CES 2020

Smarte Windeln und Raclette-Roboter

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Die CES ist längst nicht mehr nur der Pilgerort der Consumer-Electronics-Branche. Es geht an der Messe vor allem darum, wie Technologie die verschiedenen Lebensbereiche durchdringt. Und darum, wie Unternehmen ihre Geschäftsmodelle mit digitalen Produkten anreichern können.

Die weltweit wohl wichtigste Technologiemesse CES hat vom 7. bis 11. Januar in Las Vegas gezeigt, wie ICT, 5G, KI, Blockchain etc. heute und morgen Menschen und Wirtschaft beeinflussen. Gemäss Angaben der Consumer Technology Association (CTA), der Veranstalterin der CES, stellten rund 4400 Aussteller ihre Produkte und Innovationen an der Messe aus. 170 000 Besucher fanden ihren Weg nach Las Vegas. Das globale Technologie-Ökosystem war hier mit allen wichtigen und aufstrebenden Industriezweigen vertreten.

Google Assistant überall

Die wichtigsten Tech-Trends aus dem traditionellen Ausstellerfeld der Messe waren 5G und mobile Konnektivität, künstliche Intelligenz, Big Data Analytics, Blockchain und smarte Sprachassistenten, die über alle Kategorien der Messe hinweg sichtbar waren. Insbesondere Googles Assistant war an der CES omnipräsent. Stolz zeigte der Suchmaschinist neue Features seines Assistenten und animierte die Messebesucher zum gemeinschaftlichen Rutschen auf Googles legendären, nun ja, Rutschen (siehe Kasten rechts). Dafür standen Interessierte gut und gerne eine Stunde oder länger an.

Auch stellten wie schon in den vergangenen Jahren Unternehmen an der CES aus, die nicht aus dem Technologiesektor stammen, die CES aber als Schaufenster für ihre Innovationen nutzten. Hier zeigten Unternehmen etwa, wie sie ihr Geschäft mit Technologie transformieren und ihre Produkte mit digitalen Services anreichern wollen. So auch der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble (P&G), der neben Shampoo, Wasch- und Reinigungsmitteln, Rasierern etc. auch Babywindeln der Marke Pampers im Sortiment hat. P&G ist etwa der Meinung, dass datenbasierte Entscheidungen auch im Kinderzimmer Einzug halten sollen. So zeigte das Unternehmen an der CES mit «Lumi» die digitalisierte Pampers inklusive Windelsensor, Webcam und App. Eltern können damit das Verhalten und die Bewegungen des Babys jederzeit monitoren und analysieren und natürlich misst der Sensor auch die Umgebungstemperatur sowie die Feuchtigkeit in der Windel. So sollen die Eltern «datenbasiert die richtigen Entscheidungen treffen» und sich bei der Betreuung des Babys «nicht mehr nur auf ihre Intuition» verlassen, wie ein P&G-Manager an der Pressekonferenz sagte. Ob Baby damit weniger lang im Nassen liegt, als wenn Papa die Feuchtigkeit in der Windel überprüft, indem er einen Finger zwischen Bündchen und Beinchen steckt, konnte an der Messe nicht in Erfahrung gebracht werden. Dieses Anwendungsbeispiel zeigt aber, wie sich digitale Services – sinnvoll oder nicht – in Dinge des alltäglichen Gebrauchs integrieren lassen, um aus dem Verbrauch des Allerweltsproduktes «Windel» ein datenbasiertes Geschäft abzuleiten.

Audi, BMW, Mercedes und weitere Autos an der CES

Einmal mehr fiel auch die Präsenz der Automobilindustrie an der CES auf. 2020 stellten mit Audi, BMW, Mercedes, Fiat-Chrysler, Ford, Honda, Hyundai, GM, Nissan, Toyota die grossen Namen der Branche an der CES aus. Sie suchen die Nähe zur ICT-Branche, um den Anschluss an die Teslas dieser Welt nicht zu verlieren und ihre neuesten Entwicklungen etwa um das autonome Fahren und eigene Technologieplattformen zu zeigen. Die grösste Überraschung im Zusammenhang mit Autos gelang an der diesjährigen CES aber keinem Autohersteller, sondern Sony. Der japanische Unterhaltungselektronik- und Medienkonzern präsentierte seine Vision des vernetzen Autos als Concept Car und bewies, was durch industrieübergreifende Kooperation und Out-of-the-Box-Denken möglich ist.

Schon länger denkt auch Mercedes «out of the box» und präsentierte bereits 2018 mit MBUX einen eigenen smarten Sprachassistenten. Die CES-Veranstalterin CTA nannte denn auch Mercedes in einem Atemzug mit Google Assistant und Amazons Alexa als Vorreiter im Bereich der smarten Sprachassistenten, die in den verschiedensten Produkten an der CES eine Rolle spielten.

1100 Referenten an der CES

Auf der CES-Bühne gaben sich rund 1100 Redner aus den wichtigsten globalen Branchen das Mikro in die Hand. Keynotes hielten unter anderem Samsungs Präsident und CEO der Consumer Electronics Division Hyun-Suk Kim; Ola Källenius, Vorstandsvorsitzender von Daimler; Ed Bastian, CEO von Delta Air Lines; Linda Yaccarino, Vorstandsvorsitzende von NBC Universal; Ex-HPE-CEO Meg Whitman, nun CEO von Quibi, und Jeffrey Katzenberg, Gründer des Streamingdienstes Quibi; Elaine L. Chao, US-Verkehrsministerin; Marc Benioff, Vorstandsvorsitzender und Co-CEO von Salesforce; Alan Jope, CEO von Unilever; und Präsidententochter und -beraterin Ivanka Trump.

KI, Quantencomputer und virtuelle Realität

Die CES wartete 2020 zudem mit diversen Neuerungen auf. Ein neuer Marktplatz für Reisen und Tourismus zeigte etwa, wie smarte Technologien die Reise- und Tourismusbranche verändern. Die US-Fluggesellschaft Delta Air Lines war einer der Schlüsselaussteller in diesem Bereich und zum zweiten Mal an der Messe vertreten. Delta-CEO Ed Bastian beschrieb in seiner Keynote, wie die zukünftige Welt des Reisens durch Technologie angereichert und verbessert werden kann und wie KI, AR, biometrische ­Sicherheit, intelligente Incentive-Programme und eine neue Parallel-Reality-Erfahrung Reisen sicherer und erlebnisreicher gestalten sollen.

Dem Megatrend künstliche Intelligenz widmete die CES auch einen speziellen KI-Marktplatz, der über 70 Aussteller beheimatete. Rund um KI sorgte etwa Samsung mit dem Projekt Neon an der Messe für Furore. Neon generiert künstliche, lebensecht wirkende Menschen im virtuellen Raum, die sich bewegen und sprechen können. «Spooky», wie einige Branchenbeobachter fanden.

Die Schweiz an der CES

Nicht zuletzt hatte auch die Schweiz ihre Präsenz an der CES. Im Eureka-Park fanden sich rund 30 Schweizer Start-ups unter zirka 1200 weiteren aus über 50 Ländern. Damit sei die CES 2020 die weltweit grösste Start-up-Messeveranstaltung gewesen, waren sich die CES-Verantwortlichen einig. Im von Presense Switzerland und Switzerland Global Enterprise in Zusammenarbeit mit der Schweizer Botschaft in den USA, Innosuisse, Digitalswitzerland und dem Swissnex-Netzwerk organisierten Swiss Pavilion bot sich Schweizer Start-ups eine Plattform zur Präsentation ihrer Erfindungen. Eine davon ein Industrie-Roboter, der Raclette vom Käselaib auf den Teller streicht.

Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit

«Die CES zeigte Produktinnovationen aus allen wichtigen Branchen», erklärte Gary Shapiro, CTA-Präsident und CEO zum Abschluss der Messe. Die CES ist zweifellos zum globalen Brennpunkt für Anwendungen von Technologie im Alltag von Konsumenten, aber auch im Business-Umfeld geworden. Wer an der CES ausstellt, wird von der Weltöffentlichkeit bemerkt. Deshalb präsentieren sich hier vermehrt auch Unternehmen, die eigentlich im B2B-Umfeld zuhause sind. Die CES 2021 ist vom 6. bis 9 Januar 2021 geplant.

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