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Künstliche Intelligenz und digitale Barrierefreiheit

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von Madleina Scholtysik, Usability und UX Consultant; Melanie Stade, Senior Usability und UX Consultant; Dr. Christopher Müller, Expert Consultant, Die Ergonomen Usability

Barrierefreiheit von Websites unterstützt und fördert die Selbstbestimmung und Unabhängigkeit von Menschen mit ­Behinderungen. Künstliche Intelligenz, smart eingesetzt, könnte zu einem grossen Entwicklungssprung führen: Digitale ­Produkte und Dienste werden dank verbesserter Bild- und Spracherkennung noch inklusiver.

Madleina Scholtysik Usability und UX Consultant, Melanie ­Stade Senior Usability und UX ­Consultant, und Christopher Müller Expert ­Consultant, Die Ergonomen Usability (v.l.). (Source: zVg)
Madleina Scholtysik Usability und UX Consultant, Melanie ­Stade Senior Usability und UX ­Consultant, und Christopher Müller Expert ­Consultant, Die Ergonomen Usability (v.l.). (Source: zVg)

Es gilt, noch etliche Hürden zu überwinden, bevor wir ein barrierefreies Internet erleben. Zu diesen Barrieren zählen, ausser den technischen, auch fehlendes Wissen, mangelnde Ressourcen und späte Implementierung im Prozess. Angesichts der rasanten Entwicklungen von künstlicher Intelligenz (KI) allein in den vergangenen Monaten kann man sich hoffnungsvoll die Frage stellen: Hat KI das Potenzial, die Barrieren in der digitalen Welt einzureissen und das Internet für alle zugänglich zu machen?
Utopisch scheint der Ansatz einer KI, die Websites selbstständig auf Barrierefreiheit überprüft und optimiert. Den aktuellen Modellen unterlaufen noch zu viele Fehler, als dass sie den Menschen und seine Wahrnehmung ersetzen könnten. Sehr realistisch und erstrebenswert ist jedoch der Einsatz von KI in Expertentools, die den menschlichen Akteur beim Umsetzen und Überprüfen von Barrierefreiheit anleiten oder sogar die Analyse und Lösungsfindung übernehmen.

Nützliche KI-Tools

Mit der automatisierten Spracherkennung (Automated Speech Recognition, ASR) existiert bereits heute ein KI-Tool, das hilft, Barrieren abzubauen. ASR übersetzt gesprochene Sprache in Text und bietet so Personen mit eingeschränkter Hörfähigkeit Zugang zu Audiomaterial. Mit Sprachmustern, die von der Norm abweichen, tut sich ASR bislang jedoch noch schwer. Google hat das Projekt «Euphonia» ins Leben gerufen, das zum Ziel hat, Algorithmen mithilfe von diversen Sprach-Samples zu «besseren Zuhörern» zu trainieren. 

Viel Potenzial steckt auch in der Optimierung von semantischen HTMLs. Personen mit Sehbehinderung nutzen Screenreader, welche die Inhalte von Websites vorlesen. Der Screenreader liest den HTML-Code und beschreibt dem Menschen mit Behinderung, was auf der Website angezeigt wird. Schlechte Code-Qualität führt zu unzureichender oder gar fehlender Beschreibung, und das wird zur Nutzungshürde. KI-Tools können hier helfen, indem sie den Webentwicklern Fehler und Lücken im semantischen HTML aufzeigen und sogar selbst korrigieren. KI-Bilderkennung ergänzt fehlende Alt-Texte automatisch, damit Screenreader die Inhalte der Bilder richtig interpretieren können. Bei bildlastigen Webseiten bedeutet das auch für die Entwickler und Content-Ersteller massiven Effizienzgewinn.
Ein dritter, vielversprechender Ansatz ist «Natural Language Processing». Hierbei werden komplexe Texte durch KI zusammengefasst oder in einfache Sprache umgewandelt. Durch die Zusammenfassung der Inhalte durch ein KI-Tool können Screenreader den Inhalt einer Seite schneller wiedergeben. Auch Personen mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten können von einfacher Sprache und Zusammenfassungen profitieren.

Fazit

KI hat Potenzial, Hürden in der digitalen Barrierefreiheit niederzureissen. Big Player wie Google oder Microsoft investieren massiv in KI-Technologie, die schliesslich auch für die Entwicklung barrierefreier digitaler Produkte zum Einsatz kommen werden. Und wenn die Menschen mit Beeinträchtigungen konsequent bei der Gestaltung und Verbesserung digitaler Angebote einbezogen werden, kann nichts mehr schiefgehen.

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