellschaft verhindern. Turner schlug etwa eine Besteuerung von Immobilien, Kapitalgewinnen oder Erbschaften vor. Auch über eine Reform des Urherberrechts oder ein Grundeinkommen müsse nachgedacht werden. Und schliesslich könne der Staat durch Städteplanung, Unterstützung von ärmeren Bevölkerungsschichten und Lohnpolitik dafür sorgen, dass die digitale Welt von morgen auch für den Menschen eine sei, in der Arbeit und Leben attraktiv blieben.

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