Thomas Rückert im Interview

Lufthansa-CIO: "Die Swiss ist für uns ein Juwel"

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"The most digital airline in the world" – das sei das Ziel der Lufthansa-Gruppe, sagt ihr CIO Thomas Rückert. Die Cybersicherheit ist ständiger Bestandteil seiner Digitalisierungsstrategie. Doch auch die neuen Coronazertifikate dürften ihn noch eine Weile beschäftigen.

Thomas Rückert, CIO, Lufthansa-Gruppe. (Source: zVg)
Thomas Rückert, CIO, Lufthansa-Gruppe. (Source: zVg)

Sie haben im Januar die Stelle als CIO der Lufthansa-Gruppe ­angetreten. Was hat Sie in den vergangenen acht Monaten ­besonders geprägt?

Thomas Rückert: Ein einzelnes Ereignis fällt mir nicht ein. Aber ich lerne noch immer regelmässig neue Menschen aus unserer grossen IT-Community kennen, die mich mit ihrer Kompetenz und ihrer Einsatzbereitschaft begeistern. Mich beeindruckt, was für tolle Mitarbeitende wir haben, und das ist meiner Meinung nach das Prägendste.

Basierend auf meinem subjektiven Eindruck würde ich die Luftfahrt als eine der digitalisiertesten Industrien bezeichnen. Teilen Sie diese Einschätzung?

Ich bin seit bald 26 Jahren in der Luftfahrtindustrie tätig und habe andere Industrien nur rudimentär kennengelernt. Aber ich teile diesen Eindruck. Digitalisierung war für uns schon immer ein Schwerpunktthema, getrieben von der Globalisierung unseres Geschäfts, aber auch durch den grossen Wettbewerb. Unser Vorstandsvorsitzender Carsten Spohr sagt immer, dass wir "the most digital airline in the world" sein wollen. Das bedeutet für uns, dass wir uns ständig verbessern müssen. Der Weg endet nie, aber wir sind auch schon weit gekommen.

Wie viele Personen arbeiten aktuell bei der Lufthansa-Gruppe im Bereich IT?

In Summe ist unsere IT-Community etwa 6000 Personen stark. Dazu gehören auch unsere IT-Firmen, die ihrerseits Produkte vertreiben, darunter auch führende Lösungen wie Lido von Lufthansa Systems oder Consulting Services von Lufthansa Industrie Solutions. Etwa die Hälfte unserer IT-Belegschaft arbeitet bei diesen beiden Firmen.

Schon lange gehört Swiss International Airlines zur Lufthansa-Gruppe. Wie eigenständig ist die IT der Swiss organisiert?

Die Beziehung zur Swiss ist tatsächlich eine besondere. Grundsätzlich ist sie eigenständig. Aber überall, wo es sinnvoll ist für unsere Kundschaft oder im Sinne der Effizienz, arbeiten wir an Harmonisierung und Standardisierung. Dabei spielt die Swiss eine sehr aktive Rolle und ist integraler Bestandteil dieser Strategie. Der CIO der Swiss, Peter Lienhard, berichtet deshalb nicht nur an den Swiss-CEO Dieter Vranckx, sondern auch an mich. Unsere Digital Labs, in denen wir eigene Produkte ent­wickeln, sind in der Unternehmensstruktur beispielsweise über die Swiss angehängt, arbeiten aber für die gesamte Gruppe.

Warum sind diese Entwicklungszentren gerade bei der Swiss untergebracht?

Die Swiss ist für uns ein Juwel. Sie ist eine grosse, sehr gut organisierte Airline, was wir auch in der IT merken. Wir finden dort die kompetenten Menschen und die Struktur, die unsere digitalen Entwicklungslabors am besten betreiben können. Die Labs selbst befinden sich übrigens nicht nur in der Schweiz, sondern sind international verteilt.

Vor fast sieben Jahren wurde bekannt, dass die Lufthansa ihre IT an IBM auslagert. Der Vertrag war damals auf eine Dauer von sieben Jahren angesetzt. Wo betreiben Sie die IT aktuell?

Die Partner von damals sind die Partner von heute. IBM ist nach wie vor unser Hauptprovider für IT-Dienstleistungen. Der Konzern betreibt die Rechenzentren, in denen ein Grossteil unserer wichtigsten Applikationen läuft, wobei die Cloud zunehmend an Bedeutung gewinnt. Natürlich arbeiten wir kontinuierlich daran, die IT besser zu gestalten. Wichtig ist, in einem nicht einfacher werdenden Kontext einen stabilen Betrieb und eine zuverlässige IT-Security sicherzustellen.

Als CIO sind Sie für die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie zuständig. Wie sieht diese Strategie aus?

Unsere Strategie basiert auf vier Säulen: Erstens ist die IT Teil der Wertschöpfungskette, zweitens ist sie Treiber und Quelle von Effizienz und Effektivität. Drittens beginnt für mich Digitalisierung immer bei den Mitarbeitenden, wie man sie vernetzt und wie man sie enabelt. Und viertens müssen wir als Konsequenz parallel auch immer in die Cybersecurity investieren. In jeder Säule haben wir Projekte angesiedelt, mit denen wir Veränderungen vorantreiben.

Können Sie ein paar aktuelle Beispiele nennen?

Im Bereich der IT als Teil der Wertschöpfungskette geht es darum, unsere Kundenschnittstellen zu harmonisieren. Heute hat jede unserer Airlines eine eigene Applikation, mit einer App und einem Web-Front-End für die Kunden. Wir sind dabei, all diese Applikationen auf eine moderne Plattform zu heben, die zwischen den Marken differenzieren und lokale Besonderheiten bedienen kann. Im Bereich der Effizienz vereinfachen wir unsere komplexe, über Jahrzehnte gewachsene IT-Struktur oder wechseln von unseren Data Warehouses in moderne Cloud-Lösungen. Für unsere Mitarbeitenden haben wir schliesslich noch nicht über die ganze Unternehmensgruppe komplett einheitliche Arbeitsplätze, und auch ihre Vernetzung ist noch nicht komplett durchgehend.

Was läuft im Bereich der IT-Security?

Es ist eine Tatsache, dass unsere Website und unsere ­Applikationen permanent angegriffen werden. Es gibt ständig Versuche, unsere Systeme in die Knie zu zwingen. Bisher gelang es uns sehr gut, diese Versuche abzuwehren.

Wie hat sich die Lage während Corona verändert?

Seit Beginn der Pandemie haben sich die Angriffsversuche vervielfacht, während normale Anfragen auf unseren Websites zurückgingen. Eine Hypothese könnte sein, dass Cyberkriminelle vermuteten, wir hätten unsere Investments in die IT-Sicherheit angesichts der Krise zurückgefahren. Doch genau dies haben wir nicht getan, sodass wir uns bisher gut zur Wehr setzen konnten.

Langsam zeichnet sich ein Ende der Pandemie ab. Werden Ihrer Einschätzung nach die Cyberangriffe wieder weniger?

Persönlich rechne ich nicht damit. Wir stellen uns eher darauf ein, dass die Häufigkeit der Angriffe auf dem Niveau bleibt und dass auch die Professionalität nicht abnehmen wird. Angreifer lernen ständig dazu, und wir tun gut daran, uns ebenfalls stetig weiterzuentwickeln. Entsprechend investieren wir kontinuierlich in unsere IT-Sicherheit. Und trotzdem wissen wir alle, dass es uns erwischen kann, da es einen absoluten Schutz einfach nicht gibt.

Was gehört, abgesehen von der Digitalisierungsstrategie, noch zu Ihren Aufgaben als CIO der Lufthansa-Gruppe?

Zu meinen Aufgaben gehören natürlich die Basics, wie zum Beispiel die Stabilisierung der Netzwerke. Das Thema beschäftigt uns aktuell, weil wir unsere Leistung nach der Pandemie wieder hochfahren und unsere IT-Netze auch unter hoher Last zuverlässig bleiben müssen. Denn am Ende nützt die schönste Digitalisierung nichts, wenn die Systeme nicht funktionieren. Auch in diesem Punkt waren wir bis jetzt erfolgreich. Ebenfalls zu meinem Job gehört die Kostenverwaltung von IT-Projekten. Als Besonderheit sitze ich auch als Beteiligungsverantwortlicher im Board der Lufthansa Systems, die wiederum als IT-Provider auftritt.

Aktuell sorgt Corona für immer neue Einreisebestimmungen, und laut Medienberichten testet die Swiss mehrere Apps zum Nachweisen des Gesundheitszustandes. Was bedeutet dies für die IT der Lufthansa?

Es ist nicht einfach, unsere Kundinnen und Kunden hier zu unterstützen, weil sich die Reiseregeln stetig verändern. Vereinfachend sind die staatlich beglaubigten digitalen Covid-19-Zertifikate – vor diesen mussten wir noch gescannte Papierzertifikate jeweils bewerten. He­rausfordernd bleibt aber der Abgleich mit den unterschiedlichen Anforderungen der Zielländer. Je nachdem akzeptieren diese etwa keine Kreuzimpfungen oder verlangen zusätzliche Formulare. Für meinen Geschmack steckt hinter diesem Prozess noch zu viel manuelle Arbeit, und wir sind laufend daran, ihn zu automatisieren. Unser Ziel ist, den Gesundheitscheck für unsere Kunden so einfach und für uns so effizient wie möglich zu gestalten. Ich hoffe, dass unsere Kunden dies jetzt schon merken, aber der Weg ist für uns noch nicht abgeschlossen.

Welche weiteren IT-Projekte stehen bei der Lufthansa-Gruppe an?

Die erwähnte Harmonisierung und Verbesserung unserer Webportale und Apps wird beispielsweise für die Kunden der Swiss in den kommenden Monaten sichtbare Verbesserungen bringen. Auch planen wir, in Zusammenarbeit mit unserem Innovation Hub in Berlin neue Services für Passagiere einzuführen. Intern wird uns die Cloud-Transformation sehr stark beschäftigen. Aktuell laufen noch viele unserer Applikationen im Rechenzentrum, die wir in die Cloud transformieren möchten.?

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