Editorial

Fintech ist nicht gleich Fintech

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(Source: Netzmedien)
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Die Stimmung in der Schweizer Fintech-Branche ist zwiespältig: Wer sich als neuer Finanzdienstleister, als Bankendigitalisierer oder als Datengoldgräber versteht, sieht sich gut gerüstet. 8 von 10 Fintech-Unternehmen wittern aufgrund der Coronakrise mehr Chancen als Risiken, wie aus einer Umfrage des Verbands Swiss Finance ­Startups unter seinen Mitgliedern hervorgeht. Weil auch die Banken unter Spardruck geraten, erhoffen sich viele Fintechs neue Aufträge und vor allem Partnerschaften. Optimistisch dürften vor allem die etablierten Fintech-Unternehmen sein – denn für Start-ups im All­gemeinen sieht der Ausblick den Umfrageergebnissen zufolge eher durchzogen aus.

Regelrecht düster sieht die Lage im Blockchain-Sektor aus. Im April ging noch die Befürchtung um, das Crypto Valley drohe zum Death Valley zu werden. 80 Prozent der Schweizer Blockchain-Unternehmen rechneten damit, innerhalb von sechs Monaten bankrott zu gehen – dies ergab eine Umfrage des Branchenverbands Swiss Blockchain Federation. Das Problem: Investoren zogen Geld ab – und die staatliche Hilfe liess auf sich warten. Allerdings nicht mehr lange.

Wenige Wochen später beschloss der Bundesrat, die Vergabepolitik von Hilfskrediten anzupassen – sodass auch Fintech-Unternehmen eine ergänzende Unterstützung des Bundes und der Kantone bekommen können. Die Entscheidung kam keinen Tag zu früh. Und doch löst sie das Problem nicht im Kern. Denn die grösste Sorge der Schweizer Kryptounternehmen bleibt, «dass die Investoren nicht so schnell wieder in die Schweiz zurückkommen, wenn wir hier das Geld verheizen», sagte Daniel Haudenschild, Präsident der Crypto Valley Association, in der letzten Ausgabe der Netzwoche.

Der Hype um die Blockchain-Technologie hat sich allerdings schon vor Ausbruch der Pandemie abgekühlt, wie Thomas Ankenbrand von der Hochschule Luzern im Interview auf Seite 17 sagt. Eine allfällige Konsolidierung fände also unabhängig von Corona statt. Diese Einschätzung deckt sich mit dem Befund, den Ankenbrand mit den Ergebnissen der diesjährigen «IFZ Fintech Study» kurz vor dem Lockdown präsentierte: Fintechs haben Mühe damit, Kunden zu finden. Einige Unternehmen innerhalb der Branche konnten noch nicht beweisen, dass sie reale Probleme lösen können. Das liegt auch an den jeweiligen Technologien, die mitunter den Beweis schuldig bleiben, einen wirtschaftlichen Mehrwert zu schaffen.

Das kann sich nun ändern. Die Chancen für die Fintech-Branche sind tatsächlich da, doch sie sind ungleich verteilt. Nicht nur die knapp finanzierten Unternehmen sind in der Bredouille, sondern auch jene, die sich ausschliesslich vom Prinzip Hoffnung tragen lassen. Denn ohne handfeste Lösung für dringende Probleme wird es auch für Fintechs schwierig, den derzeitigen Digitalisierungsschub mitzunehmen.

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