Prognosen vom Uptime Institute

Diese Trends beschäftigen Rechenzentrumsbetreiber 2022 am meisten

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von Kevin Fischer und jor

Das Jahr 2022 hält für die Rechenzentrumsbranche verschiedene Herausforderungen bereit. Das Uptime Institute hat fünf entsprechende Prognosen gemacht. Unter anderem werden Nachhaltigkeit, Lieferengpässe und Sorgen um den "Single Point of Failure" den Sektor beschäftigen.

(Source: eee)
(Source: eee)

Nachhaltigkeit, Resilienz, Lieferengpässe: Die Rechenzentrumsbranche sieht sich 2022 verschiedenen Herausforderungen gegenüber. Das Uptime Institute hat dazu fünf Trends beleuchtet und Prognosen formuliert. Das zugehörige PDF kann hier bestellt werden.

Server-Effizienz und Dynamik im Chipmarkt verändern sich

In den vergangenen Jahren stieg die Rechenleistung von Servern, während sich die Entwicklung der IT-Energieeffizienz stetig verlangsamte. Das hat gemäss dem Uptime Institut möglicherweise negative Effekte für Rechenzentren (RZ) und Umwelt, doch soll sich die Situation ab 2022 zum Teil wieder verbessern. Einige RZ werden mithilfe neuer Technologie grosse Fortschritte in Energieverbrauch und Rechenleistung machen, andere nicht.

Technologische Fortschritte begünstigen derzeit aber vor allem die Leistung konsolidierter Infrastrukturen, weshalb sie besonders Betreibern von Infrastrukturen im grossen Mass nützen werden. Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz sind am besten, wenn neue Server mit vielen Kernen unter grosser Auslastung genutzt werden. Dafür werden Server bei geringer Last (10 Prozent oder weniger) stetig ineffizienter.

Server werden bei geringer Auslastung zunehmend ineffizienter. (Source: Five Data Center Predictions for 2022, Uptime Institute)

Die Autoren des Berichts schreiben, Intel werde sein "Mojo" wiederfinden. Der Hersteller büsste es wegen einiger technologischer Fehlentscheidungen in der Vergangenheit ein. In den ersten Monaten dieses Jahres arbeitet das Unternehmen an einer neuen Server-Prozessor-Generation, die auf seiner 10-Nanometer-Technologie basiert (Intel 7). Das wird die Leistungsdichte erhöhen, wie es weiter heisst. Auch die Effizienz soll wieder besser werden. Trotzdem wird Hersteller AMD das Stolpern seines Konkurrenten Intel ausnutzen und einige starke Produkte auf den Markt bringen, welche die Server-Produkte der Konkurrenz in Sachen Effizienz und Leistung übertreffen.

Andere Chip-Verkäufer wie Nvidia und einige Hyperscaler hätten damit begonnen, eigene Cloud-Server-Plattformen herzustellen - inklusive AWS und Alibaba. Die Firmen werden mit eigenen Chipdesigns auf neue Chip-Fabrikations-Technologien umsteigen, wie es im Bericht weiter heisst. Diese Entwicklungen würden von TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Company) und Samsung Electronics unterstützt.

Fragiler Konsens bezüglich Nachhaltigkeit in der Branche

Aufgrund des Pariser Klimaabkommens und Druck seitens Wissenschaft, Bevölkerung, Regierungen und Investoren haben Unternehmen höhere Anforderungen bezüglich Nachhaltigkeit. Das betrifft insbesondere grosse Energieverbraucher wie RZ. Da entsprechende Ansprüche und Methoden zum Teil kompliziert und widersprüchlich scheinen, rechnen die Analysten damit, dass Frust und Meinungsdifferenzen in der Branche die Folge sein werden.

Die meisten Manager der RZ-Industrie anerkennen, dass bezüglich Klimawandel Handlungsbedarf besteht, doch ist das Vertrauen in Regulierungsbehörden tief, wie das Uptime Institute schreibt. Ausserdem waren bisher die meisten Engagements bezüglich Klimawandel freiwillig, was mit einer gewissen Laxheit bei Definitionen, Zielen und Terminologien einherging. Doch könnten Klimaziele oder Berichte etwa zu Energieverbrauch und CO2-Ausstoss zunehmend verpflichtend werden, was gemäss Analyse mit einigen schwierigen Entscheidungen einhergehen könnte.

Diese Messungen machen Rechenzentren bezüglich Nachhaltigkeit. (Source: Five Data Center Predictions for 2022, Uptime Institute)

Der Kauf von Kohlenstoff-Kompensationen oder der reine Bezug erneuerbarer Energien könnte in Zukunft nicht mehr als ausreichendes Engagement bewertet werden. Das Uptime Institute rechnet damit, dass Regulierungsbehörden und Investoren fortan jährliche Verbesserungen in Energieeffizienz oder geringeren Energieverbrauch und CO2-Ausstoss sehen wollen.

Die höhere Energieeffizienz ist gerade etwa für Colocation-Anbieter eine praktisch unmögliche Aufgabe, hängen doch 70 Prozent ihres Energieverbrauchs von der IT ihrer Kunden ab. Um die Energieeffizienz an Colocation-Standorten zu fördern, sei es sinnvoll, wenn die entsprechenden Kunden direkt die Verantwortung für den Kohlenstoff im eingekauften Strom übernehmen, der ihre IT-Systeme im RZ versorgt. Doch sind dazu noch viele Unternehmen nicht bereit, wie das Uptime Institute schreibt.

RZ-Betreiber pochen wegen Energiebedarf und CO2 auf Atomenergie

Die Forderung nach geringeren CO2-Emissionen und der steigende Energiebedarf führen gemäss Analyse dazu, dass bei RZ-Betreibern das Interesse an Atomenergie wieder steigt. Kernkraft gilt nicht als sauber, ist aber eine nahezu CO2-freie Energiequelle. Die digitale Infrastrukturindustrie, die eine grosse Energieverbraucherin ist, spielt laut dem Uptime Institute eine wichtige Rolle bei der Rehabilitierung von Atomenergie und deren Verbindung mit erneuerbaren Energien.

Es gebe erhebliche Vorbehalte gegen die Nutzung oder Befürwortung von nuklearer Energie, die hauptsächlich auf die Angst vor Kernschmelzen und die Sorge um Atommüll zurückzuführen sind. Der Bedarf an kohlenstoffarmer und wetterunabhängiger Stromerzeugung werde diese Sorgen aber wahrscheinlich überwinden. Deshalb rechnen die Analysten damit, dass 2022 einige grössere RZ-Betreiber und andere Player die Kernenergie offener und aktiver unterstützen werden.

Sorgen wegen der Konzentration kritischer Daten in Clouds wachsen

Unternehmen werden zunehmend abhängiger von Online-Diensten. Damit wachsen auch die Sorgen um Daten in Public Clouds respektive die Resilienz von entsprechenden Anbietern. Solche Provider haben in der Regel Redundanzen auf jedem Level der IT. Nach einigen Cloud-Ausfällen und zunehmendem Druck von den Aufsichtsbehörden fürchten Kunden, dass grosse Cloud-Provider zu einem "Single Point of Failure" werden könnten - in technischer Hinsicht, aber auch unter dem Gesichtspunkt des Geschäftsrisikos.

So stehen Unternehmen dazu, kritische Workloads in Public Clouds zu laden. (Source: Five Data Center Predictions for 2022, Uptime Institute)

Das Uptime Institute rechnet 2022 damit, dass diese "Konzentrationsrisiken" von Managern höher gewichtet werden. Einige Anbieter planen deshalb, mehr auf Multicloud-Konfigurationen zu fokussieren. Doch gehen diese Konzentrationsrisiken über Cloud Computing hinaus: Haben ein oder mehrere grosse Dienstleister Probleme, gibt es nachweislich auch bei komplett unzusammenhängenden Diensten technische Probleme.

Als Beispiele nennen die Analysten den Ausfall von verschiedenen Facebook-Diensten im Herbst 2021, welcher global auch andere Services beeinträchtigte. Ein weiteres Beispiel sei ein Missgeschick des Cloud-Computing-Anbieters Fastly, welches global 85 Prozent aller Dienste betraf, darunter Reddit. Diese und mehr grosse Internetausfälle des Jahres 2021 können Sie übrigens hier nachlesen.

Alle derartigen Vorfälle deuten auf das dahinterliegende Problem hin: die Konzentration der Kontrolle über die wichtigsten Internet-Infrastrukturdienste bei relativ wenigen grossen Anbieter. Die Analysten rechnen damit, dass Kundschaft und Aufsichtsbehörden wegen potenziellen Risiken künftig mehr Transparenz bezüglich Infrastruktur und Schwachstellen von den Anbietern verlangen.

Lieferschwierigkeiten fördern Standardisierung und Skalierung

Covid-19-bedingte Lieferschwierigkeiten haben höhere Preise und Lieferzeiten für viele Komponenten verursacht. Das wird gemäss Uptime Institute auch 2022 noch so sein, während die Nachfrage nach IT und neuen RZ-Kapazitäten steigen. Die grössten Betreiber werden sich ihre Lieferungen dank Kaufkraft, Beziehungen und Grösse sichern können, während kleinere Betreiber Probleme haben könnten. Das werde den Kostenvorteil grösserer RZ-Betreiber und -Bauer noch weiter stärken.

Trotz der höheren Komponentenpreise rechnen die Analysten damit, dass die Gesamtkosten und die Zeit für die Bereitstellung neuer RZ-Kapazitäten weiter zurückgehen werden - wie schon die letzten Jahre. Dazu beitragen könnte etwa engere Zusammenarbeit mit den wichtigsten Zulieferern. Mehr solche Kollaborationen könnten auch mehr gemeinsame Arbeit zwischen Besitzer und Zulieferer in der Entwurfsphase bedeuten. Dadurch würde etwa sichergestellt, dass verfügbare Komponenten verwendet werden. In manchen Fällen könnten zudem Kompromisse bei den Spezifikationen eingegangen werden.

Anteile an Rechenzentren, die sich auf mehrere Lieferanten verlassen. (Source: Five Data Center Predictions for 2022, Uptime Institute)

Um den Lieferengpässen vorzubeugen, verfolgen RZ-Betreiber verschiedene Strategien. Dazu gehört etwa, mehrere Lieferanten unter Vertrag zu nehmen oder das Inventar aufzustocken. Trotzdem bleibe ein grosser Teil der RZ-Betreiber anfällig auf Lieferengpässe, da sie sich auf einen einzigen Lieferanten verlassen.

Auch an Personal fehlt es bei rund der Hälfte der untersuchten RZ, wie die Analysten weiter schreiben. Ein Drittel habe ausserdem Probleme, die Mitarbeitenden zu halten, da sie von Konkurrenten und Unternehmen ausserhalb der RZ-Branche abgeworben werden. Das wird auch über 2022 hinweg so bleiben. Die Unternehmen, die grössere Löhne zahlen können, werden es dabei am einfachsten haben, Mitarbeitende für sich zu gewinnen und zu halten. Den Fachkräftemangel in RZ beleuchtete das Uptime Institute bereits Anfang 2021, wie Sie hier nachlesen können.

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