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Flüchtlingen Türen zur IT öffnen

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Seit nunmehr drei Jahren bietet der Verein Powercoders IT-Ausbildungen für Flüchtlinge an. Wer den anspruchsvollen Kurs schafft, hat gute Chancen, in einer Schweizer IT-Firma Fuss zu fassen. In der Branche stösst das Projekt auf Anklang, ist aber noch kein Selbstläufer.

Es sind zwei Probleme, die der Verein Powercoders angehen will: «Weltweit sind 70,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Weltweit führt die Digitalisierung zu Millionen offener IT-Stellen», heisst es auf der Website der Organisation. Die Lösung für beide Umstände: Der Verein bildet Flüchtlinge zu IT-Fachleuten aus. Klingt gut, doch funktioniert die Idee in der Praxis?

Wir sind ganz klar ein Qualifizierungsprogramm, nicht ein Beschäftigungsprogramm. 

Christina Gräni, PR-Verantwortliche des Vereins Powercoders

Ja, findet Christina Gräni, PR-Verantwortliche des Vereins Powercoders. «Im Januar 2020 feierten wir unseren dritten Geburtstag», erzählt sie im Gespräch mit der «Netzwoche». 118 Flüchtlinge aus 17 Ländern haben laut Website bislang an den Kursen des Vereins teilgenommen. 97 Prozent von ihnen fanden ein Praktikum, und 60 Prozent erhielten danach eine unbefristete Anstellung in einer IT-Firma.

Intensives Programm

Das Ausbildungskonzept des Vereins Powercoders ist mehr­stufig: «Zunächst durchlaufen die Teilnehmer einen dreimonatigen Intensivkurs», sagt Christina Gräni. «In der ersten Hälfte erlernen sie die Grundlagen des Programmierens, die Arbeit im Front-End und so weiter.» Dann findet der Carreer Day statt, «vielleicht der wichtigste Tag der Ausbildung», wie sie sagt. Denn dann treffen die Lernenden und die Praktikumsanbieter erstmals aufeinander, und die Partnerfirmen können ihre Favoriten zu ersten Bewerbungsgesprächen einladen. Sobald klar ist, welcher Teilnehmer in welches Unternehmen kommt, wird der jeweilige Lernstoff spezifisch auf die Praktikumsstelle angepasst: «Einige bleiben bei der Softwareentwicklung, andere gehen Richtung Testing, Support oder Netzwerke.» Ziel ist, dass die Teilnehmer möglichst gut ausgebildet sind, um nach dem Intensivkurs in ihr Praktikum zu starten.

Hartes Auswahlverfahren

Doch kann sich eine Person in einem dreimonatigen Kurs wirklich genug IT-Wissen aneignen? «Natürlich müssen die Unternehmen wissen, dass ein Lehrling zu ihnen kommt und nicht einfach eine billige Arbeitskraft ist», sagt Gräni. Andererseits hätten die Powercoders-Teilnehmer jeweils sehr unterschiedliche Wissensstände, was das Fach angeht. Es seien auch Leute darunter, die einen Masterabschluss in Informatik aus ihrem Herkunftsland mitbringen. Zudem durchlaufen alle Kursanwärter ein ausführliches und strenges Auswahlverfahren, bevor sie die Ausbildung antreten. Zugelassen wird nur, wer eine Reihe von Tests besteht: Englisch-Kenntnisse werden ebenso geprüft wie soziale Kompetenzen und die Skills, die für die IT wichtig sind. Von den 160 Bewerbern für den letzten Kurs seien letztlich 18 Flüchtlinge akzeptiert worden, präzisiert Gräni. Und wird noch deutlicher: «Wir sind ganz klar ein Qualifizierungsprogramm, nicht ein Beschäftigungsprogramm.»

Ständig auf der Suche

In den letzten drei Jahren haben sich die Strukturen von Powercoders gefestigt: Führte man zunächst noch Kurse in ständig wechselnden Schweizer Städten durch, finden sie jetzt fix in Zürich und Lausanne statt. Vier Kurse mit bis zu 20 Teilnehmern gibt es derzeit jährlich in der Schweiz, und auch in Italien ist Powercoders mittlerweile aktiv. Das Interesse an ihren Praktikanten sei nach wie vor gross, erklärt Gräni. Von Grossunternehmen bis zu Kleinstfirmen seien alle Arbeitgeber vertreten. Dennoch sei die ständige Suche nach neuen Partnerfirmen mitunter anstrengend. Insbesondere in der Romandie kenne man den Verein noch zu wenig.

Für Unternehmen zählt einerseits, neue Fachkräfte für ihre jeweilige Branche auszubilden, sagt Gräni. «Andererseits geht es aber auch klar um eine soziale Mission: Den Leuten eine Chance zu geben, sie zu integrieren auf dem Schweizer Arbeitsmarkt.» Während des Praktikums unterstützt der Verein Arbeitgeber und Praktikant durch einen persönlichen Coach, der mit Rat und Tat zur Seite steht.

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