Das sagt Yoveo zum Gewinn des Master-Titels
Die Kampagne "Arosa Tourismus – Arosa macht Träume wahr" hat bei Best of Swiss Web 2024 Master-Titel sowie Gold in der Kategorie "Brand Experience" geholt. Im Interview sprechen Marco Demont und Andreas Herren, Co-Founder und Partner bei Yoveo, über die Challenges bei der Umsetzung und über die wichtigsten Lehren aus dem Projekt.
Was hat Sie am Projekt besonders gereizt?
Marco Demont: Es gab während des gesamten Projekts sehr spannende Phasen und auch viele Learnings. Was mich besonders gereizt hat, war einerseits eine Kampagne zu erstellen, bei der generative KI ein integriertes Kernelement bildet. Andererseits aber auch der positive Effekt, dass durch den crowd-basierten Ansatz einer breiten Bevölkerung leichter Zugang zu generativer KI gegeben wurde. Viele konnten sich vor der Kampagne gar nicht vorstellen, wie man aus der Eingabe von Texten Bilder entstehen lassen kann.
Die Kampagne lebt davon, dass User mithilfe von generativer KI die Inhalte erstellen. Haben Sie nicht Angst, dass Sie sozusagen am Ast sägen, auf dem Sie sitzen? Anders gefragt: Wenn Bildgeneratoren und User die Werbesujets kreieren, wozu braucht es dann noch Werbeagenturen?
Demont: Mit dieser Behauptung wird aktuell die gesamte Werbe- und Kommunikationsbranche konfrontiert. Und ja, KI hat disruptiven Charakter. Und ja, KI wird einige Bereiche in unserer Branche obsolet machen. Auf der anderen Seite bietet KI auch viele Chancen. Neue Möglichkeiten entstehen, gewisse Bereiche werden effizienter. So wie bei allen grossen technologischen Wellen in der Vergangenheit. Neu ist das Tempo, mit der KI auf uns zukommt. Da muss man agil sein, improvisieren und mutig sein für Neues. Und bis KI die menschliche Exzellenz und Kreativität ersetzen kann, wird es noch einige Zeit dauern. Einige Anbieter werden erfolgreicher aus der KI-Welle hervorgehen, andere wiederum wird es womöglich in einigen Jahren nicht mehr geben.
Wie haben Sie das Projekt angepackt, und wer hat welchen Part übernommen?
Demont: Wir gingen mit der Idee einer KI-Kampagne auf unseren langjährigen Partner Arosa Tourismus zu. Das Interesse und die Begeisterung waren sofort vorhanden. Daraus entstand ein iterativer Prozess, der zum Schluss in die "#Bergtraum"-Kampagne mündete. Allein während der wenigen Wochen Vorlaufzeit kamen immer wieder neue generative KI-Technologien auf den Markt, die es zu prüfen und gegebenenfalls zu integrieren galt. Dies meinte ich bei der Frage zuvor mit schnell, agil und auch mal was wagen. Die Parts waren klar aufgeteilt. Die Aktivierung und Umsetzung der Kampagne waren auf Kundenseite, die gesamte technische Umsetzung und auch die Erstellung der Media Assets lag auf unserer Seite. Punktuell unterstützen wird auch bei der Aktivierung und Umsetzung.
Was waren die grössten Herausforderungen bei der Umsetzung?
Andreas Herren: Die Zielgruppe von Arosa ist sehr heterogen. Von affinen Personen mit viel Prompt-Erfahrung bis hin zu Personen, die im Rahmen dieser Kampagne zum ersten Mal mit KI in Berührung kamen. Alle mit einer einfachen User Experience abzuholen, war herausfordernd. Eine weitere Challenge war die Performance. Die Bildgenerierung musste unabhängig von der Anzahl Personen, die gleichzeitig Bilder generierten, konsistent performant bleiben. Und die grösste Challenge war die Bildqualität. Generative KI ist grundsätzlich ein nicht deterministisches System. Das ist auf der einen Seite super spannend. Die Kampagne hat von dieser "KI-Kreativität" profitiert. Auf der anderen Seite galt es, einen gewissen Stil sicherzustellen und unangemessene Inhalte zu vermeiden. Ein Balance-Akt.
Wie gestaltete sich die technische Umsetzung der Kampagne?
Herren: Wir fokussierten im ersten Schritt auf die Nutzerführung mit Beispielen und vordefinieren Prompts mit dem Ziel, dass auch Personen, die zum ersten Mal mit KI in Berührung kommen, einen einfachen Zugang finden. Der zweite Fokuspunkt war das Tweaking der Bildgenerierung und die Sicherstellung der Performance.
Als Bildgenerator haben Sie auf die Open-Source-KI Stable Diffusion gesetzt. Warum gerade dieses Modell? Was bietet es für Vorteile im Vergleich zu Midjourney oder Dall-E?
Herren: Ein wesentlicher Vorteil ist die Offenheit und Zugänglichkeit des Modells, da es als Open-Source-Projekt frei verfügbar ist. Dies erleichtert Anpassungen und Integrationen in spezifische Projekte. Zudem bietet Stable Diffusion eine hohe Bildqualität, vergleichbar mit anderen wie Midjourney oder Dall-E, jedoch bei einer oft schnelleren Generierungszeit. Dies ist besonders vorteilhaft für Kampagnen, die eine grosse Menge an Bildmaterial in kurzer Zeit benötigen. Ausserdem unterstützt das Modell eine breite Palette an Stilen und kann durch Training mit spezifischen Daten noch besser auf die gewünschten Output-Anforderungen abgestimmt werden.
Wie sind Sie bei der Implementierung von Stable Diffusion vorgegangen?
Herren: Ganz ehrlich – es war viel Trial-and-Error. Wir haben uns gleich zu Beginn eine Sandbox gebaut und diese mit dem Projektteam (intern und kundenseitig) geteilt. Dadurch konnten wir laufend Erfahrungen sammeln. Parallel dazu passten wir das Modell an mit einer umfangreichen Palette von Massnahmen wie etwa Text Preprocessing, Übersetzung, Modellparameter, Stiloptionen, Keywords, Pre-Prompts oder Negative-Prompts.
Stability AI, die Firma hinter Stable Diffusion, steckt in juristischen Schwierigkeiten. Die US-Bildagentur Getty verklagte das Unternehmen wegen mutmasslicher Urheberrechtsverletzungen. Der Vorwurf: Stability AI soll fürs Training der KI unerlaubt Millionen von Getty-Bildern verwendet haben – und die KI produziere daraus abgeleitete Werke. Was bedeutet das für die Arosa-Kampagne und für die Zukunft von KI-gestützten Kampagnen im Allgemeinen?
Herren: Das trifft generell auf alle Anbieter zu. So wurde beispielswiese OpenAI – die Firma hinter Dall-E und ChatGPT – von der "New York Times" verklagt. Wir befinden uns auf einem weitgehend unbekannten Terrain. Ein vielschichtiges, sehr komplexes Thema. Auf der einen Seite gibt es Bestrebungen, Content-Provider zu entschädigen. Auf der anderen Seite kann man generative KI als direkte Konkurrenz zu Content-Providern verstehen, die ihre Kreationen schützen wollen. Gleichzeitig entwickeln sich die Modelle rasend schnell. Neue Modelle benötigen weniger Trainingsdaten. Wir verfolgen die Entwicklung intensiv und prüfen den Einsatz individuell für jede Kampagne.
Was sind für Sie die wichtigsten Lehren aus dem Projekt?
Demont: Agil bleiben, schnell sein und den Kunden proaktiv mitführen. Viele Elemente sind bei einem KI-Projekt für Kunden neu. Da ist es an der Agentur, dem Kunden Sicherheit zu vermitteln und komplexere Themen verständlich zu kommunizieren.
Welche Tipps können Sie den Kandidierenden für die kommende Ausgabe von Best of Swiss Web mit auf den Weg geben?
Demont: Grosse Budgets allein ergeben noch lange keine guten Projekte. Und bei der Arbeit mit neuen Technologien wie KI gehört es auch dazu, mal so richtig auf die Nase zu fallen. Nicht alles funktioniert so, wie man denkt oder es erwartet. Aber man lernt stetig dazu, und das ist zentral für einen erfolgreichen Umgang mit Technologien wie KI.