Kostenfaktor Bancomat

Die Zukunft der Bargeldversorgung in der Schweiz

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von Andreas Dietrich, Leiter des Instituts für Finanzdienstleistungen, Hochschule Luzern

Der Zugang zu Bargeld soll trotz dessen abnehmender Bedeutung als Zahlungsmittel auch weiterhin gewährleistet bleiben. Der effiziente Betrieb von Bancomaten wird aber zunehmend zu einer Herausforderung für die Banken. Es gibt verschiedene Optionen für die künftige Bargeldversorgung in der Schweiz.

Bargeld ist noch immer sehr wichtig in der Schweiz. Gemäss der im Jahr 2017 von der SNB durchgeführten Zahlungsmittelumfrage ist Bargeld das meistgenutzte Zahlungsmittel von Privathaushalten in der Schweiz. Gleichzeitig kann man anhand von verschiedenen Statistiken feststellen, dass die Relevanz von Bargeld (zumindest als Zahlungsmittel) im Alltag abnimmt. Die Debitkarte und die Mobile-Payment-Anbieter spielen dabei eine Rolle. Trotzdem werden wir auch mittel- bis langfristig nicht in einer völlig bargeldlosen Schweiz leben. Der Zugang zu Bargeld soll entsprechend, trotz der abnehmenden Bedeutung von Bargeld als Zahlungsmittel, auch weiterhin gewährleistet bleiben.

Die Bancomaten bleiben die beliebteste Bezugsquelle für Bargeld in Europa, wie auch die EZB in ihrer Studie "Space" vom Dezember 2020 bestätigt. Als Betreiber der Bancomaten stehen Banken aber angesichts geringer Bargeld-Transaktionen vor der Herausforderung, ihre Bancomaten auch künftig wirtschaftlich betreiben zu können.

Die jährlichen Kosten für die Bargeldversorgung werden in einem Whitepaper von Six ("The Future of Money") auf rund 900 Millionen Franken für den Bankensektor und auf rund 1,3 Milliarden Franken für den Detailhandel beziffert. Als einer der Kostentreiber aus Bankensicht wurde dabei die Anzahl an Bancomaten identifiziert. Die Zahl der Bancomaten hat sich gemäss SNB-Statistik zwischen 2005 und 2019 stetig erhöht. Seit 2020 nimmt die Zahl hingegen wieder etwas ab. Ein Gerät dieser Art kostet einmalig und abhängig von den Funktionalitäten und inklusive Einbau etwa 40 000 bis 90 000 Franken. Danach fallen wiederkehrend rund 15 000 bis 40 000 Franken Unterhalt pro Jahr an.

Auch die Zahl der Bargeldabhebungen an Bancomaten hat sich gemäss Statistiken in den vergangenen Jahren stark reduziert.

Banken müssen reagieren

Die Retailbanken werden in Anbetracht der sinkenden Margen auch künftig gezwungen sein, ihre Betriebskosten weiter zu optimieren. Entsprechend müssen sie auf das veränderte Kundenverhalten in Bezug auf die Bancomaten-Transaktionen eine Antwort haben. Dabei muss einerseits die Anzahl der Bancomaten als auch die (Effizienz der) Bewirtschaftung kritisch hinterfragt werden. Geringere Transaktionsvolumina führen aufgrund der hohen Fixkosten einer Bargeld-Infrastruktur zu steigenden operativen Kosten pro Transaktion.

Schweizer Banken sind bisher nicht untätig geblieben in Bezug auf die Effizienzsteigerungen in der Bargeldversorgung. So sind etwa rund 6000 der fast 7000 Schweizer und Liechtensteiner Geldautomaten aktuell an das Netz der Plattformbetreiberin Six angeschlossen (Engelhardt, 2021). Six übernimmt dabei verschiedene wesentliche Dienstleistungen und verwaltet gemeinsame Standards und Anforderungen für das Bancomaten-Netzwerk. Auch werden zum Beispiel die Möglichkeiten des Bargeldbezugs am Schalter je länger desto stärker eingeschränkt ("Abbau von Schaltern"; Stichwort: bargeldlose Filiale).

Optionen für die Bargeldversorgung der Zukunft

Wie wird in Zukunft die Bargeldversorgung in der Schweiz sichergestellt werden? Nachfolgend versuche ich einige Optionen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – aufzuzeigen und einzuordnen.

  1. Eine erste Möglichkeit besteht für Kunden darin, an Kassen von gewissen Detailhändlern Geld "abzuheben". So können beispielsweise Kunden mit einer Postfinance Card, einer Maestro-Karte der Migros Bank oder einer Migros-Cumulus-Mastercard von Cembra Money Bank an der Kasse aller Migros-Filialen gebührenfrei Bargeld beziehen. Solche Modelle sind derzeit in Ländern wie Grossbritannien, den USA oder Australien weiter verbreitet als in der Schweiz. Hierzulande hat dieses Modell derzeit noch wenig Bedeutung.

  2. Eine zweite interessante Lösung bietet das Start-up Sonect. Das Geschäftsmodell von Sonect erlaubt Retail-Geschäften, die Rolle von Geldautomaten zu übernehmen. Mithilfe einer App können Anwender Bargeld in Läden beziehen. De facto kann dadurch jeder Detailhändler zum Geldautomaten werden (aktuell sind beispielsweise bereits alle Volg-Läden und Kioske von Valora angeschlossen). In der App kann der Anwender auch erkennen, wo sich der nächste "Bancomat" befindet. Für Geschäfte ist dies interessant, weil diese "Bancomaten-Funktion" die Angebotspalette des Retailers erweitert und sie zusätzlich etwas verdienen können. Gleichzeitig erhält man Laufkundschaft und kann solchen Kunden weitere Spezialangebote machen (z.B. vergünstigtes Getränk bei Bargeldbezug). Banken können durch Kooperationen mit Sonect (oder auch weiteren ähnlichen Unternehmen) die Bargeldversorgung zumindest zu einem gewissen Teil auslagern.

  3. Eine dritte Option, vor allem aus Sicht der Banken, besteht in der Optimierung der Kosten respektive in einem Outsourcing weiterer Dienstleistungen von Banken an einen externen Anbieter. So bietet die Six ab dem vierten Quartal 2021 eine Art "Business Process Outsourcing"-Dienstleistung für das ATM Cash Management an. Diese soll die Kosten für die Finanzinstitute deutlich senken. Gemäss Zahlen von Six entfallen rund 30 Prozent der ATM-Betriebskosten auf das Cash Handling. Six geht davon aus, dass Banken mit einem entsprechenden Outsourcing-Auftrag pro Jahr und ATM gut 4500 Franken einsparen könnten. Mit dem entsprechenden "ATM-Cash-Management-Services-Outsourcing" können Banken weiterhin Betreiber ihrer ATMs und Eigentümer des Bargeldes in den ATMs bleiben. Die Banken sind zudem weiterhin Vertragspartner gegenüber dem Werttransportunternehmen (WTU). Als Outsourcing-Partnerin erstellt Six mithilfe einer ATM-Cash-Management-Software ein Forecasting für jeden einzelnen Geldautomaten. Zudem beauftragt Six im Namen der Bank die jeweils für den Banknotenhandel zuständige Stelle mit der Beschaffung des Bargelds und ein WTU mit der Befüllung
    der ATMs

  4. Als vierte Option könnten sich die Banken dazu entschliessen, die Automaten in Zukunft einer "Betreibergesellschaft" zu übertragen. Durch eine Zusammenarbeit von Banken könnten sich vor allem an weniger transaktionsstarken Orten gezielte Abschaltungen von Bancomaten lohnen, respektive es würden Bancomaten gemeinsam angeboten werden. Dieses Modell, eine Art "Cash-as-a-Service" (oder "ATM-as-a-Service"), wäre auch mit einem Verzicht auf das bankenspezifische Branding – zumindest auf dem physischen Automaten – verbunden (möglicherweise könnte man das Branding dann einspielen, wenn die Karte eingesteckt wird) respektive der Bancomat würde mit einem bankneutralen Brand betrieben.

Die obigen Möglichkeiten schliessen sich gegenseitig natürlich nicht aus. Vielmehr kann es sein, dass mehrere der oben vorgestellten, sich teilweise auch ergänzenden Optionen (und möglicherweise auch noch weitere) zur Anwendung kommen.

Fazit und Ausblick

Der Zugang zu Bargeld soll für die Bevölkerung trotz der abnehmenden Bedeutung von Bargeld als Zahlungsmittel auch weiterhin gewährleistet bleiben. Derzeit sind die Bancomaten die beliebteste Bezugsquelle für Bargeld. Zukünftig müssen sich Banken aber überlegen, wie sie die Bancomaten einigermassen effizient betreiben können. Geringere Transaktionsvolumina führen aufgrund der hohen Fixkosten einer Bargeld-Infrastruktur zu steigenden operativen Kosten pro Transaktion. Die Effizienzgedanken sollten aber auch noch mit Überlegungen zum Thema "Branding" verbunden werden.

Ich kann mir gut vorstellen, dass künftig und in einem ersten Schritt der Bargeldversorgungsprozess weiter verschlankt und optimiert wird. Viele Banken sind derzeit noch nicht bereit, ihre "Logo-Präsenz" an Bancomaten aufzugeben, möchten und müssen aber ihre Kosten weiter reduzieren. In einem zweiten Schritt erwarte ich, dass das ATM-Netzwerk in der Schweiz ausgedünnt wird und möglicherweise verstärkt Kooperationen zwischen Instituten geschaffen werden. Schliesslich könnte es sein, dass die Bargeldversorgung nicht mehr nur von Banken, sondern verstärkt auch über den Einzelhandel sichergestellt wird. Die entsprechenden Schritte können sich durchaus auch parallel entwickeln..

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