CEO Reto Gutmann im Interview

Wie das Coronajahr Abraxas enger zusammenschweisst

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Abraxas ist ein wichtiger IT-Dienstleister für die öffentliche Hand und private Organisationen. Im Gespräch blickt Abraxas-CEO Reto Gutmann zurück auf das Jahr 2020, spricht über den Umzug in den Circle und über persönliche Rezepte gegen den Corona-Blues.

(Source: zVg)
(Source: zVg)

Wie geht es Abraxas im Coronajahr 2020?

Reto Gutmann: Wir sind wie wahrscheinlich so einige Unternehmen zu Beginn des Jahres gut gestartet und wurden im Frühling von der Coronapandemie und ihren Auswirkungen überrascht. Wir mussten wie alle sehr schnell auf Homeoffice umschalten, was zum Glück sehr gut funktionierte. Innert drei Tagen waren wir komplett im Homeoffice operativ. Ein grosses Kompliment an dieser Stelle an alle Mitarbeitenden, die das ermöglicht und mitgetragen haben. Im Grossen und Ganzen ist das Jahr für Abraxas bis jetzt vernünftig verlaufen, mit kleinen Hochs und Tiefs. Die
betrieblichen Dienstleistungen waren nach wie vor nachgefragt. Viele unserer Projekte dienen letztlich der Digitalisierung der Verwaltung und wurden wie geplant weitergeführt. Wir durften diverse Kunden dabei unterstützen, dass sie die Arbeit auch aus dem Homeoffice erledigen können. Eher etwas zurückhaltend beurteilen wir die Situation bezüglich des Starts neuer Projekte. Wir müssen davon ausgehen, dass ein Druck auf die Budgets der öffentlichen Hand entstehen wird. Positiv hat sich die Situation auf unser internes Zusammenarbeiten ausgewirkt. Eine höhere Bereitschaft, einander zu helfen, hat sich entwickelt. Auch konnten viele offene Stellen besetzt werden. Die Führungskräfte sind jedoch gefordert, bei praktisch komplettem Homeoffice den Zusammenhalt sicherzustellen. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass es zwischendurch auch wieder einen persönlichen Austausch braucht. Von daher freue ich mich darauf, wenn die Pandemiesitua­tion eines Tages vorbei sein wird.

Also wird 2020 trotz allem ein gutes Geschäftsjahr für Abraxas?

Ich würde sagen, insgesamt ist dieses Geschäftsjahr vernünftig verlaufen und wird sich voraussichtlich im Rahmen des Geplanten verhalten. Da wir aktuell auch noch einiges in die Erneuerung diverser Services investieren, bin ich verhalten positiv.

Wie hat sich die Zusammenarbeit mit Ihren Kunden seit März entwickelt?

Corona hat sicher die Auseinandersetzung mit den digitalen Möglichkeiten bei uns und bei den Kunden forciert. Themen rund um Homeoffice, mobile Arbeitsplätze oder Videokonferenzen haben deutlich an Stellenwert gewonnen. Allerdings muss man auch sagen, dass die persönlichen Interaktionen mit Kunden kurz nach dem Lockdown deutlich abgenommen haben. Jeder musste sich zuerst einmal mit der neuen Situation auseinandersetzen. Das pendelte sich aber rasch ein und wir nutzen die digitalen Kontaktmöglichkeiten. Nach der Aufhebung des Lockdowns spürte ich dann auch deutlichen Nachholbedarf für den direkten Austausch und es gab sehr viele persönliche Kundenmeetings. Im September veranstalteten wir einen Kundenanlass, der mit rund 200 Gästen sehr gut besucht war – auch das war ein klares Zeichen für das gestiegene Bedürfnis nach persönlichem Kontakt.

Wie haben sich in diesem Jahr die Prioritäten Ihrer Kunden verändert?

Ich denke nicht, dass sich die Prioritäten unserer Kunden grundsätzlich verschoben haben. Aber es kam eine zusätzliche Herausforderung hinzu. Trotz Corona mussten die Verwaltungen ja weiterhin in der Lage sein, unter volatilen Rahmenbedingungen etwa Betrieb und Gemeindeservices aufrechtzuerhalten. Dazu kamen bei vielen Gemeinden zum Beispiel zusätzliche Abstimmungen, weil die Gemeindeversammlungen nicht durchgeführt werden konnten.

Gab es Verzögerungen bei Projekten?

Das gab es punktuell. Die meisten, insbesondere die grös­seren Projekte liefen weiter wie vorher. Dazu muss ich auch unseren Kunden ein Lob aussprechen. Auch sie hatten sich sehr schnell an die neuen Gegebenheiten angepasst.

An welchen konkreten Projekten arbeitet Abraxas aktuell?

Ein wichtiges, grosses Kundenprojekt mit Leuchtturm­charakter ist der digitale Verwaltungsarbeitsplatz Zürich, den wir gemeinsam mit dem Kanton entwickeln. Der Arbeitsplatz soll als Dienstleistung aus der Cloud betrieben werden, also als Workplace-as-a-Service. Microsoft 365 spielt dabei eine zentrale Rolle. Es ist ein komplexes Projekt, bei dem neben der technischen Seite auch prozes­suale, kulturelle und datenschutzrechtliche Herausfor­derungen zu meistern sind. Nur schon die schiere Menge ist beeindruckend: Es geht um 10 000 Arbeitsplätze. Bei Microsoft aus der Cloud kann man bereits von einem Trend sprechen: Auch für das SKJV (Schweizerisches Kompetenzzentrum für den Justizvollzug) konnten wir kürzlich ein entsprechendes Projekt abschliessen. Zudem haben wir im August vom Spital Bülach den Auftrag erhalten, die IT zu betreiben. Im Weiteren gibt es strategische Projekte, die unser Produkt- und Serviceportfolio betreffen, wie etwa die Erneue­rung unserer Steuerlösung. Ausserdem arbeiten wir daran, alle unsere Applikationen mittelfristig mandantenfähig aus der Abraxas Cloud anbieten zu können. Ebenfalls sind wir dabei, Teile unserer Gemeinde-Suite zu erneuern. Hier steht als Basis der künftigen Anwendungen insbesondere die Neuprogrammierung des Personenregisters im Fokus.

Welche Idee steckt hinter der Abraxas Cloud?

Die Abraxas Cloud soll mittelfristig alle unsere Fachanwendungen als Service anbieten. Einzelne Services stehen bereits heute zur Verfügung. Aber auch IaaS- bzw. PaaS-Lösungen stehen zur Verfügung. Die Abraxas Cloud ist eine sichere Basis für den IT-Betrieb unserer Kunden. Datenschutz, Skalierbarkeit, Planbarkeit und Flexibilität stehen dabei im Vordergrund. Zudem ist auch ein wichtiges Ziel der Abraxas Cloud, durchgängige Prozesse für unsere Kunden der öffentlichen Hand zu ermöglichen.

Wie entwickelt sich das Abacus-Geschäft innerhalb von Abraxas?

Das Abacus-Geschäft hat sich sehr erfreulich entwickelt und birgt noch viel Potenzial. Es ist unser Ziel, Abacus als Teil unseres Gemeinde-Portfolios als Lösung zu integrieren. Wir sind am 1. Januar 2019 mit dem neuen Geschäftsbereich gestartet – damals hatten wir drei Fachberater und drei Abacus-Kunden. Mittlerweile ist die Abacus-Abteilung 30 Mitarbeitende stark, die rund 100 Gemeindekunden und etwa drei Dutzend Privatkunden betreuen. Ein wichtiger Meilenstein war für uns etwa die Stadt St. Gallen, die wir als Kundin für Abacus gewonnen haben.

Apropos Meilenstein: Die Zürcher Niederlassung von Abraxas zieht in den Circle am Flughafen Zürich um. Was bedeutet der neue Standort für Abraxas?

Den Ausschlag für den Circle als neuen Abraxas-Standort gaben für uns die ausgezeichnete Anbindung an den öffentlichen Verkehr und das Strassennetz sowie der attraktive Mix der als Mieter gewonnenen Firmen. Vom ­Circle aus ist man vergleichsweise schnell an einem unserer anderen Standorte oder auch in der Zürcher City. Diese Mobilität und Flexibilität passen zu Abraxas als IT-Unternehmen. Auch erlauben uns unsere Räumlichkeiten im Circle künftig mehr Flexibilität in der Zusammenarbeit. Ähnlich wie schon an unserem Hauptsitz in St. Gallen werden sie im Multispace-Konzept gestaltet.

Mit Microsoft, Oracle, SAP und weiteren Unternehmen sind Sie dort in bester (IT-)Gesellschaft. Wird der Circle, der neue Place-to-be für die IT-Schweiz, zu einer Art "Silicon Zurich"? Wie schätzen Sie das ein?

Zürich ist heute schon das pulsierende Herz der IT-Schweiz. Mit dieser geballten Ladung an IT-Spezialisten, die sich im Circle treffen, wird dort definitiv ein wichtiger IT-Standort entstehen, was ich toll finde. Ein wichtiger Vorteil der ­Agglomeration Zürich ist natürlich die Beliebtheit der Region bei IT-Fachkräften. Schon heute stehen wir im Austausch mit zahlreichen IT-Unternehmen – auch im Grossraum Zürich –, so etwa auch mit Microsoft Schweiz, einem unserer künftigen Nachbarn im Circle.

Welche unternehmerischen Schwerpunkte setzen Sie für 2021?

Einerseits werden wir natürlich unsere bereits erwähnten strategischen Projekte weiterverfolgen: unsere Steuer­lösung weiterentwickeln, das Personenregister der Gemeinde-Suite neu programmieren und lancieren, aber auch unsere Abraxas Cloud weiter etablieren. Zudem haben wir eine Employer-Initiative namens «01» gestartet, mit der wir insbesondere auch junge IT-Nachwuchskräfte ansprechen wollen. Und mit der Coronasituation steht natürlich auch das Sicherstellen des Geschäfts im Vordergrund. Ich gehe davon aus, dass uns Covid-19 nächstes Jahr noch massiv beschäftigen wird. In diesem Zusammenhang möchten wir Kundennähe und Kundenzufriedenheit weiterhin sicherstellen. Denn in Zeiten von Homeoffice kann insbesondere der Kundenkontakt leiden.

Welchen Geschäftsgang erwarten Sie für das kommende Jahr?

Wir gehen davon aus, dass Corona auch 2021 Druck auf die Budgets ausüben wird. Die Steuereinnahmen und damit die Budgets auf allen Staatsebenen dürften zurückgehen. Auf der anderen Seite müssen Investitionen in die IT auch in der öffentlichen Verwaltung weiterhin getätigt werden, denn die IT ist schliesslich der Motor, um die Effizienz hochzuhalten und Prozesse durchgängig zu digitalisieren. Insofern gehen wir Stand heute davon aus, dass wir das 2021 plus-minus mit stabilem Umsatz abschliessen werden.

Wie sieht Ihr persönliches Rezept gegen den Corona-Blues aus?

Zurzeit meide ich unkontrollierte Menschenansammlungen, in denen der Abstand nicht eingehalten werden kann. Ansonsten versuche ich nach meinen Gewohnheiten weiterzuleben. Für mich gehört dazu, Sport zu treiben, gut zu essen und den Austausch mit Menschen zu pflegen. Auch wenn viele Treffen virtuell über Video stattfinden, sind sie dennoch sehr wichtig. Trotz allen Einschränkungen, die Corona mit sich bringt, tröste ich mich auch mit dem Gedanken, dass es uns in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern immer noch sehr gut geht.

Reto Gutmann ist seit 2016 CEO von Abraxas. Davor war er Direktor Informatikdienste bei der ETH Zürich. Mehr über den Abraxas-CEO erfahren Sie in der Meldung zu seinem Stellenantritt.

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