Jan Brzezek über Bitcoin, Risiken im Krypto-Geschäft und Regulierung
Die Crypto-Finance-Tochter Crypto Fund AG hat als erster Krypto-Asset-Manager der Schweiz eine Finma-Lizenz erhalten. Ein Meilenstein nicht nur für das Unternehmen, sondern für die ganze Branche. Crypto-Finance-CEO Jan Brzezek im Gespräch.
Der Krypto-Hype ist anscheinend wieder vorbei. Was entgegnen Sie Skeptikern von Kryptowährungen und Blockchain ?
Jan Brzezek : Es ist wichtig, dass man Kryptowährungen und Blockchain präzise voneinander abgrenzt. Blockchain ist eine bedeutende Technologie, die Krypto-Tokens können hingegen Zahlungsmittel oder Beteiligungen an Applikationen basierend auf dieser Technologie sein. Künftig werden wir viel mehr solcher Blockchain-Based Assets haben. Leider subsumieren viele Leute all das unter den Begriff Kryptowährungen. Dabei gibt es allein schon bei den Währungen viele feine Unterschiede.
Welche denn ?
Nehmen wir zum Beispiel EOS, Cardano oder NEO. Das sind nicht direkt Währungen, sondern Tokens von Plattformen, von Ökosystemen. Man wird diese Tokens nie dafür nutzen, um einen Kaffee zu bezahlen. Man kann mit ihnen aber direkt in die Zukunft der ihnen zugrunde liegenden Blockchain-Technologien investieren. Wenn ein Investor also in eine Technologie investieren möchte, weil er an sie glaubt, dann setzt er besser auf diese Tokens, statt Aktien von Konzernen wie IBM oder Microsoft zu kaufen.
Was ist mit den Kryptowährungen, mit denen man tatsächlich dereinst den Kaffee bezahlen soll?
Ich finde solche Kryptowährungen sehr spannend und bin immer mehr davon überzeugt, dass für diese Art von Währung eine Nachfrage entstehen wird. Das Konzept hat Zukunft, etwa in Ländern wie Venezuela, Brasilien, Simbabwe und der Türkei, wo der Wert der Landeswährung innert kürzester Zeit um 50 Prozent eingebrochen ist.
Bei den Kryptowährungen gibt es ähnliche Schwankungen. Das ist kein überzeugendes Pro-Argument …
Volatilität ist normal bei neuen Assets. Das passiert in jedem Markt, der noch klein ist und nicht effizient funktioniert. Je etablierter und erwachsener Krypto-Assets werden, desto mehr wird die Volatilität zurückgehen. Schauen Sie sich den Bitcoin von August bis Oktober an. Der hatte in diesem Zeitraum eine derart tiefe Volatilität, dass man sie fast schon mit der von Aktien-Investments vergleichen konnte.
Sein Handelsvolumen ist aber auch massiv zurückgegangen.
Es ist weniger, aber immer noch substanziell mit einer Milliarde US-Dollar pro Tag. Es gibt aus unserer Sicht ohnehin ein wichtigeres Argument für Kryptowährungen: Diversifikation. Für ein Portfolio sollte man nie alle Eier ins gleiche Körbchen legen. Investoren setzen deshalb auf verschiedene Aktien, Obligationen und Immobilien. Warum nicht zu diesem Mix noch ein Asset dazunehmen, das nicht oder nur sehr wenig mit den anderen Assets korreliert. Gemäss moderner Portfoliotheorie verbessert sich so das Rendite-Risiko-Verhältnis.
Warum braucht es die Crypto Fund AG?
Während meiner Zeit bei der UBS suchte ich nach einem Weg, über den traditionelle Investoren in Krypto-Anlagen investieren können, ohne einen Account an einer Krypto-Börse zu eröffnen. Denn das braucht einiges an Know-how. Die meisten Investoren haben aber kein Interesse, keine Erfahrung oder keine Zeit, sich damit auseinanderzusetzen. Es gab keinen seriösen Anbieter im Markt. Deshalb habe ich die Crypto Fund AG aufgebaut. Nach der Gründung stellten wir fest, dass es keinen Broker gab, also niemanden, der die Krypto-Assets für uns handeln konnte. Also haben wir eine separate Gesellschaft namens Crypto Broker AG gegründet, die nur das macht. Inzwischen handeln auch andere Fonds und mehrere Banken über uns.
Die Crypto Finance Group hat mit ihren Subunternehmen Crypto Fund, Crypto Broker und Crypto Storage kürzlich eine Auszeichnung als "Growth Stage Start-up of the Year" bei den Swiss Fintech Awards 2019 gewonnen. Lesen Sie hier, wer sonst noch einen Preis mit nach Hause nahm.
Wie passt Ihre Tochterfirma Crypto Storage AG dazu?
Unser Head of Research war mit den existierenden Storage-Systemen für Krypto-Assets unzufrieden. Existierende Lösungen böten nicht das Sicherheitslevel, das für institutionelle Kunden geeignet wäre. Wir gingen deshalb mit einem Schweizer Hersteller von Hardware-Security-Modulen, der auch die Schweizer Nationalbank beliefert, eine Kooperation ein. Gemeinsam entwickelten wir die Hard-ware so weiter, dass sie nicht nur Kommunikation verschlüsselt, sondern auch Private Keys für Krypto-Assets aufbewahren kann.
Wer hat die Software dazu geschrieben ?
Wir selbst, in Zusammenarbeit mit einem Zürcher IT-Dienstleister und dem Hardwarehersteller. Kürzlich ging die erste Schweizer Bank mit der Lösung live.
Also sind Sie auch ein Softwarehersteller ?
Wir bieten es als As-a-Service an. Wir betreiben die Hardwaremodule, der Kunde hat sogenannte Approval-Terminals, über die er initiierte Transaktionen bestätigen kann. Das wird die Zukunft sein. Im Rahmen von Digital Assets und "Tokenization of Everything" werden das alle Banken künftig haben.
Sie stehen also am Anfang einer goldenen Zukunft mit Ihrer Firma ?
Es ist eine ganz neue Technologie und somit ein Risikogeschäft. Aber ich glaube daran, dass man im Leben ein, zwei Mal die Chance hat, etwas zu verändern, weil man eine gute Idee hat. Wenn man diese Chance erkennt, muss man es einfach machen. Trotzdem weiss ich nicht, was passieren wird. Es kann sein, dass der Bitcoin-Preis auf 500 Franken einbricht, oder noch tiefer und niemand mehr davon spricht. Aber das Risiko hat man in jedem Unternehmen.
Welches Fazit ziehen Sie anderthalb Jahre nach der Gründung ?
Es war eine faszinierende Zeit. Ich habe unglaublich viele neue Menschen kennengelernt, viele schwere Entscheidungen treffen müssen und sehr viel Zeit geschäftlich verbracht. Es war spannend, aber auch sehr anstrengend. Trotzdem würde ich diese Zeit nicht missen wollen.
Und wie steht die Firma heute da ?
Mein Fokus im ersten Jahr lag darauf, ein Team aufzubauen, mit dem wir skalieren können. Also nicht von Vornherein alles auf den Vertrieb setzen und Luft verkaufen, sondern ein gutes Fundament giessen. Mit guten Leuten, den richtigen Technologien und der nötigen Regulierung. Dieser Prozess ist jetzt abgeschlossen und wir sind bereit, unsere Vertriebskanäle und den Verkauf hochzufahren. Unsere Mission : Banken dazu befähigen, ihren Kunden diese neue Asset-Klasse anzubieten. Ich will nicht 1000 oder 100 000 Kunden, denn wir sind kein B2C-, sondern ein B2B-Anbieter. Wir wollen mit den Banken nicht in ihrem Geschäft konkurrieren, sondern ihnen neue Wege eröffnen.
Welche Baustellen gibt es noch?
Aus Sicht unseres Broker-Geschäfts würden wir uns noch mehr Klarheit vom Regulator wünschen. Über alle Geschäftsbereiche müssen wir die ganze Marktentwicklung im Auge behalten und abwarten, wie sich unsere Kooperationen entwickeln. Wir können uns noch lange nicht zurücklehnen und von der getanen Arbeit profitieren.
Wie haben Sie sich gefühlt, als Ihre Firma Crypto Fund AG kürzlich eine Finma-Lizenz erhalten hat?
Ich war und bin stolz darauf, dass wir als erste und bisher einzige Firma die Bewilligung erhalten haben, und ich bin stolz auf die Finma, dass sie den Mut hat, Innovation zu unterstützen. Der Weg dahin war aber kein leichter. Es brauchte viel Überzeugungskraft und dauerte länger als erwartet.
Was ändert sich durch die Lizenz für Sie?
Sie ist ein Gütesiegel. Wenn wir jetzt mit Banken sprechen, sind sie eher bereit, mit uns zusammenzuarbeiten. Wir sind für sie kein Start-up mehr, sondern eine etablierte und regulierte Firma. Das hilft uns extrem. Wir können deswegen aber nicht mehr Services anbieten als vorher.
Glauben Sie, dass die Lizenzvergabe an Sie eine Signalwirkung haben wird?
Definitiv. Es wurde international aufgenommen, dass wir als erstes Krypto-Unternehmen offiziell in der Schweiz reguliert sind. Hier profitieren wir von der Schweiz als führenden Finanzplatz. Ich glaube, dass es nun definitiv mehr Firmen versuchen werden, eine Lizenz zu bekommen. Und das ist auch gut so. Wir müssen gemeinsam die Schweiz vorantreiben.
Was sind die nächsten Schritte für Ihr Unternehmen?
Kundenstamm ausbauen, eine weitere Finanzierungsrunde starten, nach Asien expandieren und das Managementteam weiter ausbauen.
Wie geht es in der Krypto-Branche weiter?
Die Welt der Krypto-Assets steht heute da, wo das Internet vor der Jahrtausendwende stand. Als Modems beim Einwählen ins Netz noch diesen irrsinnigen Lärm verursachten und man minutenlang darauf warten musste, dass die Website geladen war. Zu viele Journalisten und Ökonomen schauen zu stark genau auf diesen Ist-Zustand. Wir müssen aber stattdessen genau wie damals bei Internet und E-Mail überlegen, was der Mehrwert dieser neuen Technologien morgen und übermorgen sein könnte.