CEO Consumer Business von Huawei Schweiz im Interview

Warum der Google-Bann Steven Huang keine schlaflosen Nächte beschert

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Huawei darf wegen des US-Banns für seine Smartphones keine Google-Mobile-Dienste mehr nutzen. Doch damit nicht genug. Das Coronavirus beeinträchtigt die chinesische Industrie. Wieso Schweizer Kunden und Entwickler davon nichts spüren und was hinter der neuen ­"1 + 8 + N"-Strategie steckt, erklärt Steven Huang, CEO Consumer Business Schweiz von Huawei.

Steven Huang, CEO Consumer Business, Huawei (Source: Netzmedien)
Steven Huang, CEO Consumer Business, Huawei (Source: Netzmedien)

Der Branchenverband GSMA hat den Mobile World Congress abgesagt: Was bedeutet das für Huawei?

Steven Huang: Wir respektieren die Entscheidung der GSMA und würdigen den Aufwand, den die Organisatoren sowie die spanische Regierung für diesen Event hatten. Wir haben als Ersatz am 24. Februar eine virtuelle Keynote in Barcelona durchgeführt, weil einige der Journalisten den Trip nach Barcelona trotzdem angetreten haben. Gleichzeitig haben wir auch zahlreiche Medien an einem lokalen Event in Zürich willkommen geheissen. Wir kündigten einige neue Geräte wie auch unsere HMS-Strategie – HMS steht für Huawei Mobile Service – an.

 

Welche Auswirkungen hat das Coronavirus ganz grundsätzlich auf das Geschäft von Huawei?

Unser Geschäftsbetrieb ausserhalb von China geht wie gewohnt weiter. Seit dem Bekanntwerden des Coronavirus hat Huawei Massnahmen implementiert, die zur Gesundheit und Sicherheit unserer Mitarbeiter und Gemeinschaft beitragen. Mitarbeiter, die einen Business-Trip gemacht haben wurden aufgefordert, sich zwei Wochen in Quarantäne ausserhalb der Offices zu begeben , um ihre Gesundheit im Auge zu behalten. Wenn nach zwei Wochen alles in Ordnung ist, ist es ihnen erlaubt, zur Arbeit zurückzukehren. Inzwischen haben wir Geschäftsreisen von und nach China abgesagt. Und da wir bereits im Januar begonnen haben, Vorbereitungen zu treffen, ist unser Geschäft in der Schweiz von den Auswirkungen des Virus nicht wirklich betroffen. Wir haben genug Lagerbestände.

 

Wegen des US-Banns können keine Google Mobile Services (GMS) mehr auf neuen Huawei-Geräten eingesetzt werden. Trotzdem kommen demnächst neue Smartphones auch auf den Schweizer Markt. Wie ist das möglich?

Für bestehende Smartphones hat sich seit dem US-Bann im Mai letzten Jahres nichts verändert. Wir können immer noch die volle Funktionalität, inklusive GMS, Softwareupdates und Sicherheitsbadges gewährleisten Tatsächlich gibt es mehr als 17 Geräte, inklusive dem Huawei P30 Pro, die mit Android Q aufgerüstet wurden. Wir fokussieren uns immer darauf, unseren Konsumenten das beste Nutzererlebnis zu bieten. Geräte wie das Nova 4t oder das P30 lite New Edition haben wir zwar nach dem Bann lanciert, jedoch hatten wir für diese bereits die Google-Lizenz. Unser Flaggschiff Mate 30 Pro besitzt keine Google-Lizenz und läuft mit unseren Huawei Mobile Services. Auch unsere nächsten geplanten Produkte werden mit HMS ausgeliefert.

 

Huawei lancierte mit HMS seine eigenen Mobile Services, nachdem der US-Bann in Kraft trat. Welche Strategie steckt dahinter?

Die HMS-Strategie ist vielschichtig. HMS ist unterdessen in mehr als 170 Ländern verfügbar. Mit unseren Diensten wollen wir unsere Vision für eine smartere, schnellere und nahtlosere Nutzererfahrung vorantreiben. Sie bieten den Konsumenten weltweit einen neuen Weg, um Zugriff auf Mobile Services auf ihren Huawei-Geräten zu erhalten. Wir haben sehr hart gearbeitet, um HMS so offen und umfassend als möglich zu machen und freuen uns darauf, in naher Zukunft mehr Partner an unserer Vision teilhaben zu lassen. Für Konsumenten wird es die erste echte Alternative seit zehn Jahren.

 

Wie holt Huawei Entwickler für HMS an Bord?

Wir bieten Zugriff auf innovativste Hardware, führende KI-Technologie sowie globalen und lokalen Support. Mit den Entwicklern arbeiten wir sehr eng zusammen. Es gab in Europa bereits mehrere "Huawei Developer Days", beispielsweise Anfang November 2019 anlässlich des Web Summits in Lissabon, aber auch in Italien, Deutschland und England. Ein Huawei Developer Day in der Schweiz ist ebenfalls eine Option. An diesen Events haben Entwickler und auch Agenturen die Möglichkeit, alles über die Entwicklung von HMS-Apps zu erfahren, sich mit unseren Technikern auszutauschen und von den Erfahrungen zu profitieren, die andere schon bei der Zusammenarbeit mit Huawei gesammelt haben. Ausserdem können wir Entwicklern viele Vorteile bieten, von denen wiederum ihre Kunden profitieren. Es ist sehr einfach, Apps in der Huawei App Gallery (HAG) zu registrieren. Erfahrungsgemäss braucht es nur wenige Stunden, um alles Erforderliche zu erledigen und die Apps in die HAG zu laden. Wir stellen zudem umfassende Unterstützung, zum Beispiel technischer Natur, zur Verfügung, damit jeder Entwickler seine App mit möglichst wenig Aufwand in die App Gallery laden kann. Danach können Entwickler die HMS-Integration mit unseren HMS-Kits starten.

 

Wieso braucht es diese HMS-Kits?

Je nach Funktionalität der App braucht es unterschiedlich viele GMS. Einige Programme arbeiten komplett ohne GMS und funktionieren deshalb bereits von Beginn weg auf unseren Geräten, wie zum Beispiel die "Watson"-App. Für andere stellen wir HMS-Kits zur Verfügung, mit denen GMS-Codes ersetzt werden können. Jeder Fall wird individuell analysiert und bewertet.

 

Apropos "Watson": Der Erfolg von Smartphones ist nicht zuletzt von länderspezifischen Apps abhängig. Welche Entwickler in der Schweiz ­haben bereits HMS-Code integriert und sind in der Huawei App Gallery zu finden?

Wir haben unsere HMS-Strategie im September letzten Jahres gestartet und arbeiten seither eng mit verschiedenen Entwicklern lokaler Apps zusammen. Im Moment sind mehr als 20 Schweizer Apps in der HAG verfügbar. Neben "Watson" findet man zum Beispiel "20 Minuten", "Tagesanzeiger", "Blick", "Eat.ch" und "Digitec". Bei einigen Apps wie "Jobs.ch" haben wir sogar bereits mit der HMS-Integration begonnen. Ich glaube, wir können sie in den nächsten Wochen beenden.

 

Inwiefern ändert sich das Nutzererlebnis durch die Umstellung der Apps auf HMS?

Das hat keinen Einfluss auf das Nutzererlebnis. Die Kunden können für HMS optimierte Apps in ihrer vollen Funktionalität auf den HMS-Geräten geniessen. Der Konsument will nicht wissen, ob er Apps verwendet, die in einer GMS- oder einer HMS-Umgebung funktionieren, solange sie auf seinem Gerät funktionieren.

 

Wie bekomme ich denn solche Apps auf das Telefon, die noch nicht in der HAG verfügbar sind? Braucht es Workarounds?

Unser Ziel ist es, die Apps so einfach als möglich zugänglich zu machen. Es ist sicherlich nicht notwendig, dafür etwa zusätzliche Dienste von Drittanbietern herunterzuladen. Es gibt verschiedene Wege, Apps herunterzuladen. Die meisten Programme können von Smartphones über Phone Clone einfach auf ein neues Huawei Gerät übertragen werden. Ausserdem können laufend mehr Apps von der Huawei App Gallery heruntergeladen werden. Eine weitere Möglichkeit ist der Download von Apps wie "Whatsapp" über den Browser.

 

Hoffen Sie dennoch, dass der GMS-Bann aufgehoben wird?

Egal wie es kommt, wir werden an unserer HMS-Strategie weiterarbeiten. HMS sind smarter und schneller als vergleichbare Plattformen. Trotzdem geht es nicht darum, die GMS zu ersetzen, sondern eine Alternative zu bieten. Wir wollen immer noch mit Google zusammenarbeiten. Schliesslich basiert HMS auf dem Android Open Platform System. Das wurde in der Vergangenheit leider häufig missverstanden: Wir bekennen uns offen zu Android, egal was passiert. Wir arbeiten auf Smartphone und Tablets mit der Open-Source-Version des Betriebssystems und wir planen nicht, das zu ändern. Wir glauben an Android und Google und haben die Partnerschaft auch immer geschätzt und viel in sie investiert.

 

Wollen Sie HMS auch anderen Marken zugänglich machen?

Das soll im Rahmen unserer Strategie "1 + 8 + N" geschehen, die wir letztes Jahr lanciert haben. Dabei handelt es sich um einen Plattformgedanken mit dem Smartphone als Kernelement. Dieser Kern steht für die "1" in der Strategie. Ausgehend davon ist es möglich, sich mit dem nächsten Ring der Plattform zu verbinden, der "8": Acht verschiedene Gerätetypen von Huawei im HMS-Ökosystem, mit denen sich das Smartphone problemlos verbinden lässt. Dazu gehören etwa Tablets, PCs, Wearables und Audiogeräte, die wir bereits in der Schweiz lanciert haben – alles Produkte von Huawei. In Zukunft werden wir auch noch Smart Screens und Speakers anbieten. Der äusserste Ring dieser Plattform bildet das "N": Wir wollen uns in dem HMS-Ökosystem mit so vielen Partnern wie möglich verbinden. Wie gesagt wollen wir ein möglichst offenes System aufbauen. Je mehr Partner diese Plattform verwenden, desto mehr Erfahrungen sammeln sich, was sich wiederum positiv im Nutzererlebnis der Kunden niederschlagen wird.

 

Sind Sie zufrieden trotz der verschiedenen Unsicherheiten mit dem Schweizer Geschäft?

Unser Schweizer Geschäft ist nicht wirklich von den Umständen betroffen. Was das Coronavirus betrifft, haben wir vorgesorgt. Und auch wenn Huawei zu Beginn des US-Banns im letzten Jahr kurzzeitig Umsatzeinbussen verzeichnen musste, sind wir ab dem dritten Quartal 2019 wieder gewachsen. Wir gewinnen das Vertrauen der Konsumenten zurück und erhalten vollste Unterstützung von unseren Partnern. Unsere Geräte wie das P30 Pro sind sehr beliebt. Mit dem Betriebssystem Android Q erhalten wir nach wie vor alle Sicherheitspatches und Systemupdates. Verglichen mit dem Geschäftsjahr 2018 sind wir gewachsen. Unsere Flaggschiff-Smartphones weisen ein Wachstum von mehr als 18 Prozent auf, verglichen mit 2018. Also würde ich sagen, dass wir wirklich Erfolg haben.

 

Welches sind dieses Jahr die grössten Herausforderungen, denen sich Huawei in der Schweiz gegenübersieht?

Wir werden es weiter zu unserer grössten Aufgabe machen, den Kunden die beste User Experience zu bieten. Die Schweiz steht für Innovation und ist seit 2019 europaweit führend bei 5G. Wir sind stolz, dass wir dazu beitragen konnten. Unser grösster Fokus dieses Jahr ist die enge Zusammenarbeit mit lokalen Partnern, um gemeinsam unser Ökosystem respektive unsere App Gallery zu bilden.

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