Zwei Gesetzesreformen

EU will Web-Giganten Zügel anlegen

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von Rodolphe Koller und Übersetzung von: Milena Kälin

Die Europäische Kommission hat ihre Pläne für die Reform der digitalen Plattformen vorgestellt. Auf dem Plan stehen zwei neue Gesetze: Diese sollen Plattformen für die Inhalte, die sie hosten, verantwortlich machen und sie daran hindern, ihre Konkurrenten zu behindern.

Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin für ein digital kompetentes Europa. (Source: CCE)
Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin für ein digital kompetentes Europa. (Source: CCE)

Die Europäische Kommission (EK) beabsichtigt, den digitalen Raum in der EU stärker zu regulieren. Infolgedessen sollen einer Vielzahl von Praktiken ein Ende gesetzt werden, die von der Veröffentlichung illegaler Inhalte bis hin zur Auferlegung von Barrieren für konkurrierende Dienste reichen. Die EK setzt auf verschiedene Überwachungsmechanismen und die Androhung von Rekordstrafen, die bis zu 10 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes der betroffenen Unternehmen betragen. Sie droht sogar mit Zerschlagung, um die GAFA - die Webgiganten Google, Apple, Facebook und Amazon - zur Einhaltung der künftigen Regelungen zu zwingen.

Zusätzlich möchte sich die Kommission spezifische Befugnissen erteilen, die für die Aufsicht über die grössten Plattformen mit über 45 Millionen Nutzerinnen und Nutzer in der EU gebraucht werden.

Die vorgeschlagene Reform, die noch einen langwierigen Prozess durchlaufen muss, besteht aus zwei Gesetzestexten: Einem zu digitalen Dienstleistungen und einem zu digitalen Märkten. "Beide Vorschläge dienen dem gleichen Zweck: Sicherzustellen, dass wir als Nutzer in einer sicheren Umgebung online Zugang zu einer grossen Auswahl an Produkten und Dienstleistungen haben. Und dass Unternehmen, die in Europa tätig sind, online genauso frei und fair konkurrieren können, wie sie es offline tun. Das sind zwei Seiten derselben Welt", sagte Margrethe Vestager, Vizepräsidentin für ein digitales Europa.

Kontrolle und Transparenz

Die erste Gesetzgebung zu digitalen Dienstleistungen wird Plattformen für die Inhalte verantwortlich machen, die sie hosten. Und das egal, ob es sich um Produkte handelt, die auf Amazons Marktplatz verkauft werden, oder um Wohnungen, die beispielsweise auf Airbnb angeboten werden. Vor allem Unternehmen, die diese Plattformen betreiben, müssen in der Lage sein, illegale Inhalte schnell zu entfernen und den Missbrauch ihrer Systeme zu verhindern. Ausserdem müssen sie ihre Empfehlungsalgorithmen transparent gestalten.

Angriff auf Gatekeeper-Funktion

Die zweite Gesetzgebung, die sich mit digitalen Märkten beschäftigt, könnte eine viel ernstere Gefahr für die GAFA darstellen. Sie stellt nicht nur deren Arbeitsweise in Frage, sondern auch ihre Struktur. Die Reform richtet sich gegen Plattformen mit einer "Gatekeeper"-Funktion, die es ihnen aktuell erlaubt, konkurrierende Unternehmen auf der eigenen Plattform zu behindern. Zum Beispiel wäre Google nicht mehr in der Lage, seine eigenen Dienste in den Suchmaschinenergebnissen zu bevorzugen oder die Installation seiner Apps auf Android-Geräten zu erzwingen. Und Apple wäre nicht mehr in der Lage, die standardmässige Nutzung von konkurrierenden Messaging-Diensten wie dem Facebook Messenger auf seinen Smartphones zu verhindern.

Laut der Fachseite Politico haben die Lobbyisten der in Brüssel aktiven Tech-Giganten im vergangenen Frühjahr einen strategischen Wechsel vollzogen. Sie konzentrierten sich auf die zweite Reform, als sie die Auswirkungen sahen. Umso mehr, als sie sich in den USA mit ähnlichen Regelungen konfrontiert sahen.

Zufriedene Verbraucher

BEUC, der Europäische Verbraucherverband, begrüsste beide Reformvorschläge. "Der Massstab für eine erfolgreiche Reform ist es, sicherzustellen, dass Plattformen und ihre Geschäftsmodelle effektiv in die Verantwortung genommen werden. Es ist inakzeptabel, dass sie weiterhin den Verkauf von unsicheren Kinderautositzen in Online-Shops, falsche Behauptungen in sozialen Netzwerken und betrügerische Suchmaschinenwerbung zulassen, vertreiben und davon profitieren", kommentierte Monique Goyens, Generaldirektorin des BEUC. Von der Marktreform ist sie jedoch weniger begeistert: "Es ist enttäuschend, dass die Kommission ihre Pläne verwässert hat, um sie auf Gatekeeper zu beschränken. Marktversagen, das Verbrauchern schadet, ist nicht auf digitale Märkte beschränkt."

Im November schlossen sich 135 Unternehmen gegen Google zusammen. Gemeinsam fordern sie die EU-Kommission zum Handeln auf. Der Onlineriese würde seine Marktmacht missbrauchen.

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